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Buddenbrooks-Siebenter Teil-Zweites Kapitel
日期:2022-03-21 14:09  点击:256
Christian Buddenbrook, Inhaber der Firma H. C. F. Burmeester & Comp. zu Hamburg, seinen modischen grauen Hut und seinen gelben Stock mit der Nonnenbüste in der Hand, kam in das Wohnzimmer seines Bruders, der mit Gerda lesend beisammen saß. Es war halb zehn Uhr am Abend des Tauftages.
 
»Guten Abend«, sagte Christian. »Ach, Thomas, ich muß dich mal dringend sprechen … Entschuldige, Gerda … Es eilt, Thomas.«
 
Sie gingen in das dunkle Speisezimmer hinüber, woselbst der Konsul eine der Gaslampen an der Wand entzündete und seinen Bruder betrachtete. Ihm ahnte nichts Gutes. Er hatte, abgesehen von der ersten Begrüßung, noch nicht Gelegenheit gehabt, mit Christian zu sprechen; aber er hatte ihn heute während der Feierlichkeit aufmerksam beobachtet und gesehen, daß er ungewöhnlich ernst und unruhig gewesen war, ja, daß er im Verlaufe von Pastor Pringsheims Rede einmal sogar aus irgendwelchen Gründen den Saal für mehrere Minuten verlassen hatte … Thomas hatte ihm keine Zeile mehr geschrieben seit jenem Tage in Hamburg, an dem Christian zehntausend Mark Kurant von seinem Erbe im voraus aus seinen Händen zur Deckung von Schulden empfangen. »Fahre nur so fort!« hatte der Konsul gesagt. »Dann werden deine Groschen rasch vertan sein. Was mich betrifft, ich hoffe, daß du künftig recht wenig meine Wege kreuzen wirst. Du hast meine Freundschaft während all der Jahre auf zu harte Proben gestellt« … Warum kam er jetzt? Etwas Dringendes mußte ihn treiben …
 
»Nun?« fragte der Konsul.
 
»Ich kann es nun nicht mehr«, antwortete Christian, indem er sich, Hut und Stock zwischen den mageren Knien, seitwärts auf einen der hochlehnigen Stühle niederließ, die den Eßtisch umstanden.
 
»Darf ich fragen, was du nun nicht mehr kannst, und was dich zu mir führt?« sagte der Konsul, der stehenblieb.
 
»Ich kann es nun nicht mehr«, wiederholte Christian, drehte mit fürchterlich unruhigem Ernst seinen Kopf hin und her und ließ seine kleinen, runden, tiefliegenden Augen schweifen. Er zählte jetzt 33 Jahre, aber er sah weit älter aus. Sein rötlichblondes Haar war so stark gelichtet, daß fast schon die ganze Schädeldecke freilag. Über den tief eingefallenen Wangen traten die Knochen scharf hervor; dazwischen aber buckelte sich, nackt, fleischlos, hager, in ungeheurer Wölbung seine große Nase …
 
»Wenn es nur dies wäre«, fuhr er fort, indem er mit der Hand an seiner linken Seite hinunterstrich, ohne seinen Körper zu berühren … »Es ist kein Schmerz, es ist eine Qual, weißt du, eine beständige, unbestimmte Qual. Doktor Drögemüller in Hamburg hat mir gesagt, daß an dieser Seite alle Nerven zu kurz sind … Stelle dir vor, an der ganzen linken Seite sind alle Nerven zu kurz bei mir! Es ist so sonderbar … manchmal ist mir, als ob hier an der Seite irgendein Krampf oder eine Lähmung stattfinden müßte, eine Lähmung für immer … Du hast keine Vorstellung … Keinen Abend schlafe ich ordentlich ein. Ich fahre auf, weil plötzlich mein Herz nicht mehr klopft und ich einen ganz entsetzlichen Schreck bekomme … Das geschieht nicht einmal, sondern zehnmal, bevor ich einschlafe. Ich weiß nicht, ob du es kennst … ich will es dir ganz genau beschreiben … Es ist …«
 
»Laß nur«, sagte der Konsul kalt. »Ich nehme nicht an, daß du hierhergekommen bist, um mir dies zu erzählen?«
 
»Nein, Thomas, wenn es nur das wäre; aber das ist es nicht allein! Es ist mit dem Geschäft … Ich kann es nun nicht mehr.«
 
»Du bist wieder in Unordnung?« Der Konsul fuhr nicht einmal auf, er wurde nicht mehr laut. Er fragte es ganz ruhig, während er seinen Bruder von der Seite mit einer müden Kälte ansah.
 
