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Trotzkopf als Grossmutter-2
日期:2022-08-24 11:25  点击:214
„Natürlich,“ stimmte Frau Ilse bei. Sie hörte ihn durch den Flur stapfen, den Wagenschlag zuwerfen und die Droschke fortfahren. Nun lehnte sie den Kopf an die Schlummerrolle des Lehnsessels, um wie gewöhnlich um diese Stunde etwas zu ruhen. Jetzt, vor all der Unruhe, die ihrer wartete, hatte sie das doppelt nötig. Aber trotzdem sie die Augen geschlossen hielt und die tiefe Stille, nur unterbrochen von dem regelmäßigen Ticken der schönen, altmodischen Standuhr, geradezu zum Schlummern aufforderte, vermochte Frau Ilse doch nicht einzunicken.
 
Unwillkürlich schweiften ihre Gedanken in die Vergangenheit zurück, und alle Ereignisse der letzten fünfundzwanzig Jahre zogen an ihrem Geist vorüber. Am Anfang stiegen nur heitere, lichte Bilder vor ihrer Seele auf: der stetig wachsende Erfolg Ruths, ihrer ältesten Tochter, die als Sängerin immer mehr Lorbeeren erntete und sich in der von ihr erwählten Laufbahn sehr glücklich fühlte. Dann kam die Verlobung Mariannes, ihres sanften, lieben Blondköpfchens mit Fritz, dem Sohne ihrer alten Freundin Rosi. Dies Glück war freilich mit Trauer gemischt, da Marianne ihrem Gatten nach San Franzisko folgen mußte. Aber in dem Bewußtsein, daß reiches Glück ihr Kind erwartete, hatten Ilse und Leo sich darein ergeben und ihrem Liebling, unter Tränen lächelnd, Lebewohl gesagt.
 
Auch als Ruth, die ihre Studien in Berlin und später in Paris fortsetzte, nach einiger Zeit Herz und Hand einem berühmten Geigenkünstler schenkte, hatten die Eltern freudig ihre Einwilligung gegeben. Zwar klagte Frau Ilse, daß ihre Töchter so bald schon das elterliche Nest verließen, doch ihr alter Freund, der Professor, so schwer ihm selbst auch die Trennung von seinen beiden kleinen Kröten fiel, bewies ihr lachend, daß nun die Zeit gekommen sei, ihre Memoiren zu beginnen, und Leo, ihr Gatte, sagte ernsthaft, sie hätten kein Recht, sich zu beklagen. Die Kinder folgten ihrer Bestimmung und täten nichts anderes, als was ihre Eltern auch vor Zeiten getan, sie hätten nur Ursache dankbar zu sein, daß beide den Mann geheiratet, den sie liebten. Ilse, mit ihrem elastischen, lebhaften Charakter, stark in der Liebe ihres Gatten und ihrer Freunde, lernte es, sich ins Unabänderliche zu schicken, und klagte nicht, daß sie mit ihren Kindern in Amerika nur brieflich verkehren und auf diese Weise erfahren konnte, daß ihre Enkel solch liebe Schätzchen seien. Ruth und ihr Mann weilten meist im Auslande oder in den großen Städten Deutschlands, doch dann und wann verbrachten sie einige Wochen bei ihren Eltern, und als sie erst einen Sohn und später ein Töchterchen bekamen, konnte Großmutter Ilse wenigstens diesen Enkeln ihre Liebe beweisen und die Freude genießen, sie von Zeit zu Zeit bei sich zu haben.
 
Dann waren traurige Tage gekommen. Das Glück, das Ilse so lange treu geblieben, schien sie zu verlassen, und auch sie mußte die Erfahrung machen, daß in jedem Leben Tränen ebenso notwendig sind wie Freude, um uns zu tüchtigen, gereiften Menschen zu machen. Die Freundschaft zwischen den Althoffs und Gontraus verminderte sich mit den Jahren nicht; im Gegenteil, als auch Nellies Pflegetochter Annie sich mit einem Prediger vermählte und die Stadt verließ, hatten sich die beiden Freundinnen noch inniger an einander geschlossen, und es verging kaum ein Tag, an dem sie nicht zusammen kamen. Nun fing Nellie, die nie kräftig gewesen war, an zu kränkeln, wollte das aber vor Fred verbergen, der nach Annies Hochzeit wieder mehr denn je von der sorgenden Liebe seiner Frau abhängig geworden war. So merkte er nichts, und selbst vor Ilse verstand Nellie zu verheimlichen, wie elend sie sich oft fühlte. Endlich, während eines ungewöhnlich strengen Winters, fing sie an zu husten, anfangs wollte sie nichts darauf geben, bis der Doktor ihr das Ausgehen entschieden verbot. Die gute Nellie, die immer nur an andere und nie an sich gedacht hatte, wurde ernstlich krank, und als der Frühling seinen Einzug hielt, erlöste ein sanfter Tod sie von ihrem Leiden. Bis zum letzten Augenblick sorgte sie nur um ihren Fred und beklagte schmerzlich, daß er so einsam und traurig zurückbliebe. Hoffnungslos kniete der Direktor an ihrem Sarge und konnte sich nicht vorstellen, wie er ohne sein liebes, treues Frauchen leben solle; täglich ging er zu ihrem Grabe, schmückte es mit frischen Blumen und fühlte sich namenlos unglücklich. Am liebsten weilte er bei Gontraus, wo er mit Ilse stundenlang über seine geliebte Nellie reden konnte. Auch Ilse war untröstlich über den Verlust ihrer Freundin; sie hatte sie treu gepflegt und doch machte sie sich jetzt Vorwürfe, daß sie nicht genug für sie getan und dem sanften, aufopfernden Wesen die Liebe und Hingebung nicht mehr gelohnt hatte. Auch sie fand Trost in Althoffs Gesellschaft und wurde nicht müde ihn zu beklagen und mit ihm zu leiden.
 
Doch die Zeit ist das beste Heilmittel für alle Wunden, und so geschah es denn auch, daß der Direktor ab und zu seinen täglichen Spaziergang nach dem Friedhof versäumte, auch wieder über andere Dinge redete und nicht mehr so häufig zu Gontraus kam. Eines Abends, als Ilse mit Leo und onkel Heinz aus einem Konzert heimkehrte, fanden sie eine gedruckte Anzeige vor, die ihr von der Verlobung Dr. Althoffs mit Frau Gebel, der Witwe eines Regierungsrates, Mitteilung machte.
 
Ilses Enttäuschung kannte keine Grenzen. Heftig warf sie den Brief auf die Erde und erklärte es für eine Schmach, daß Althoff Nellie, seine engelhafte Frau so rasch vergessen habe. Sie wollte ihn nie wiedersehen.
 
„Das ist doch übertrieben, liebste Ilse,“ sagte Leo. „Bedenke doch, wie Fred von seiner Frau gehegt, gepflegt und verwöhnt war und wie einsam und unglücklich der arme Mann sich nun fühlen mußte. Wenn er aufs neue häusliche Gemütlichkeit und Glück sucht, darfst du ihn wirklich nicht beurteilen.“ 

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