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Trotzkopf als Grossmutter-29
日期:2022-08-25 16:00  点击:246
Der zweite, der etwas merkte, aber nichts sagen durfte, war Hans Reicher. Seit der schöne Student mit den bestechenden Manieren auf der Bildfläche erschienen war und Irmas liebliches aber eitles Köpfchen mit seinen Schmeicheleien erfüllte, wußte Hans, daß er nichts mehr zu hoffen hatte. Obgleich ihm das bitter wehtat, würde er sich doch darein ergeben haben, weil seine Liebe großmütig und frei von Selbstsucht war. Irmas Glück stellte er weit über das seine, und er fürchtete, daß der Baron von Hochstein nicht die Persönlichkeit sei, der ein junges Mädchen vertrauensvoll seine Liebe schenken könne. Sein Auftreten war zu übermütig, zu dreist. Etwas Bestimmtes wußte Hans jedoch nicht, auch hatte er kein Recht, sich nach Hochstein zu erkundigen; so blieb ihm denn nichts anderes übrig, als mit Angst und Trauer im Herzen abzuwarten, was aus der Sache werden würde.
 
Flora Werner und ihre Tochter, Thusnelda Reicher, trafen ein, und nun wurde die Doppelverlobung durch ein großes Familienfest gefeiert.
 
Flora war eine alte Frau geworden, aber ihr fehlte die vornehme Würde, die Ilse auszeichnete. Selbst jetzt hatte sie ihrer Sucht sich zu putzen nicht widerstehen können. Sie trug sich jugendlicher und auffallender als ihre Tochter und sah mit ihrem nach der neuesten Mode frisierten Haar geradezu lächerlich aus. Heinrich von Holten und Fritz Müller nannten sie eine alte Kokette und verspürten Lust, sie ein bißchen zum Narren zu haben, aber sie überlegten, daß dies nicht angebracht sei bei der Jugendfreundin ihrer Schwiegermutter und der künftigen Mutter ihrer eigenen Kinder. Frau Reicher, früher ein leicht errötendes, aber kerngesundes, kräftiges junges Mädchen war nun ein kleines, rundliches Frauchen, sehr verlegen, besonders in Ruths Gesellschaft, deren fürstliche Grazie ihr riesig imponierte. Sie war ganz glücklich über die Wahl ihrer Kinder und gleich vertraut mit Agnes; zu Gustav aber wagte sie kaum ein Wort zu reden. Die alte Flora fühlte sich im siebenten Himmel. Die Verlobung ihres Großsohnes mit Agnes ließ sie ziemlich gleichgültig; sie fand sie ganz passend, aber es war nichts außergewöhnliches dabei; daß aber ihre Enkelin einen Künstler heiraten sollte, den Sohn des berühmten Ehepaares von Holten, darüber war sie ganz aus dem Häuschen.
 
„Siehst du, liebste Ilse,“ sagte sie zu ihrer alten Freundin, „das versöhnt mich mit dem Leben. Du weißt, welch dichterisches Talent ich besaß; wie ich sozusagen zu großen und schönen Dingen vorherbestimmt war und wie meine Seele durch die Prosa meines Lebens gelitten hat. Ich habe mich gefügt; als ich meine Schwingen nicht so entfalten durfte, wie ich ersehnte, habe ich sie kampfesmüde eingezogen. Meinem guten, prosaischen Manne war ich eine treue Gefährtin. Ich erfüllte meine Pflicht, und nun werde ich belohnt. Mein Liebling, das Kind, das meinen Namen trägt, in dessen jugendlicher Seele meine Dichternatur wieder aufblüht, wird sich mit einem Künstler verbinden, einem nach hohen Idealen strebenden, schöpferischen Genie. Nun kann ich ruhig sterben — ich habe nicht umsonst gelebt!“
 
Ilse hielt es nicht für nötig, auf diesen Wortschwall viel zu erwidern noch Flora daran zu erinnern, daß Gustav bis jetzt noch kein schöpferisches Genie genannt werden konnte. Sie lachte nur bei dem Gedanken, wie wenig ihre alte Pensionsfreundin sich im Grunde doch verändert hatte, trotzdem das grausame Leben sie gezwungen hatte, auf alle Dummheiten zu verzichten und einfach mit der Wirklichkeit zu rechnen. Letzteres hatte sie aber auch so gut getan, daß man ihre übertriebenen Ausdrücke und poetischen Sentimentalitäten ihr verzeihen konnte.
 
