»›Man kann nicht wissen, was in den Sternen für uns geschrieben steht,‹ entgegnete er ernst. ›Du könntest zum Beispiel dein Vermögen verlieren, – und ich – nun wenn ich krank würde und nicht malen könnte?‹
»›Warum quälst du mich mit allerhand dummen Möglichkeiten, Curt,‹ sagte sie ungeduldig. ›Ich antworte dir nicht auf solche Fragen.‹ Und sie wandte sich halb von ihm ab.
»›Du sprichst jetzt gegen deine bessere Ueberzeugung, du kleine Widerspenstige,‹ sagte er halb ernst, halb scherzhaft. ›Ich weiß, du wirst mir ganz bestimmt meine Gewissensfrage beantworten, ich weiß auch, meine Lucie würde den Mut haben, ein sorgenvolles Leben mit mir zu teilen, wie sie meine Gefährtin in Glück und Wohlstand werden wollte. Nicht wahr? Du siehst ein, Liebling, daß ich von meiner zukünftigen Frau das verlangen kann?‹
»›Das sehe ich nicht ein!‹ rief Lucie sehr entrüstet und entzog ihm ihre Hand, die er liebevoll ergriffen hatte. ›Armselige Verhältnisse würden mich unglücklich machen – ja, unglücklich machen!‹ wiederholte sie, als er sie zweifelnd ansah, ›lieber würde ich gar nicht heiraten!‹
»Er wurde blaß bei ihren Worten, aber noch wollte er nicht an den Ernst derselben glauben. ›Hast du mich lieb, Lucie?‹ fragte er sie.
»›Ja, aber in einer Hütte bei Salz und Brot mag ich nicht mit dir wohnen!‹
»›Kein ›Aber‹, Lucie. Hast du mich lieb? Sage ja und nimm zurück, was du gesagt hast.‹
»›Nein!‹ rief sie entschieden und sprang von ihrem Platze auf. ›Nichts nehme ich zurück! Was ich gesagt habe, ist meine wahre Meinung!‹
»›Lucie!‹ rief er erregt, ›besinne dich! Es ist nicht wahr, du denkst nicht wie du sprichst! Dein Widerspruch gab dir die Worte ein ....! Nimm sie zurück, Herz!‹ und flehend blickte er ihr in das Auge.
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»›Du irrst,‹ entgegnete sie mit scheinbarer Kälte, ›nicht aus Widerspruch, sondern mit voller Ueberzeugung sagte ich dir meine Ansicht.‹
»›Nein, nein! Ich kann’s, ich will’s nicht glauben! – Komm her, sieh’ mich an. Deine Augen sollen mir die Antwort geben, ich weiß, daß sie nicht lügen können. – Du liebst mich? Ja? Nicht wahr, du hast mich lieb?‹ wiederholte er noch einmal dringend – ›und du nimmst zurück, was du gesagt?‹
»Unglücklicherweise hatte die Großmama auf der entgegengesetzten Seite der Veranda gesessen und war so eine stumme Zeugin dieser Scene geworden. Aengstlich erhob sie sich und trat dem jungen Paare näher.
»›Sie dürfen Lucie nicht so übel nehmen, was sie sagt, lieber Curt,‹ sprach sie beruhigend, ›es kommt ihr nicht vom Herzen, glauben Sie mir.‹
»Die alte Frau hatte es gut gemeint, aber sie stiftete Unheil an. Hätte sie sich nicht in den Streit gemischt, vielleicht war es besser. Ihre gütigen Worte stachelten Lucies Trotz noch mehr an.
»›Es kommt mir wohl aus dem Herzen!‹ rief dieselbe aufgebracht, ›und ich wiederhole noch einmal: Lieber heirate ich gar nicht, als daß ich Not und Mangel leide!‹« –
»O, wie hart ist sie!« warf Nellie ein, als Fräulein Güssow wie erschöpft einen Augenblick innehielt.
»Sie war nicht hart, nur verblendet,« fuhr diese fort. »Niemals hatte sie gelernt, sich einem andern Willen zu beugen, niemals war sie im stande gewesen nachzugeben. Jetzt, wo das ernste Verlangen ihres Verlobten in aller Entschiedenheit an sie herantrat, ihren Widerstand zu zähmen, da bäumte derselbe sich dagegen auf und sie unterlag seiner Macht.