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坎特维尔的幽灵:Familie Otis lernt ihren Geist kennen
日期:2010-09-13 13:40  点击:17

Der Sturm wütete die ganze Nacht hindurch, aber sonst ereignete sich nichts von besonderer Bedeutung. Als die Familie zum Frühstück erschien, fanden sie den grässlichen Blutfleck wieder unverändert auf dem Fußboden vor. "Ich glaube nicht, dass die Schuld bei Pinkertons Fleckenreiniger liegt.", sagte Washington Otis. "Ich habe ihn stets mit Erfolg angewendet. Also muss es das Gespenst sein." Und damit rieb er zum zweiten Male den Fleck weg, aber am nächsten Morgen war er wieder da. Ebenso am dritten Morgen, obwohl Mr. Otis die Bibliothek verschlossen und den Schlüssel in seine Tasche gesteckt hatte.

 


Jetzt interessierte sich die ganze Familie für die Sache. Mr. Otis begann zu glauben, dass es vielleicht zu skeptisch von ihm gewesen war, die Existenz aller Gespenster zu leugnen. Mrs. Otis wollte der Psychologischen Gesellschaft beitreten und Washington schrieb einen langen Brief an die Herren Myers & Podmore über die Unvertilgbarkeit blutiger Flecken im Zusammenhang mit Verbrechen.

In der nächsten Nacht wurde jeder Zweifel an der Existenz von Gespenstern für immer endgültig beseitigt. Der Tag war heiß und sonnig gewesen. Die Familie fuhr in der Kühle des Abends spazieren und kehrte erst gegen neun zurück, um das Abendessen einzunehmen. Die Unterhaltung berührte in keinster Weise Gespenster. Es war also nicht einmal die Grundbedingung jener erwartungsvollen Aufnahmefähigkeit gegeben, die oft dem Erscheinen solcher Phänomene vorangeht. Die Gesprächsthemen waren solche, wie sie unter Amerikanern der besseren Klasse üblich sind. Man sprach beispielsweise über die ungeheure Überlegenheit von Miss Fanny Davenport über Sarah Bernhard als Schauspielerin und über die Schwierigkeit, Grünkern- oder Buchweizenkuchen selbst in den besten englischen Häusern zu bekommen. Auch die hohe Bedeutung von Boston in Hinsicht auf die Entwicklung der Weltseele, die Vorzüge des Freigepäcksystems beim Zugfahren und die angenehme Weichheit des New Yorker Akzents im Gegensatz zum schleppenden Londoner Dialekt wurde Gegenstand der Unterhaltung. Das Übernatürliche wurde nicht erwähnt und auch über Sir Simon wurde nicht gesprochen. Man trennte sich um elf Uhr und eine halbe Stunde später war alles dunkel.

Um Punkt ein Uhr erwachte Mr. Otis von einem Geräusch auf dem Korridor vor seiner Tür. Es klang wie Rasseln von Metall und schien jeden Augenblick näher zu kommen. Der Gesandte stand sofort auf und zündete ein Licht an. Er war ganz ruhig und fühlte sich den Puls, der nicht im Geringsten fieberhaft war. Das sonderbare Geräusch war immer noch zu hören, dazu deutlich Schritte. Mr. Otis zog seine Pantoffeln an, nahm eine längliche Phiole von seinem Nachttisch und öffnete die Tür.

Sich direkt gegenüber sah er im blassen Mondenschein einen alten Mann von ganz schrecklichem Aussehen. Die Augen des Alten waren rot wie brennende Kohlen, sein langes graues Haar fiel in wirren Locken über seine Schultern und seine altmodische Kleidung war schmutzig und zerschlissen. Schwere, rostige Fesseln hingen ihm an Füßen und Händen.

