»Besorgt folgte ihr die Großmama, aber sie klopfte vergeblich an der verschlossenen Thüre, dieselbe wurde nicht geöffnet. –
»Lucie befand sich in keiner beneidenswerten Stimmung. Es kochte und tobte in ihr und verworrene Gedanken durchzuckten ihr Hirn. War es recht, wie sie gehandelt hatte? ›Ja,‹ antwortete sie sich darauf, ›ich bin im Rechte. Warum schreckt er mich mit den Gespenstern Sorge und Not, warum peinigt er mich damit? Ich will in eine glückliche Zukunft sehen und er will mir das Herz schwer machen mit Unmöglichkeiten. Und welch eine wichtige Sache er daraus macht? – Ich soll zurücknehmen, was ich gesagt habe! Solch ein Verlangen! Abbitte soll ich thun – Abbitte! Und er hat mich doch erst herausgefordert. Er ist an allem schuld.‹
»Aus einem Winkel ihres Herzens meldete sich auch eine Stimme, die ihr zurief: ›Gieb nach! Reich’ ihm die Hand, oder du hast ihn verloren!‹ Sie wurde nicht beachtet, und als eine Stunde vergangen war, hatte sie sich so völlig in den Gedanken an ihre Schuldlosigkeit eingelebt, daß sie erwartete, Curt müsse kommen und sie um Verzeihung bitten.
»Er kam auch und begehrte Einlaß. ›Oeffne mir, Lucie,‹ rief er stürmisch, ›es hängt unser Glück davon ab! Ich muß dich sprechen! – Ich will dich sprechen!‹
»Das klang wie ein Befehl, sie schwieg und gab keine Antwort. Wohl klopfte ein guter Engel an ihr Herz und rief ihr warnend zu: ›Erhöre ihn und es wird alles gut‹ – sie war taub gegen seine Stimme. Ein böser Geist hielt sie für den Augenblick gefangen und trauernd floh ihr guter Engel von dannen.
»›Ich will nicht mit dir reden!‹ rief sie zurück, ›ich wüßte auch nicht, was du mir noch sagen könntest!‹
»›So treibst du mich fort von dir, Lucie!‹ – rief er außer sich. ›Bedenke was du thust! Ich gehe und nicht eher kehre ich zu dir zurück, bis du mich zurückrufst: Lebe wohl!‹ – –
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»Es waren die letzten Worte, die sie von ihm gehört hat.
»Nach einer in Aufregung durchwachten Nacht brach der nächste Tag an. Der trotzige Aufruhr in Lucies Innern hatte sich gelegt und einer unzufriedenen Stimmung Raum gemacht. Nachzugeben fühlte sie sich auch heute nicht geneigt, aber sie wollte ihn heute anhören, wenn er kam, – und daß er kommen werde, darauf hoffte sie fest.
»Aber sie hoffte vergebens. Die Großmama überhäufte ihre Enkelin mit bitteren Vorwürfen und forderte sie unter Thränen auf, sie möge nachgeben.
»›Wird es dir denn so schwer,‹ sagte sie, ›dem Manne, dem du in vier Wochen die Hand für das Leben geben willst, ein bittendes Wort zu sagen? Ueberwinde dich, Lucie, nimm deine bösen Worte zurück, oder es giebt ein Unglück.‹
»›Ich kann nicht, Großmama. Ich müßte ja abbitten, so verlangt er, und du weißt, ich that es nie! Er kehrt auch ohne meinen Ruf zurück, du wirst es sehen.‹
»Aber auch der nächste Tag verging und er blieb aus. Lucie befand sich in einer fieberhaften Aufregung und schrak zusammen, sobald sich die Thür öffnete. – Am dritten Tage, – es war gegen Abend, sie hatte wieder vergeblich ihn erwartet, da brachte Curts Diener ihr einen Brief. Sie eilte auf ihr Zimmer, um ihn allein und ungestört zu lesen – es war doch endlich – endlich ein Zeichen von ihm!