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Trotzkopf als Grossmutter-6
日期:2022-08-24 11:28  点击:209
„Nun, was brauchen wir mehr? Ein gutes, handfestes Reisekostüm, eine seidene Bluse und ein heller Rock, das genügt. Wäsche kann man an jedem Ort kaufen oder waschen lassen. Viel Gepäck auf der Reise ist unpraktisch.“
 
Nach einer Viertelstunde hielt der Wagen vor dem Hause der Frau Gontrau. Die Doppeltüre öffnete sich, noch ehe der Kutscher klingeln konnte. Bebend vor Rührung stieg Irma zuerst aus und ging ins Vorzimmer. Dort stand Großmutter Ilse und hieß ihre Enkelkinder mit Tränen in den Augen willkommen.
 
„Liebste, beste Großmutter! Sehen wir dich endlich?“ riefen die Mädchen, und alle drei eilten zu gleicher Zeit auf sie zu.
 
Während einiger Minuten hörte man nichts als unterdrücktes Schluchzen, Liebkosungen und einzelne Ausrufe. Endlich beruhigten sich die Gemüter ein wenig und entzückt schaute Ilse die Kinder an.
 
„Sehen Sie mal, onkel Heinz,“ rief sie erregt, „ist Maud nicht ihrem Vater wie aus den Augen geschnitten? Und Agnes, du gleichst auf ein Haar deiner lieben Mutter, auch so blond und sanft. Wann kommen eure Eltern, liebe Kinder?“
 
„In sechs Wochen etwa, Großmama. Wir müssen erst ein Haus mieten und einrichten.“
 
„Wem seh ich ähnlich, Großmama?“ fragte Karl.
 
„Das weiß ich noch nicht, mein lieber Junge.“
 
„Die Mutter sagt,“ nahm Maud das Wort, „daß er viel vom Großvater hat,“ und sie schaute nach einem lebensgroßen Porträt Leos, das an der Wand hing.
 
Das gab Ilse einen Stich ins Herz. Ach, wie oft hatte Leo sich auf das Wiedersehen mit seinen Kindern und Enkeln gefreut; wie innig hatte er gewünscht, daß sein Schwiegersohn Fritz einen Wirkungskreis in ihrer Nähe finden und seinem Adoptivvaterlande Lebewohl sagen möchte. Nun, wo sich sein Wunsch erfüllte, konnte er sich nicht mehr daran erfreuen. Verräterisch bebten die Lippen der alten Frau, da bemerkte sie, wie onkel Heinz sie ernst und ermutigend anschaute. Der Gedanke, daß er nur zu gut verstand, was in ihr vorging, gab ihr Kraft; tapfer schluckte sie die Tränen hinunter und sagte heiter:
 
„Aber Kinder, ihr müßt ja totmüde sein. Irma, führe sie nach oben und zeige ihnen ihre Zimmer, dann können sie sich vor dem Abendessen etwas ruhen.“
 
„Nicht nötig, Großmama,“ fiel Agnes lebhaft ein. „Wir haben heute nacht im Zuge herrlich geschlafen und es uns ganz bequem gemacht. Das Einzige, was uns nottut, ist etwas zu essen. Nicht wahr, Maud? Nicht, Karl?“
 
„O, dann gehen wir gleich zu Tisch,“ schlug Ilse vor. „Folgt mir nur ins Eßzimmer, Kinder. Kommen Sie, onkel Heinz!“
 
Lachend nahm sie den Arm des alten Herrn und schritt voraus, während Irma sich im Stillen wunderte, wie man länger als zwanzig Stunden in einer Tour reisen und dann erklären konnte, nicht müde zu sein.
 
Bald war die ganze Familie gemütlich um die Abendtafel versammelt. Der Tisch war festlich gedeckt mit einem weißen Tuch, in das mit feiner, blauer Baumwolle Figuren und Sprüche eingestickt waren, und zeigte Überfluß an wertvollem, altdeutschem Porzellan, schön geschliffenem Kristall, Blumen und Früchten. An dem altmodischen kupfernen Kronleuchter waren alle Kerzen entzündet und auf dem Buffet von Eichenholz standen sogar ein paar Flaschen Sekt in Eis.
 
