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Trotzkopf als Grossmutter-22
日期:2022-08-25 15:53  点击:250
In der Zwischenzeit hatten die Übrigen die Ruine des ehemaligen Klosters erreicht und schweiften zwischen den Mauerresten, Treppen, Spitzbogen und Gewölben umher. Durch die Öffnungen und Spalten, durch die klaffenden Risse blickten überall der wolkenlos blaue Himmel und die dunklen Wälder herein. Die grauen, von der Zeit geschwärzten Mauern waren ganz mit Efeu, Schlingpflanzen und wilden Blumen bewachsen; hier und da erhoben sich zwischen den moosbedeckten Steinen einige kleine Fichten- und Tannenbäumchen. Im Grase verstreut lagen noch einzelne Grabsteine, deren Inschriften der Zahn der Zeit fast verwischt hatte; einige freilich waren noch lesbar und trugen die Namen längst verstorbener Mönche und Abte. Totenstille herrschte, und die ganze Umgebung atmete die Romantik des Verfalls und zeugte von vergangener Größe. Sogar Irma fühlte sich davon bewegt; ruhig setzte sie sich in die Nische eines verwitterten Bogenfensters und schaute träumerisch vor sich hin. Karl, zu lebhaft, um still zu sitzen, hatte ein paar Eichhörnchen entdeckt, deren lustige, flinke Sprünge ihn tiefer in den Wald lockten; die andern beiden Paare wählten sich auch ein ihnen zusagendes Ruheplätzchen, und so war Irma allein. Sie bot ein entzückendes Bild, von der Fensternische wie von einem breiten Rahmen umgeben. Sie nahm die Rosen aus ihrem Gürtel und atmete ihren süßen Duft ein, dann, einer plötzlichen Aufwallung nachgebend, drückte sie ihre Lippen auf die feinen Blättchen. In demselben Augenblick hörte sie einen raschen Schritt, fühlte sie, wie das Blut ihr in die Wangen schoß und Baron von Hochstein stand vor ihr.
Illustration 
 
Er tat, als habe er nichts gesehen, grüßte höchst ehrerbietig, schien erst vorüberschreiten zu wollen und blieb dann plötzlich stehen.
 
„Hat die romantische Schönheit dieses Ortes Sie auch verlockt, hier etwas zu ruhen, gnädiges Fräulein?“ fragte er.
 
„Ja, mein Herr,“ stammelte Irma verlegen; gleichzeitig erhob sie sich, um weiter zu gehen.
 
„Ich bitte Sie,“ rief er erschrocken, „lassen Sie sich durch mich doch nicht stören. Ich würde es mir nie verzeihen, wenn ich die Ursache wäre, daß Sie dies herrliche Fleckchen Erde verließen. Soll ich gehen?“
 
Sie überwand ihre Schüchternheit und sah ihn an. Auf seinem Antlitz las sie eine so unverhohlene Bewunderung, daß ihr der Mut wuchs.
 
„Dies Reich gehört mir nicht,“ entgegnete sie lächelnd, „folglich habe ich nichts zu befehlen.“
 
„Dann darf ich also einen Moment verweilen? Kommen Sie oft hierher?“
 
„Nein, im vorigen Jahr machten wir zuletzt die Fahrt. Es ist von F. immer eine ganze Reise nach hier.“
 
„Sie wohnen in F.?“
 
„Ja, bei meiner Großmutter.“
 
„Welch ein Glück!“
 
„Warum?“
 
„Weil F. kaum zwanzig Minuten mit der Eisenbahn von unserer Universität I. entfernt ist.“
 
Wieder wurde Irma rot. „Es wird Zeit, daß ich meine Gesellschaft aufsuche,“ sagte sie, sich erhebend, „Karl, wo bist du?“ rief sie laut.
 
„La, la, la, la,“ ließ sich die lachende Jungenstimme aus der Ferne vernehmen. Mit einer Verbeugung verabschiedete sie sich und schritt dem Knaben entgegen, bevor er merkte, daß sie nicht allein gewesen war.
 
Ludwig und Agnes ließen nicht lange auf sich warten. Als letztere Irma sah, flog sie ihr ausgelassen entgegen.
 
„Wo hast du gesessen?“ fragte sie. „Wir haben dich überall gesucht.“
 
„Wer's glaubt!“ lautete die scherzende Antwort. „Ihr überlaßt mich ruhig meinem Schicksal.“
 
„Ich glaubte, Hans sei bei Ihnen,“ entschuldigte sich Ludwig.
 
„Hans!“ Irma lachte laut auf. „Nein, der hat mich auch im Stich gelassen.“
 
„Sicher nicht freiwillig,“ meinte Agnes. „Armer Hans.“ Sie schob ihren Arm durch den ihrer Cousine und flüsterte:
 
„Liebling, ich bin so unendlich glücklich.“
 
Irma wußte selbst nicht, warum ihr eignes Herzchen so heftig klopfte, warum ihr so leicht, so selig zu Mute war. Doch nur um Agnes willen, dachte sie.
 
„Hat .... hat Ludwig sich erklärt?“ fragte sie leise.
 
„O Irma, ich glaube wirklich, er liebt mich,“ versetzte Agnes, und ihr heiteres Gesichtchen war eitel Sonnenschein.
 
Zu weiteren vertraulichen Mitteilungen blieb keine Zeit, denn Gustav und Flora tauchten eben auf. Der jugendliche Künstler sah sehr ernst aus; er ging Hand in Hand mit Flora und schien es nicht zu bemerken, daß die andern sich vielsagend anschauten.
 
Gemeinsam kehrten sie nach dem Wirtshause zurück. Im Stillen wunderte sich Irma, daß Agnes so heiter war und tat, als sei nichts vorgefallen. Und doch war ihr etwas ganz Besonderes widerfahren. Ludwig hatte ihr seine Liebe erklärt. Irma blickte den Leutnant von der Seite an. Wie hatte sie ihn nur jemals hübsch finden können! Nein, er war gar nicht hübsch, wenn sie ihn mit dem Baron von Hochstein verglich.

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