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Trotzkopf als Grossmutter-44
日期:2022-08-29 17:52  点击:215
 
„Ja, nun bleibt uns nichts übrig, als alles zu verraten,“ rief sie, und sie und Flora erzählten abwechselnd ihre Abenteuer mit Lisa. Weit entfernt, daß die gute Laune dadurch getrübt worden wäre, begann es nun erst recht nett und gemütlich zu werden. Natürlich hatte jeder sofort gemerkt, daß es mit diesem Dienstmädchen eine ganz eigene Bewandtnis haben müsse. Ungesucht wurde sie die Heldin des Abends. Alle wollten beim Bedienen helfen; einige Herren rannten nach der Küche, und die dort herrschende Unordnung war in Gefahr verraten zu werden, aber Irma hatte die Geistesgegenwart, das Gas schnell auszudrehen. Große Verwirrung und heller Jubel! Der junge Mann, der beim Kommen schon galant gegen das schöne Dienstmädchen gewesen war, stolperte über einen Eimer. Zum Glück tat er sich nicht weh; Irma hatte auch nicht das geringste Mitleid mit ihm und erklärte lachend, daß er nur seinen verdienten Lohn ernte.
 
Frau Schweinfurt, die sich ärgerte, daß man soviel Wesens von dem koketten Ding machte, wie sie Irma später benannte, erhob sich und gab ihrem Gatten einen Wink, sich ans Klavier zu setzen und sie zu begleiten. Für eine Weile zog ihr dünner Sopran die Aufmerksamkeit von der kleinen Holten ab. Das Konzert wurde hierauf fortgesetzt und nur dann und wann durch einige Scherze unterbrochen. Beim Souper erst erreichte die allgemeine Heiterkeit ihren Höhepunkt.
 
Die tollsten Dinge wurden getrieben; die Herren machten Kappen aus ihren Servietten und liefen mit den Tellern und Schüsseln in langem Zuge durchs Haus, der größte voraus, der kleinste zum Schluß, unter Absingung eines bekannten Marsches aus einer Operette. Alle tollten durcheinander, um noch etwas Vergessenes zu suchen. Flora und Gustav, ohne sich irgendwie verstimmt und verlegen zu fühlen, lärmten mit. Alle Räume wurden festlich beleuchtet, und was unten nicht zu finden war, kam im Schlafzimmer aus dem einen oder andern Schrank zum Vorschein. Ein jeder beteiligte sich beim Bedienen, schnitt vor oder schenkte ein. Leute, die sich bisher nur wenig gekannt hatten, streiften alle Förmlichkeit ab und benahmen sich mit einer Ungezwungenheit, als ob sie seit Jahren im engsten Verkehr mit einander gestanden hätten.
 
Das Fest dauerte bis spät in die Nacht hinein, und alle waren ausgelassen wie Kinder, die das ganze Haus auf den Kopf stellen, wenn Papa und Mama verreist sind. Nur die gutmütige, dicke Frau Raabe fühlte endlich Mitleid mit der jugendlichen Gastgeberin und ihrer reizenden Schwägerin, namentlich wenn sie an das Durcheinander dachte, das am nächsten Morgen in Ordnung gebracht werden mußte. Als es ihr an der Zeit zu sein schien, stand sie, ihr Sektglas in der Hand, auf, brachte das Wohl der drei Holtens aus und fügte das Versprechen hinzu, für ein tüchtiges Dienstmädchen zu sorgen, das alle schlechten Streiche der Vorgängerinnen durch seine vortrefflichen Leistungen gut machen sollte.
 
Unter allgemeiner Zustimmung nahmen die Gäste Abschied, nachdem sie noch ein wenig beim Aufräumen geholfen hatten, und Irma und Flora konnten sich übermüdet, wie sie waren, gleich zur Ruhe begeben.
 