Thusnelda klagte Ilse, daß die kleine Flora noch so viel zu lernen habe, da sei es gut, wenn die jungen Leute noch nicht gleich heirateten, denn die Kleine sei, besonders in allem, was den Haushalt beträfe, noch sehr unwissend. Aber Ilse, die selbst nie mit besonderer Lust und Liebe gewirtschaftet hatte, fand diese Sorge unwichtig.
 
„Die Führung des Haushaltes lernt sich von selbst,“ sagte sie, „und wozu sind denn die Dienstboten da?“
 
Bescheiden schwieg Thusnelda. Sie wagte nicht, Frau Gontrau zu widersprechen, aber in ihrem Herzen dachte sie, daß Ilse neben einer gut gefüllten Börse immer Glück mit ihren Dienstboten gehabt haben müsse, — dann konnte sie wohl so reden.
 
Die Familie Reicher und Flora Werner reisten zuerst ab. Agnes und Ludwig benahmen sich tadellos bei der Trennung. Der Ort, wo der junge Leutnant in Garnison stand, war nicht weit von F. entfernt, so daß er sicher jeden Monat einmal herüberkommen konnte. Die kleine Flora dagegen zerfloß in Tränen, so daß onkel Heinz ihr spottend vorschlug, sich bei der städtischen Wasserversorgung anstellen zu lassen. Hundertmal fragte sie Gustav, ob er sie auch nicht vergessen werde; und als sie sich endlich aus seinen Armen lösen mußte und die Coupétüre geschlossen wurde, fiel sie schluchzend Großmutter Werner um den Hals. Diese allein verstand sie und bemühte sich, sie mit leise gemurmelten Worten zu trösten. Der einzige, der sich freute, wieder an seine Arbeit gehen zu können, war Hans. Er besaß keine sentimentale Natur, und wenn er auch wußte, daß es ihm nie gelingen würde, Irma zu vergessen, da er doch nun einmal nicht anders konnte, als das kleine, kokette Ding lieben, so war es doch nicht seine Sache, sich feige und weich seinem Kummer hinzugeben. Er sehnte sich nach dem einzigen Mittel, seine Enttäuschung zu überwinden, nach ernster, rastloser Arbeit.
 
Mit heitern Mienen hatte er von allen Abschied genommen. Als die Reihe an Irma kam, drückte er ihr Händchen so kräftig in seiner großen Faust, daß er ihr weh tat, und sagte mit eigentümlich bebender Stimme:
 
„Sie wissen, Irma, was ich gehofft habe. Es hat nicht sollen sein, und ich muß trachten, mich darein zu ergeben. Aber um eins will ich Sie bitten. Denken Sie ab und zu daran, daß Ihnen ein treuer Freund lebt, der alles opfern würde, um Sie glücklich zu machen.“
 
Sie waren einen Augenblick allein. Schnell, bevor sie es hindern konnte, legte er den Arm um sie und drückte einen Kuß auf ihre Stirn. Dann ließ er sie los und begab sich zu den andern. Irma wollte entrüstet auffahren, vermochte es aber nicht; zu ihrem großen Ärger fühlte sie ein Weh in ihrem Herzen, und das unbestimmte Gefühl, als habe sie etwas sehr Kostbares verspielt, bemächtigte sich ihrer. Freilich nur einen Augenblick, dann tastete sie mit der Hand in ihr Kleid, wo zwischen weichen Spitzen ein rosa Briefchen verborgen lag, und mit stolz erhobenem Haupte und leuchtenden Augen schaute sie Hans nach.
 
Am nächsten Tage reisten auch Holtens ab, und nun fing für Ilse und Irma wieder das alte ruhige Leben an, das sie vor der Ankunft der amerikanischen Familie geführt hatten. 

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