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Der Trotzkopf-41
日期:2023-02-09 15:07  点击:266
Sollte dieselbe sie unverrichteter Sache hier finden? Sie hätte sich vor ihr schämen müssen. Mit einem tiefen Atemzuge öffnete sie die Thür.
Die Vorsteherin saß an ihrem Schreibtische; als sie Ilse eintreten sah, erhob sie sich.
 
Ilses Herz klopfte zum Zerspringen. Als sie das strenge, zürnende Auge Fräulein Raimars auf sich gerichtet sah, entsank ihr der Mut. Sie versuchte zu sprechen, aber es war ihr unmöglich, ein Wort hervorzubringen, die Kehle erschien ihr wie zugeschnürt. Es war eine Folterqual, die sie ausstand, und wenn jetzt der Boden unter ihren Füßen sich plötzlich geöffnet und sie hätte verschwinden lassen, sie würde es für eine Wohlthat des Himmels angesehen haben. Aber diese Wohlthat blieb aus, und Ilse stand noch immer wortlos vor der Vorsteherin.
Schon regte sich wieder der alte Trotz, der ihr eingab, es ruhig darauf ankommen zu lassen und sich nicht zu beugen – da war es, als ob Lucie sie traurig anblicke, als [pg 83]ob sie ihr mahnend zurief: »Nicht zurück! Geh’ mutig vorwärts!«
 
»Nun Ilse?« unterbrach Fräulein Raimar das minutenlange Schweigen. »Was ist dein Begehr?«
 
Ilse machte eine vergebliche Anstrengung zu sprechen und brach in ein krampfhaftes Schluchzen aus. Abgebrochen und unverständlich kam es von ihren Lippen: »Ver–zeih–ung!«
 
Fräulein Raimar war sehr aufgebracht über Ilses Betragen gewesen und sie hatte die Absicht gehabt, ihr eine derbe Lektion dafür zu geben, als sie indes dieselbe so zerknirscht und reuevoll vor sich stehen sah, wurde sie milder gestimmt.
 
»Für diesmal,« sagte sie, »will ich dir vergeben, ich sehe, daß du dich selbst mit Vorwürfen strafst, und daß du zur vollen Erkenntnis deines Ungehorsams gekommen bist. Bessre dich! Beträgst du dich ein zweites Mal in ähnlicher Weise, würde ich die strengsten Maßregeln ergreifen, das heißt: ich würde dich zu deinen Eltern zurückschicken! – Ich hoffe, du vergißt dich niemals wieder, versprich mir das!«
 
Beinah hätte sie sich sofort gegen dieses Versprechen aufgelehnt und geantwortet: »Schicken lasse ich mich nicht! Dann gehe ich lieber gleich zu meinen Eltern,« – da war es wieder Lucies warnendes Beispiel, das diese böse Antwort von ihren Lippen scheuchte.
 
Zögernd und noch immer schluchzend ergriff sie des Fräuleins Hand. »Nie – wieder!« stammelte sie.
 
Und Fräulein Raimar war von der Wahrheit ihres Versprechens überzeugt und hatte beinah Mitleid mit der Reumütigen. »Nun geh’ und beruhige dich,« sagte sie in mildem Tone, »und sehe ich, daß du dich besserst, wird der heutige Tag von mir vergessen sein. –« 

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