»Die Blumen werden dir lästig sein unterwegs, Ilse,« meinte Fräulein Güssow, die bereits mit Nellie im Wagen [pg 211]Platz genommen hatte, »laß sie zurück und nimm aus jedem Strauße nur einige Blümchen mit.«
Aber welches junge Mädchen würde auf diesen vernünftigen Vorschlag eingegangen sein! Eine Abreise ohne Strauß ist gar keine richtige Abreise nach heutigem Begriffe. Natürlich schüttelte Ilse den Kopf und sah das Fräulein bittend an. »Ich möchte sie so gern alle mitnehmen,« sagte sie.
»Aber wie?« Darauf gab Rosi die Antwort. Sie hatte ein offenes Körbchen herbeigeholt und legte den ganzen Blumenvorrat vorsichtig hinein.
Und nun zogen die Pferde an; noch ein »Lebewohl«, ein letzter Abschiedsblick, ein Grüßen mit dem Tuche und hinter ihr lag die Stätte, an der sie eine glückliche und lehrreiche Zeit verlebt. Ilse lehnte sich im Wagen zurück und weinte laut.
Als die Damen am Bahnhofgebäude anlangten, war der Zug soeben eingefahren. Er hatte fünfzehn Minuten Aufenthalt und Fräulein Güssow hatte Zeit, ein passendes Koupee für Ilse auszusuchen.
»Wo ist ein Damenkoupee? fragte sie den Schaffner, »diese junge Dame fährt nach W.«
»Hier! hier!« rief es aus dem Fenster eines Koupees hinter ihr, »hier können junge, hübsche Damen Platz nehmen!«
Das Fräulein wandte den Kopf und blickte in ein fröhliches Studentenangesicht. Das Cereviskäppchen saß ihm keck auf einem Ohre und kaum geheilte »Schmisse« schmückten Kinn und Wange. Hinter ihm standen noch einige andre Studenten und lachten zu dem Scherze ihres Freundes. Laut und ungeniert bewunderten sie die jungen Mädchen.
»Entzückend! Wunderbar! Fortuna mit dem Füllhorne!« riefen sie den Damen nach, die sich eilig entfernten. – Fräulein Güssow ergriff unwillkürlich Ilses Hand, die hocherrötet war.