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Buddenbrooks-Fünfter Teil-Neuntes Kapitel
日期:2022-03-18 15:05  点击:259
Ungefähr sieben Monate später kehrte Konsul Buddenbrook mit seiner Gattin aus Italien zurück. Märzschnee lag in der Breiten Straße, als fünf Uhr nachmittags die Droschke an der schlichten, mit Ölfarbe gestrichenen Fassade ihres Hauses vorfuhr. Ein paar Kinder und erwachsene Bürger blieben stehen, um die Ankömmlinge aussteigen zu sehen. Frau Antonie Grünlich stand, stolz auf die Vorbereitungen, die sie getroffen, in der Haustür, und hinter ihr hielten sich, gleichfalls zum Empfange bereit, mit weißen Mützen, nackten Armen und dicken, gestreiften Röcken, die beiden Dienstmädchen, die sie ihrer Schwägerin kundig erwählt hatte.
 
Eilfertig und erhitzt von Arbeit und Freude lief sie die flachen Stufen hinunter und zog Gerda und Thomas, die in ihren Pelzen den mit Koffern bepackten Wagen verließen, unter Umarmungen in den Hausflur hinein …
 
»Da seid ihr! Da seid ihr, ihr Glücklichen, die ihr so weit herumgekommen seid! Habt ihr das Haus gesehen: auf Säulen ruht sein Dach?… Gerda, du bist noch schöner geworden, komm, laß mich dich küssen … nein, auch auf den Mund … so! Guten Tag, alter Tom, ja, du bekömmst auch einen Kuß. Marcus hat gesagt, es sei hier alles sehr gut gegangen unterdessen. Mutter erwartet euch in der Mengstraße; aber zuvor macht ihr es euch bequem … Wollt ihr Tee haben? Ein Bad nehmen? Es ist alles bereit. Ihr werdet euch nicht zu beklagen haben. Jacobs hat sich angestrengt, und ich habe auch getan, was ich konnte …«
 
Sie gingen zusammen auf den Vorplatz, während die Mädchen mit dem Kutscher das Gepäck hereinschleppten. Tony sagte: »Die Zimmer hier im Parterre werdet ihr vorläufig nicht viel gebrauchen … vorläufig«, wiederholte sie und ließ die Zungenspitze an der Oberlippe spielen. »Dies hier ist hübsch« – und sie öffnete gleich rechts beim Windfang eine Tür. – »Da ist Efeu vor den Fenstern … einfache Holzmöbel … Eiche … Dort hinten, jenseits des Korridors, liegt ein anderes, größeres. Hier rechts sind Küche und Speisekammer … Aber wir wollen hinaufgehen; oh, ich will euch alles zeigen!«
 
Sie stiegen auf dem breiten, dunkelroten Läufer die bequeme Treppe empor. Droben, hinter einer gläsernen Etagentür, war ein schmaler Korridor. Es lag das Speisezimmer daran, mit einem schweren runden Tisch, auf dem der Samowar kochte, und dunkelroten, damastartigen Tapeten, an denen geschnitzte Nußholzstühle mit Rohrsitzen und ein massives Büfett standen. Ein behagliches Wohnzimmer in grauem Tuche war da, nur durch Portieren getrennt von einem schmalen Salon mit grüngestreiften Ripsfauteuils und einem Erker. Ein Viertel des ganzen Stockwerkes aber nahm ein Saal von drei Fenstern ein. Dann gingen sie ins Schlafzimmer hinüber.
 
Es lag zur rechten Hand am Korridor, mit geblümten Gardinen und mächtigen Mahagonibetten. Tony aber ging zu der kleinen, durchbrochenen Pforte dort hinten, drückte die Klinke und legte den Zugang zu einer Wendeltreppe frei, deren Windungen ins Souterrain hinabführten: ins Badezimmer und die Mädchenkammern.
 
»Hier ist es hübsch. Hier will ich bleiben«, sagte Gerda und sank aufatmend in den Lehnsessel an einem der Betten.
 
Der Konsul beugte sich zu ihr und küßte ihr die Stirne. »Müde? Aber es ist wahr, ich habe auch Lust, mich ein bißchen zu säubern …«
 
»Und ich werde nach dem Teewasser sehen«, sagte Frau Grünlich; »ich erwarte euch im Eßzimmer …« Und sie ging dorthin.
 
Der Tee stand dampfend in Meißener Tassen bereit, als Thomas herüberkam. »Da bin ich«, sagte er, »Gerda möchte noch eine halbe Stunde ruhen. Sie hat Kopfschmerzen. Wir wollen nachher in die Mengstraße … Alles wohlauf, meine liebe Tony? Mutter, Erika, Christian?… Aber nun«, fuhr er mit seiner liebenswürdigsten Bewegung fort, »unseren herzlichsten Dank, auch Gerdas, für all deine Mühen, du Gute! Wie hübsch du das alles gemacht hast! Es fehlt nichts, als daß meine Frau ein paar Palmen für ihren Erker bekommt, und daß ich mich nach einigen brauchbaren Ölgemälden umsehe … Aber nun erzähle mal! Wie geht es dir, was hast du getrieben unterdessen!«
 
Er hatte seiner Schwester einen Stuhl zu sich herangezogen, trank langsam seinen Tee und aß ein Biskuit, während sie sprachen.
 