Frau Direktor Raabe hielt Wort. Sie kam am folgenden Morgen selber, um zu helfen, und verrichtete in ein paar Stunden wahre Wunderdinge, wobei ihr Frau von Holten und ihre Schwägerin tapfer beistanden. Unter ihren praktischen, aufmunternden Anweisungen zeigten sie erstaunliches Geschick und griffen überall wacker selbst mit an. Sie sorgte auch für ein gutes Mädchen, das in wenig Tagen den ganzen Haushalt wie durch Zauberei umgestaltete und Ordnung und Sauberkeit einführte, ohne die Ansprüche und Untugenden ihrer Vorgängerinnen zu besitzen. Gustavs Schönheitssinn befriedigte sie zwar nicht — sie war eine einfache Person mittleren Alters und von ganz gewöhnlichem Aussehen, sauber und anspruchslos gekleidet — aber es gefiel ihm, Ordnung und Nettigkeit, wenn sie nicht in kleinliche Pedanterie ausarteten, um sich zu sehen. Es berührte ihn sehr angenehm, bei seiner Heimkehr die Mahlzeiten zierlich aufgetragen und schmackhaft bereitet zu finden, und von seinem kleinen Frauchen keine Klagen und Seufzer, sondern nur lebhafte Lobpreisungen des Mädchens zu hören. Da auch in seinen Ausgaben sich der Unterschied sehr bemerkbar machte, war er der guten Frau seines Direktors aufrichtig dankbar.
 
Irma blieb noch einige Wochen bei dem jungen Paar, und unterhielt sich ausgezeichnet. Es war ein Genuß für sie, mit dem Bruder, den sie eigentlich so wenig kannte, einmal länger zusammen zu sein. Sie lernte seine guten Eigenschaften, seine Herzlichkeit, seine Milde schätzen und verzieh ihm dafür gern seine Zerstreutheit, sein träumerisches und ein bißchen überspanntes Wesen, das er ja mit vielen Künstlern gemein hatte. Auch Flora war ihr sehr lieb geworden, aber ihr Geheimnis Otto betreffend verriet sie nicht; daß sie es nicht tat, nicht einmal die Versuchung fühlte, war ihr selbst auffallend. Schon früher hatte sie den Baron Hochstein flehentlich gebeten, eine passende Gelegenheit zu suchen und ihrem Bruder seinen Besuch zu machen; von der Landpartie her kannte er doch Gustav und seine kleine Frau. Sie hätte einen Verkehr Ottos mit ihrer Familie doch schon wie eine halbe Erfüllung ihrer Zukunftshoffnungen angesehen. Von der Hand gewiesen hatte der junge Baron diesen Plan auch nicht, ja er hatte ihn sogar recht vernünftig gefunden, aber zur Ausführung war er trotzdem nicht gekommen. Als Irma nun bei Holtens zu Besuch weilte und in den ersten Tagen ihres Aufenthaltes in I. eine Gelegenheit fand, Otto auf der Straße zu sprechen, drang sie ernstlich in ihn einen Vorwand zu ersinnen und endlich seinen Besuch zu machen. Sie könne es dann leicht einrichten, daß Flora ihn einmal zum Essen einlüde, und fände es himmlisch, auf diese Weise sich öfter sehen und sprechen zu können. Otto sagte, daß er das von Herzen gern tun möchte, aber jetzt so viel zum Examen zu arbeiten hätte, daß es ihm wirklich an Zeit fehle. Sie beruhigte sich und dachte, wie gut und lieb es von ihrem Anbeter wäre, sich um ihretwillen derartig anzustrengen.
 
Otto vermied es sogar, ihr zu begegnen, wenn sie mit Flora oder Gustav ausging. Die arme Irma hatte sich eingebildet, sie werde ihn während ihres Aufenthaltes in I. häufig zu sehen bekommen, und die Enttäuschung, daß es nicht geschah, war groß; traf sie ihn aber dann und wann einmal zufällig auf einige Minuten, so blieb er sich in seinen zärtlichen und leidenschaftlichen Liebesbeteuerungen immer gleich. Die trübe Zeit der Heimlichkeit würde ja nun bald vorüber sein; in vier bis fünf Monaten — ein Monat war schon wieder verstrichen — machte er sein Examen, dann begann ihr Glück, dessen war sie sicher. Sie ließ sich immer wieder durch die schönen Zukunftsbilder, die er ihr vorspiegelte, täuschen; sie glaubte und vertraute — eher würde sie an den Untergang der Welt gedacht haben, als daran, daß Otto von Hochstein kein ehrliches Spiel mit ihr triebe.

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