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Aufsätze by Robert Walser:Tiergarten
日期:2023-01-04 09:42  点击:248
Vom Zoologischen Garten her tönt Regimentsmusik. Man geht so, ganz gemächlich. Ist es denn nicht Sonntag? Wie warm es ist. Jedermann scheint erstaunt darüber zu sein, daß es jetzt, wie auf Zauberschlag, so leicht, so hell, so warm ist. Wärme allein gibt schon Farbe. Die Umwelt ist wie ein Lächeln, und es wird einem ganz weiblich zumut. Wie gern möchte ich jetzt (beinahe) ein Kind auf dem Arm tragen und treubesorgtes Dienstmädchen spielen. Wie stimmt der beginnende, herzbetörende Frühling zärtlich. Ich könnte, bilde ich mir ein, geradezu Mutter sein. Im Frühling, so scheint es, werden Männer und Mannestaten plötzlich so überflüssig, so dumm. Nur keine Tat jetzt. Horchen, bleiben, am Fleck stehen. Göttlich durch ganz weniges berührt sein. In dieses wonnensüße kindheitartige Grün schauen. Ach, ist doch Berlin und sein Tiergarten jetzt schön. Es wimmelt von Menschen. Die Menschen sind starke, bewegliche Flecke im zarten, verlornen Sonnenschimmer. Oben ist der lichtblaue Himmel, der wie ein Traum das untenliegende Grün berührt. Die Leute gehen leicht und bequem, so, als fürchteten sie, in Marschierschritt und in grobes Gebärden zu verfallen. Es soll Leute geben, die nie daran denken, oder die sich zieren, sich am Sonntag auf eine Tiergartenbank zu setzen. Wie doch solche Leute sich des reizendsten Vergnügens berauben. Ich selbst finde das Sonntagspublikum in seiner offensichtlichen harmlosen Sonntagslust bedeutender als alles Kairo- und Rivierareisen. Da wird das Harte gefällig, das Starre lieblich, und alle Linien und Gewöhnlichkeiten gehen traumhaft ineinander über. Unnennbar zart ist solch ein allgemeines Spazieren. Die Spaziergänger verlieren sich bald einzeln, bald in anmutigen dichten Gruppen oder Haufen zwischen den Bäumen, die hoch oben noch luftig-kahl sind, und zwischen dem niedrigen Gesträuch, das ein Hauch von jungem, süßem Grün ist. Es zittert und bebt in der weichen Luft von Knospen, die zu singen, zu tanzen, zu schweben scheinen. Das ganze Tiergartenbild ist wie ein gemaltes Bild, dann wie ein Traum, dann wie ein weitschweifiger angenehmer Kuß. Überall ist leichte, verständliche Lockung zum lange Hinschauen. Auf einer Bank am Schiffahrtskanal sitzen zwei Ammen im schneeweißen imposanten Kopfputz, weißer Schürze und knallroten Röcken. Indem man geht, ist man befriedigt; indem man sitzt, ist man ganz ruhig und schaut gelassen in die Augen der vorübergehenden Gestalten. Diese sind Kinder, an Leinen geführte Hunde, Soldaten mit dem Mädel im Arm, schöne Frauen, kokette Damen, alleinstehende, -tretende und -gehende Herren, ganze Familien, schüchterne Liebespaare. Schleier wehen, grüne und blaue und gelbliche. Dunkle und helle Kleider wechseln ab. Die Herren tragen meistens die unvermeidlichen trockenen halbhohen steifen Hügelhüte auf den Kegelköpfen. Man möchte lachen und zugleich ernst sein. Es ist alles zugleich lustig und heilig, und man ist sehr ernst dabei, wie alle. Alle zeigen denselben schicklichen leichten Ernst. Ist nicht so auch der Himmel, der auch so ein Gesicht macht, als spreche er: »Wie wunderbar ist mir?« Jetzt huschen, freundlichen Schemen ähnlich, windähnliche Schatten durch die Bäume, über die hellen weißen Wege, wohin? Man weiß es nicht. Kaum sieht man es, so zart ist es. Maler machen auf solche Delikatessen aufmerksam. In einiger sanfter Entfernung rollen roträdrige Droschken durch das milde grüne Gewebe, als gleite ein rotes Band durch ein Stück zartes Frauenhaar. Alles atmet Fraulichkeit, alles ist Helle und Milde, alles ist so weit, so durchsichtig, so rund, nach allen Seiten dreht man den Sonntagskopf, um die Sonntagswelt hübsch zu genießen. Menschen machen das Ganze eigentlich. Ohne die Menschen würde man die Schönheit des Tiergartens nicht sehen, nicht merken, nicht empfinden. Wie das Publikum ist? Na, gemischt, alles durcheinander, Elegantes und Einfaches, Stolzes und Demütiges, Fröhliches und Besorgtes. Ich selbst sorge mit meiner eigenen Person ebenfalls für Buntheit und trage mit zur Gemischtheit bei. Ich bin gemischt genug. Doch wo ist der Traum? Laß uns ihn doch noch rasch einmal betrachten. Auf einer rundgebogenen Brücke stehen viele Leute. Man steht selbst da, lehnt sich leicht und voll guter Manier an das Geländer und schaut hinab in das zärtlich-bläulich glimmende, warme Wasser, wo Boote und Kähne, menschenbesetzt und fähnchengeschmückt, leise, wie von guten Ahnungen gezogen, umherfahren. Die Schiffe und Gondeln schimmern in der Sonne. Da bricht ein Stück dunkles Samtgrün aus der Lichtheit hervor, es ist eine Bluse. Enten mit farbigen Köpfen schaukeln auf dem Gekräusel und Gezitter des Wassers, das manchmal schimmert wie Bronze oder wie Emaille. Herrlich ist es, wie das Feld des Wassers so eng und so klein ist und doch so vollbesetzt mit gleitenden Lustkähnen und Freudenfarben-Hüten. Überall, wohin man blickt, glänzt und bricht der Damenhut mit rot, blau und andern Augengenüssen aus dem Gebüsch hervor. Wie ist alles so einfach. Wohin geht man jetzt? In ein Kaffeehaus? Wirklich? Ist man jetzt so barbarisch? Jawohl, man tut's. Was tut man nicht alles? Wie schön ist es, zu tun, was ein anderer ebenfalls tut. Wie ist er nur schön, der Tiergarten. Welcher Einwohner von Berlin liebte ihn nicht? 

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