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Trotzkopf als Grossmutter-36
日期:2022-08-29 17:38  点击:289
Irma schwieg. Die widersprechendsten Gedanken stritten sich in ihrem Köpfchen. Sie besaß genug gesunden Verstand, um sich bei ruhiger Überlegung zu sagen, daß Agnes recht habe. Aber Otto war so schön, so unwiderstehlich, er hatte ihr Herz ganz mit Beschlag belegt, und sie, sie glaubte ihn wahrhaft zu lieben. Wie sehr sie auch an Großmama, den Eltern und den andern hing, wenn sie Otto aufgeben müßte, würde deren Liebe sie nicht zu trösten vermögen, und dann ... der Gedanke, Baronin von Hochstein zu werden, war ihr in letzter Zeit immer lieber und vertrauter geworden. Manchmal stellte sie sich bereits vor, wie es sein würde, wenn sie als Ottos Frau ihren Platz in den glänzenden Sälen des Schlosses seiner Ahnen, von dem er ihr solche Wunder erzählte, einnehmen würde. Sie sah sich als Braut in der Familienkapelle vor dem Altar, nicht in einfachem, weißem Nesseltuch wie Flora, sondern in einem Kleide von Silberbrokat, mit funkelnden Diamanten bestreut, und in ihrer Nähe, außer den eigenen Verwandten, einen weiten Kranz hochadliger Damen und Herren, vornehme Offiziere und Minister, die Brust mit Orden bedeckt. Ja, wer weiß, vielleicht ließ sich der Kaiser gar durch einen seiner Adjutanten vertreten, denn am Hof würde sie dann natürlich schon vorgestellt sein.
 
Es war hart, all diesen schönen Aussichten Lebewohl zu sagen, noch härter aber, ihren glänzenden Studenten aufzugeben. Und doch, wenn sie sich aus ihren Träumen in die Wirklichkeit zurück versetzte, vernahm sie eine Stimme in ihrem Innern, die ihr zurief, daß ihr nichts andres übrig bleiben werde. Sie seufzte tief und brach aufs neue in Tränen aus.
 
„Aber was willst du denn? Was soll ich tun?“ fragte sie endlich, als Agnes sie in ihre Arme zog und sich bemühte, sie zu trösten.
 
„Ihn zum letzten Male fragen, ob du alles erzählen darfst, und wenn er es nicht zugeben will, unwiderruflich und für immer Abschied von ihm nehmen.“
 
„Ich kann nicht,“ stöhnte Irma, „er wird mir böse werden und mir vorwerfen, daß ich mein Versprechen nicht halte.“
 
„Wann hast du wieder eine Zusammenkunft mit ihm?“
 
„Morgen nachmittag.“
 
„Soll ich an deiner Stelle gehen und ihm sagen, wie der Hase läuft?“ fragte Agnes, mit einem streitlustigen Gesicht.
 
„Nein, ums Himmelswillen nicht! Er weiß nicht, daß du meine Vertraute bist. Er würde mir das nie verzeihen.“
 
Agnes zuckte ungeduldig die Achseln. Noch eine Weile weinte Irma, dann stand sie auf.
 
„Ich will es tun,“ sagte sie, „du hast recht, es ist furchtbar, so etwas vor Großmama geheim zu halten, aber verliere ich Otto, so sterbe ich ganz gewiß.“
 
„Es stirbt sich nicht so leicht,“ dachte Agnes, aber sie war klug genug, das nicht zu sagen. „Hör' mal,“ sagte sie laut, „ich will morgen mit dir kommen; hab' keine Angst, dein Baron soll mich nicht sehen, erst wenn eure Begegnung vorüber ist, wollen wir uns auf einem vorher verabredeten Platze treffen und zusammen nach Hause gehen.“
 
Am folgenden Tage goß es in Strömen, die Straßen waren naß und schmutzig, alles sah trostlos grau und düster aus. Eilig schritten die beiden Mädchen nebeneinander her, bis sie die Chaussee erreichten. Irma hatte fast kein Wort gesprochen und auf alles, was die Freundin sagte, nur einsilbig geantwortet. Besorgt schaute letztere ihre Cousine an. Selbst jetzt, in einem grauen Regenmantel gehüllt, ein einfaches Filzhütchen auf dem Goldhaar, war die Kleine bildhübsch. Um sie etwas aufzumuntern, scherzte Agnes:
 
„In meinem Regenmantel seh' ich aus, als ob ich in einem Sack steckte; deiner steht dir famos, wie alles, was du anziehst.“
 
Selbst diese Schmeichelei, für die sie sonst nicht unempfindlich gewesen wäre, lockte kein Lächeln auf Irmas Lippen. Ihre Mundwinkel bebten und sie kämpfte sichtlich mit den Tränen.
 
„Nur Mut, nicht verzagt!“ tröstete Agnes, „vielleicht läuft die Sache gut ab. Wenn du ihm gehörig ins Gewissen redest, sieht er wahrscheinlich selber ein, daß er nicht recht tut. Wer weiß, ob er dir nicht erlaubt, noch heute deinen Eltern zu schreiben und der Großmama alles zu sagen, dann wird in den nächsten Tagen deine Verlobung angezeigt, und du gehst mit deinem schönen Baron Arm in Arm einher!“
 
Irma antwortete nichts, der Ton, in dem Agnes über Otto sprach, ärgerte sie, aber sie fühlte sich zu unglücklich, um sich in ein Wortgefecht einzulassen.
 
Sie hatten schon ein gutes Stück Weges zurückgelegt. Kein Mensch ließ sich auf der Chaussee blicken; die kahlen Bäume tropften vor Nässe, der Boden war durchweicht und schlüpfrig. Agnes schaute umher und mußte leise lächeln. „Kein poetisches Wetter für ein Stelldichein,“ dachte sie, und hatte Lust, einige spöttische Bemerkungen zu machen, bezwang sich aber, blieb stehen und sagte nur:
 
„Ich kehre um, Irma, denn Baron von Hochstein kann jeden Augenblick erscheinen. Bei diesem Wetter hab' ich keine Lust, hier draußen auf dich zu warten. Ich geh' in die Konditorei von Bauer. Komm mir dahin nach, sobald du kannst.“
 
„Ja.“
 
„Wirst du's kurz machen?“
 
„Ja.“
 
„Und tapfer sein?“
 
„Ja.“ 

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