»Ach, Tom«, antwortete sie. »Was soll ich treiben? Mein Leben liegt hinter mir …«
 
»Unsinn, Tony! Du mit deinem Leben … Aber wir langweilen uns wohl ziemlich stark?«
 
»Ja, Tom, ich langweile mich ganz ungemein. Manchmal heule ich vor Langerweile. Die Beschäftigung mit diesem Hause hat mir Freude gemacht, und du glaubst nicht, wie glücklich ich über eure Rückkehr bin … Aber ich bin nicht gern zu Hause, weißt du; Gott strafe mich, wenn das eine Sünde ist. Ich bin nun im Dreißigsten, aber das ist noch nicht das Alter, um mit der letzten Himmelsbürgern oder den Damen Gerhardt oder einem von Mutters Dunkelmännern, die der Witwen Häuser fressen, Busenfreundschaft zu schließen … Ich glaube nicht an sie, Tom, es sind Wölfe in Schafspelzen … Otterngezücht … Wir sind alle schwache Menschen mit sündigen Herzen, und wenn sie mitleidig auf mich armes Weltkind herabsehen wollen, so lache ich sie aus. Ich bin immer der Meinung gewesen, daß alle Menschen gleich sind, und daß es keiner Mittlerschaft bedarf zwischen uns und dem lieben Gott. Du kennst auch meine politischen Grundsätze. Ich will, daß der Bürger zum Staate …«
 
»Also du fühlst dich ein wenig vereinsamt, wie?« fragte Thomas, um sie wieder auf den Weg zu bringen. »Aber höre, du hast doch Erika?«
 
»Ja, Tom, und ich liebe das Kind von ganzem Herzen, obgleich eine gewisse Persönlichkeit behauptete, ich sei nicht kinderlieb … Aber, siehst du … ich bin offen zu dir, ich bin ein ehrliches Weib, ich rede, wie's mir ums Herz ist und halte nichts vom Wortemachen …«
 
»Was sehr hübsch von dir ist, Tony.«
 
»Kurz, das traurige ist, daß das Kind mich allzusehr an Grünlich erinnert … auch Buddenbrooks in der Breiten Straße sagen, daß es ihm so sehr ähnlich ist … Und dann, wenn ich es vor mir habe, muß ich beständig denken: Du bist eine alte Frau mit einer großen Tochter und das Leben liegt hinter dir. Du hast einmal während einiger Jahre daringestanden, aber nun kannst du siebzig und achtzig Jahre alt werden und wirst hier sitzen bleiben und Lea Gerhardt vorlesen hören. Der Gedanke ist mir so traurig, Tom, daß er mir hier in der Kehle sitzt und drückt. Denn ich empfinde noch so jugendlich, weißt du, und sehne mich danach, noch einmal ins Leben hinauszukommen … Und schließlich: nicht bloß im Hause, auch in der ganzen Stadt fühle ich mich nicht ganz wohl, denn du mußt nicht glauben, daß ich mit Blindheit geschlagen bin für die Verhältnisse, ich bin keine Gans mehr und habe meine Augen im Kopfe. Ich bin eine geschiedene Frau und bekomme es zu fühlen, das ist sehr klar. Du kannst mir glauben, Tom, daß es mir immer schwer auf dem Herzen liegt, unseren Namen, wenn auch ohne eigene Schuld, so befleckt zu haben. Du kannst tun, was du willst, du kannst Geld verdienen und der erste Mann in der Stadt werden, – die Leute werden immer noch sagen: ›Ja … seine Schwester ist übrigens eine geschiedene Frau.‹ Julchen Möllendorpf, geborene Hagenström, grüßt mich nicht … nun, sie ist eine Gans! Aber so geht es bei allen Familien … Und doch, ich kann die Hoffnung nicht aufgeben, Tom, daß alles noch wieder gutzumachen ist! Ich bin noch jung … Bin ich nicht noch ziemlich hübsch? Mama kann mir nicht mehr viel mitgeben, aber es ist immerhin ein annehmbares Stück Geld. Wenn ich mich wieder verheiratete? Offen gestanden, Tom, es ist mein lebhaftester Wunsch! Damit wäre alles in Ordnung, der Fleck wäre ausgelöscht … O Gott, wenn ich eine unseres Namens würdige Partie machen, mich wieder einrichten könnte –! Glaubst du, daß es so völlig ausgeschlossen ist?«
 
»Bewahre, Tony! Oh, keineswegs! Ich habe niemals aufgehört, damit zu rechnen. Aber vor allem scheint es mir nötig, daß du mal ein bißchen hinauskommst, dich ein wenig aufmunterst, Abwechselung hast …«
 
»Das ist es eben!« sagte sie eifrig. »Nun muß ich dir mal eine Geschichte erzählen.«
 
Sehr befriedigt von diesem Vorschlage lehnte sich Thomas zurück. Er war schon bei der zweiten Zigarette. Die Dämmerung begann vorzuschreiten.
 