Die amerikanischen Gäste taten dem Festmahl die größte Ehre an, und alle schwatzten lustig und lebhaft durcheinander.
 
„Kinder,“ fragte Ilse im Laufe des Gesprächs, „wie gefällt euch Paris?“
 
„Herrlich, Großmama. Eine großartige, fröhliche Stadt. Entzückend mit all den großen Plätzen und Parks, dem vielen Grün und der Blumenpracht. Jetzt war es ganz besonders schön, denn Flieder und Kastanien standen in vollster Blüte.“
 
„Herrscht nicht ein schrecklicher Trubel dort?“
 
„Nein, bei uns geht's lebhafter zu, da gibt's viel mehr Lärm und Hasten, und die Menschen haben mehr zu tun, aber in Paris ist alles eleganter, reicher.“
 
„War's euch nicht angst, so ganz allein in der großen fremden Stadt?“ fragte Irma neugierig.
 
„Ganz allein?“ rief Karl lachend; „wir waren doch zu dritt.“
 
„Ja, aber ihr seid doch so jung und wart fremd und hattet keine Bekannten, die euch herumführen und euch alles zeigen konnten.“
 
Maud lachte. „Wir kannten niemand; Tante Ruth hat, glaube ich, an einige Familien geschrieben, sich unserer anzunehmen. Aber wir fanden es so umständlich, erst Besuche zu machen, das nahm uns Zeit, und es gab doch so viel zu sehen.“
 
„Das ist schade,“ meinte Ilse. „Ohne Begleitung konntet ihr doch nicht in die Theater gehen, und dadurch habt ihr viel verloren.“
 
„Ich verstehe dich nicht, Großmama, wir sind in verschiedenen Theatern gewesen.“
 
„Allein?“
 
„Wir drei und manchmal wir beide, wenn es für Karl zu spät wurde.“
 
„Ihr beiden jungen Mädchen allein, des Abends, im Pariser Theater,“ sagte Ilse erstaunt, „wußten eure Eltern das?“
 
„Natürlich, Großmama. Wir gehen immer allein aus, überall hin. Alle amerikanischen Mädchen tun das, und niemand findet etwas darin.“ 

„Ich würde das nicht wagen,“ gestand Irma.
 
„Was bist du für ein Dummchen,“ fuhr Maud fort. „Wie umständlich und lästig ist es, immer von irgend jemand abhängig zu sein. Wir sind's gewöhnt, alles allein und selbständig zu besorgen. Und das ist wirklich das einzig Richtige.“
 
„Aber Kinder,“ fragte Ilse, „habt ihr in Paris denn nie eine unangenehme Begegnung gehabt?“
 
„Nicht ein einzigesmal, Großmama,“ versicherte Agnes. „Niemand achtete auf uns, ruhig und still, den Reiseführer in der Hand, gingen wir unsres Weges. Hatten wir was zu fragen, wiesen die Leute uns stets freundlich und höflich zurecht. Wir waren immer sehr einfach gekleidet, und jeder sah gleich, daß wir Fremde waren.“
 
„Nun,“ nahm die Großmutter wieder das Wort, „ich versichere euch, daß in meiner Jugend niemand so was gewagt hätte. Und ich war noch ein kecker Tollkopf, aber davor wäre mir doch bange gewesen. Was sagen Sie dazu, onkel Heinz?“
 
Der alte Herr hatte behaglich schmunzelnd zugehört.
 
„O!“ meinte er, „mir gefällt das alles ausgezeichnet; Sie wissen ja, daß ich auf die übertriebenen Formen und Komplimente nichts gebe. Ich bin für die amerikanischen Mädchen. Und da nun gerade der Sekt eingegossen wird, schlage ich vor, sie leben zu lassen.“
 
Fröhlich stimmte jeder in dies Lebehoch ein; aber nun war es spät geworden, und man trennte sich. Die jungen Gäste wurden auf ihre Zimmer geführt, und bald herrschte tiefste Stille im ganzen Hause.

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