»Nein, Thomas. Und um die Wahrheit zu sagen – es ist ja nun doch gleich – ich bin niemals recht in Ordnung gekommen, auch durch die Zehntausende damals nicht, wie du selbst weißt … Die waren eigentlich nur, damit ich nicht gleich zuzumachen brauchte. Die Sache ist die … Ich habe gleich darauf noch Verluste gehabt, in Kaffee … und bei dem Bankerott in Antwerpen … Das ist wahr. Aber dann habe ich eigentlich gar nichts mehr getan und mich still verhalten. Aber man muß doch leben … und nun sind da Wechsel und andere Schulden … fünftausend Taler … Ach, du weißt nicht, wie sehr ich herunter bin! Und zu allem diese Qual …«
 
»Also, du hast dich still verhalten!« schrie der Konsul außer sich. In diesem Augenblick verlor er dennoch die Fassung. »Du hast die Karre im Dreck gelassen und dich anderweitig unterhalten! Meinst du, daß ich nicht vor Augen sehe, wie du gelebt hast, im Theater und im Zirkus und in Klubs und mit minderwertigen Frauenzimmern.«
 
»Du meinst Aline … Ja, für diese Dinge hast du wenig Sinn, Thomas, und es ist vielleicht mein Unglück, daß ich zuviel Sinn dafür habe; denn darin hast du recht, daß es mich zuviel gekostet hat und noch immer ziemlich viel kosten wird, denn ich will dir eines sagen … wir sind hier unter uns Brüdern … Das dritte Kind, das kleine Mädchen, das seit einem halben Jahre da ist … es ist von mir.«
 
»Esel.«
 
»Sage das nicht, Thomas. Du mußt gerecht sein, auch im Zorne, gegen sie und gegen … warum sollte es nicht von mir sein. Was aber Aline betrifft, so ist sie durchaus nicht minderwertig; so etwas darfst du nicht sagen. Es ist ihr keineswegs gleichgültig, mit wem sie lebt, und sie hat meinetwegen mit Konsul Holm gebrochen, der viel mehr Geld hat als ich, so gut ist sie gesinnt … Nein, du hast keinen Begriff, Thomas, was für ein prachtvolles Geschöpf das ist! Sie ist so gesund … so gesund …!« wiederholte Christian, indem er eine Hand, ihren Rücken nach außen, mit gekrümmten Fingern vors Gesicht hielt, ähnlich wie er zu tun pflegte, wenn er von »That's Maria« und dem Laster in London erzählte. »Du solltest nur ihre Zähne sehen, wenn sie lacht! Ich habe solche Zähne auf der ganzen Welt noch nicht gefunden, in Valparaiso nicht und in London nicht … Ich werde nie den Abend vergessen, als ich sie kennenlernte … bei Uhlich in der Austernstube … Sie hielt es damals mit Konsul Holm; aber ich erzählte ein bißchen und war ein bißchen nett mit ihr … Und als ich sie dann nachher bekam … tja, Thomas! Das ist ein ganz anderes Gefühl, als wenn man ein gutes Geschäft macht … Aber du hörst nicht gern von solchen Dingen, ich sehe es dir auch jetzt wieder an, und es ist nun ja auch zu Ende. Ich werde ihr nun Adieu sagen, obgleich ich ja, wegen des Kindes, mit ihr in Verbindung bleiben werde … Ich will in Hamburg alles bezahlen, was ich schuldig bin, verstehst du, und dann zumachen. Ich kann es nun nicht mehr. Mit Mutter habe ich gesprochen, und sie will mir auch die fünftausend Taler im voraus geben, damit ich Ordnung machen kann, und damit wirst du einverstanden sein, denn es ist doch besser, man sagt ganz einfach: Christian Buddenbrook liquidiert und geht ins Ausland … als wenn ich Bankerott mache, darin wirst du mir recht geben. Ich will nämlich wieder nach London gehen, Thomas, in London eine Stelle annehmen. Die Selbständigkeit ist so gar nichts für mich, das merke ich mehr und mehr. Diese Verantwortlichkeit … Als Angestellter geht man abends sorglos nach Hause … Und in London bin ich gern gewesen … Hast du etwas dagegen?«
 
Der Konsul hatte während dieser ganzen Auseinandersetzung seinem Bruder den Rücken zugewandt und, die Hände in den Hosentaschen, mit einem Fuße Figuren auf dem Boden beschrieben.
 
»Schön, gehe also nach London«, sagte er ganz einfach. Und ohne sich auch nur halbwegs noch einmal nach Christian umzuwenden, ließ er ihn hinter sich und schritt zum Wohnzimmer zurück.
 
Aber Christian folgte ihm. Er ging auf Gerda zu, die dort allein bei der Lektüre saß, und gab ihr die Hand.
 
»Gute Nacht, Gerda. Ja, Gerda, ich gehe nun also demnächst wieder nach London. Merkwürdig, wie man umhergeworfen wird. Nun wieder so ins Ungewisse, weißt du, in solche große Stadt, wo es bei jedem dritten Schritt ein Abenteuer gibt und man soviel erleben kann. Sonderbar … kennst du das Gefühl? Es sitzt hier, ungefähr im Magen … ganz sonderbar …« 

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