»Also während euerer Abwesenheit hätte ich beinahe eine Stelle angenommen, eine Stelle als Gesellschafterin in Liverpool! Hättest du es empörend gefunden?… Aber immerhin etwas fragwürdig?… Ja, ja, es wäre wahrscheinlich unwürdig gewesen. Aber es war mein so dringender Wunsch, fortzukommen … Kurz, es hat sich zerschlagen. Ich schickte der Missis meine Photographie, und sie mußte auf meine Dienste verzichten, weil ich zu hübsch sei; es sei ein erwachsener Sohn im Hause. ›Sie sind zu hübsch‹, schrieb sie … ha, ich habe mich niemals so amüsiert!«
 
Die beiden lachten sehr herzlich.
 
»Aber nun habe ich etwas anderes in Aussicht genommen«, fuhr Tony fort. »Ich bin eingeladen worden; eingeladen nach München von Eva Ewers … ja, sie heißt übrigens nun Eva Niederpaur, und ihr Mann ist Brauereidirektor. Genug, sie hat mich gebeten, sie zu besuchen, und ich denke demnächst von der Aufforderung Gebrauch zu machen. Freilich, Erika könnte nicht mitgehen. Ich würde sie zu Sesemi Weichbrodt in Pension geben. Dort wäre sie ausgezeichnet aufgehoben. Hättest du etwas dagegen einzuwenden?«
 
»Gar nichts. Jedenfalls ist es nötig, daß du einmal wieder in neue Verhältnisse kommst.«
 
»Ja, das ist es!« sagte sie dankbar. »Aber nun du, Tom! Ich spreche beständig von mir, ich bin ein eigennütziges Weib! Nun erzähle du. O Gott, wie glücklich du sein mußt!«
 
»Ja, Tony!« sagte er nachdrücklich. Es entstand eine Pause. Er atmete den Rauch über den Tisch hinüber und fuhr fort: »Zunächst bin ich sehr froh, verheiratet zu sein und einen eigenen Hausstand begründet zu haben. Du kennst mich: ich hätte schlecht zum Garçon getaugt. Alles Junggesellentum hat einen Beigeschmack von Isoliertheit und Bummelei, und ich besitze einigen Ehrgeiz, wie du weißt. Ich halte meine Karriere weder geschäftlich, noch, sagen wir scherzeshalber: politisch für beendigt … aber das rechte Vertrauen der Welt gewinnt man erst, wenn man Hausherr und Familienvater ist. Dennoch hat es an einem Haar gehangen, Tony … Ich bin ein bißchen wählerisch. Ich habe es lange Zeit nicht für möglich gehalten, auf der Welt eine Passende zu finden. Aber Gerdas Anblick gab den Ausschlag. Ich sah sofort, daß sie die einzige sei, ausgemacht sie … obgleich ich weiß, daß viele Leute in der Stadt mir böse sind ob meines Geschmackes. Sie ist ein wundervolles Wesen, wie es deren sicher wenige gibt auf Erden. Freilich ist sie sehr anders als du, Tony. Du bist einfacher von Gemüt, du bist auch natürlicher … Meine Frau Schwester ist ganz einfach temperamentvoller«, fuhr er fort, indem er plötzlich zu einem leichteren Tone überging. »Daß übrigens auch Gerda Temperament besitzt, das beweist wahrhaftig ihr Geigenspiel; aber sie kann manchmal ein bißchen kalt sein … Kurz, es ist nicht der gewöhnliche Maßstab an sie zu legen. Sie ist eine Künstlernatur, ein eigenartiges, rätselhaftes, entzückendes Geschöpf.«
 
»Ja, ja«, sagte Tony. Sie hatte ihrem Bruder ernst und aufmerksam zugehört. Ohne an die Lampe zu denken, hatten sie den Abend hereinbrechen lassen.
 
Da öffnete sich die Korridortür, und von der Dämmerung umgeben stand vor den beiden, in einem faltig hinabwallenden Hauskleide aus schneeweißem Pikee, eine aufrechte Gestalt. Das schwere, dunkelrote Haar umrahmte das weiße Gesicht, und in den Winkeln der nahe beieinander liegenden braunen Augen lagerten bläuliche Schatten.
 
Es war Gerda, die Mutter zukünftiger Buddenbrooks. 

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