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Trotzkopf als Grossmutter-68
日期:2022-08-30 18:05  点击:211
Endlich eines Tages, als es anfing herbstlich zu werden und in dem nach Norden gelegenen Vorderzimmer schon ein Feuer im Kamin brannte, teils um der größeren Gemütlichkeit willen, teils wegen der Gicht des Professors, kam ein Briefchen, das nichts enthielt als diese Worte:
 
„Liebe Großmutter!
 
„Hast du's nicht gemerkt oder wolltest du's nicht merken, daß ich's nicht länger aushalten kann? Willst du all meine Abscheulichkeiten vergeben und vergessen, und darf ich heimkehren, um wieder ganz bei dir zu bleiben? Telegraphiere mir nur das eine Wörtchen ja und sofort reise ich ab.
 
Deine Enkelin.“
Als onkel Heinz des Abends kam, war das Telegramm längst abgesandt, und mit freudestrahlenden Augen reichte Ilse ihm das Briefchen. Der alte Herr wischte sorgfältig seine Brillengläser ab und las die wenigen Worte dreimal, bevor er etwas sagte.
 
„Nun?“ fragte Großmama Ilse ungeduldig.
 
„Schön,“ meinte Professor Fuchs, „es kommt genau so, wie ich mir's gedacht habe, aber hören Sie mal, Frau Gontrau, wenn Sie glauben, daß die kleine Kröte allein aus Sehnsucht nach Ihnen zurückkehrt, dann sind Sie sehr auf dem Holzwege.“
 
„So?“ versetzte sie etwas gereizt, „vielleicht sehnt sie sich ebenso nach Ihnen.“
 
„Hm, hm,“ brummte onkel Heinz, „es kann auch sein, daß sie nach einer dritten Person Heimweh hat.“
 
„Sie meinen Hans Reicher. Was hätte denn der damit zu schaffen? Er ist ja nicht einmal hier.“
 
„Nein, aber er ist in F. doch leichter zu erreichen als in München.“
 
„Daran glaube ich nicht,“ fuhr Ilse fort, ein bißchen gekränkt durch den Zweifel daran, daß Irma heimkehren wolle, weil sie es nicht länger ohne ihre Großmama aushalten konnte. „Was wissen Sie denn davon, onkel Heinz?“
 
„O nichts, gar nichts,“ spottete der alte Herr. „Von Herzensangelegenheiten versteh' ich ja nichts, Frau Ilse. Es wäre auch sehr dumm von mir, wenn ich annehmen wollte, daß Sie ein bißchen neidisch sein würden, wenn Irma nur zum Teil um Ihretwillen heimkehrte.“
 
„Gewiß wäre es das,“ erwiderte Großmama gekränkt und doch beschämt, weil er sie sofort durchschaut hatte. Als sie ihn aber anblickte und hinter den Brillengläsern hervor seine alten, scharfen Augen mit einem Ausdruck auf sich gerichtet sah, den sie nur zu gut kannte, machte ihr Ärger einer edleren Aufwallung Platz, und sie reichte ihm die Hand.
 
„Sie haben recht, bester Freund. Wollte Gott, daß ihre Sehnsucht nach Hans am größten ist!“
 
Ehrerbietig neigte sich der alte, schneidige Professor über Großmutters schmale, weiße Hand und drückte seine Lippen darauf. —
 
Es wurde beschlossen, Irmas Ankunft der Familie Müller noch einige Tage zu verheimlichen; auch onkel Heinz hielt es für richtiger, daß sie sich nicht gleich zeigte, und so geschah es, daß die alte Dame und das junge Mädchen am ersten Abend ganz allein waren. Irma saß wieder wie vor Zeiten Großmutter zu Füßen, barg ihr goldgelocktes Köpfchen in deren Schoß und fragte wohl schon zum zehntenmal:
 
„Bist du nun aber auch wirklich nicht mehr böse auf mich, Großmamachen? Jetzt begreife ich selbst nicht, wie ich so von dir fortgehen konnte. Ist nun wirklich alles vergessen und vergeben?“ 

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11/24 17:00