Mr. Otis holte tief Luft und sagte dann: "Mein lieber Herr, ich muss Sie bitten Ihre Ketten ein wenig zu schmieren. Hier habe ich eine kleine Flasche von Tammanys Rising Sun Lubricator. Ein einmaliger Gebrauch genügt. Ich werde diese Flasche hier neben das Licht stellen. Mit Vergnügen besorge ich Ihnen mehr davon." Er stellte das Fläschchen auf einen kleinen Marmortisch, schloss die Tür und legte sich wieder zu Bett.

Für einen Augenblick war das Gespenst von Canterville starr vor Empörung, dann schleuderte es die Flasche wütend auf den Boden und floh den Korridor hinab. Dabei stieß es ein dumpfes Stöhnen aus und verbreitete gespenstisch grünes Licht. Es hatte gerade die große Eichentreppe erreicht, als sich eine Tür öffnete und zwei kleine weißgekleidete Gestalten erschienen. Ein großes Kissen sauste am Kopf des Gespenstes vorbei. Da war keine Zeit mehr zu verlieren. Hastig nutzte es die vierte Dimension als Mittel zur Flucht und verschwand durch die Täfelung. Im Haus wurde es wieder ruhig.

 

Als das Gespenst sein kleines geheimes Zimmer im linken Schlossflügel erreicht hatte, lehnte es sich erschöpft an einen Mondstrahl. Mühsam kam es wieder zu Atem und versuchte sich seine Lage klar zu machen. Niemals war es in seiner glänzenden und ununterbrochenen Laufbahn von dreihundert Jahren so sehr beleidigt worden. Wehmütig dachte es an die Herzoginmutter, die bei seinem Anblick Krämpfe bekommen hatte und an die vier Hausmädchen, die hysterisch wurden als es sie bloß durch die Vorhänge eines der unbewohnten Schlafzimmer anlächelte. Es dachte auch an den Pfarrer, dessen Licht es eines Nachts ausgeblasen hatte und der seitdem von einer Nervenstörung geplagt wurde. Und es dachte an die alte Madame de Tremouillac, die eines Morgens ein Skelett in ihrem Zimmer sitzen sah, das ihr Tagebuch las. Daraufhin hatte sie mit einer Gehirnentzündung sechs Wochen lang im Bett gelegen. Als sie wieder gesund war, wurde sie eine treue Anhängerin der Kirche und brach jede Verbindung zu dem bekannten Freigeist Monsieur de Voltaire ab. Schließlich erinnerte es sich auch an die entsetzliche Nacht, als der böse Lord Canterville in seinem Ankleidezimmer halb erstickt gefunden wurde. Er hatte einen Karobuben im Hals und ehe er starb beichtete er noch, dass er Charles James Fox mit eben dieser Karte bei Crockfords um fünfzigtausend Pfund Sterling betrogen hatte und dass ihm nun das Gespenst die Karte in den Hals gesteckt habe.

Alle seine großen Taten kamen ihm in den Sinn; von dem Kammerdiener, der sich in der Kirche erschoss, weil er eine grüne Hand hatte an das Fenster klopfen sehen bis hin zu der schönen Lady Stutfield, die immer ein schwarzes Samtband um den Hals tragen musste, um die Spur von fünf eingebrannten Fingern auf ihrer Haut zu verdecken. Schließlich hatte sich die Lady im Karpfenteich ertränkt. Wie ein Künstler versetzte sich das Gespenst im Geiste wieder in seine besten Rollen und lächelte bitter, als es an sein letztes Auftreten als "Roter Ruben oder das erwürgte Kind" dachte, oder an sein Debut als "Riese Gibeon, der Blutsauger von Bexley Moor". Es erinnerte sich auch an die Furore, die es gemacht hatte, als es an einem Juli-Abend mit seinen eigenen Knochen Kegel spielte. Und nach alledem kommen solche elenden, modernen Amerikaner daher, bieten ihm Rising-Sun-Öl an und werfen ihm Kissen an den Kopf! Es war kaum auszuhalten. Noch nie in der gesamten Weltgeschichte war ein Gespenst so schlecht behandelt worden. Das Gespenst schwor Rache und blieb bis zum Morgengrauen in tiefe Gedanken versunken.

 


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