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Buddenbrooks-Vierter Teil-Fünftes Kapitel
日期:2022-03-17 16:10  点击:252
Ein Jahr und zwei Monate später, an einem schneedunstigen Januarmorgen des Jahres 1850, saßen Herr und Madame Grünlich nebst ihrem kleinen dreijährigen Töchterchen in dem mit hellbraunfarbigem Holze getäfelten Speisezimmer auf Stühlen, von denen ein jeder 25 Kurantmark gekostet hatte, beim ersten Frühstück.
 
Die Scheiben der Fenster waren vor Nebel beinahe undurchsichtig; verschwommen gewahrte man nackte Bäume und Sträucher dahinter. In dem grünglasierten niedrigen Ofen, der in einem Winkel stand – neben der offenen Tür, die ins »Penseezimmer« führte, woselbst man Blattgewächse erblickte – knisterte die rote Glut und erfüllte den Raum mit einer sanften, ein wenig riechenden Wärme. An der entgegengesetzten Seite gestatteten halb zurückgeschlagene grüne Tuchportieren den Durchblick in den braunseidenen Salon und auf eine hohe Glastür, deren Ritzen mit wattierten Rollen verstopft waren und hinter der eine kleine Terrasse sich in dem weißgrauen, undurchsichtigen Nebel verlor. Seitwärts führte ein dritter Ausgang auf den Korridor.
 
Der schneeweiße gewirkte Damast auf dem runden Tische war von einem grüngestickten Tischläufer durchzogen und bedeckt mit goldgerändertem und so durchsichtigem Porzellan, daß es hie und da wie Perlmutter schimmerte. Eine Teemaschine summte. In einem dünnsilbernen, flachen Brotkorb, der die Gestalt eines großen, gezackten, leicht gerollten Blattes hatte, lagen Rundstücke und Schnitten von Milchgebäck. Unter einer Kristallglocke türmten sich kleine, geriefelte Butterkugeln, unter einer anderen waren verschiedene Arten von Käse, gelber, grünmarmorierter und weißer sichtbar. Es fehlte nicht an einer Flasche Rotwein, welche vor dem Hausherrn stand, denn Herr Grünlich frühstückte warm.
 
Mit frisch frisierten Favoris und einem Gesicht, das um diese Morgenstunde besonders rosig erschien, saß er, den Rücken dem Salon zugewandt, fertig angekleidet, in schwarzem Rock und hellen, großkarierten Beinkleidern, und verspeiste nach englischer Sitte ein leicht gebratenes Kotelett. Seine Gattin fand dies zwar vornehm, außerdem aber auch in so hohem Grade widerlich, daß sie sich niemals hatte entschließen können, ihr gewohntes Brot- und Eifrühstück dagegen einzutauschen.
 
Tony war im Schlafrock; sie schwärmte für Schlafröcke. Nichts erschien ihr vornehmer als ein elegantes Negligé, und da sie sich im Elternhause dieser Leidenschaft nicht hatte überlassen dürfen, frönte sie ihr nun als verheiratete Frau desto eifriger. Sie besaß drei dieser schmiegsamen und zarten Kleidungsstücke, bei deren Herstellung mehr Geschmack, Raffinement und Phantasie entfaltet werden kann, als bei einer Balltoilette. Heute aber trug sie das dunkelrote Morgenkleid, dessen Farbe genau mit dem Tone der Tapete über der Holztäfelung übereinstimmte und dessen großgeblümter Stoff, weicher als Watte, überall mit einem Sprühregen ganz winziger Glasperlchen von derselben Färbung durchwirkt war … Eine gerade und dichte Reihe von roten Sammetschleifen lief vom Halsverschluß bis zum Saume hinunter.
 
Ihr starkes aschblondes Haar, mit einer dunkelroten Sammetschleife geschmückt, war über der Stirn gelockt. Obgleich, wie sie selbst wohl wußte, ihr Äußeres seinen Höhepunkt bereits erreicht hatte, war der kindliche, naive und kecke Ausdruck ihrer etwas hervorstehenden Oberlippe derselbe geblieben wie ehemals. Die Lider ihrer graublauen Augen waren vom kalten Wasser gerötet. Ihre Hände, die weißen, ein wenig kurzen, aber feingegliederten Hände der Buddenbrooks, deren zarte Gelenke von den Sammetrevers der Ärmel weich umschlossen wurden, handhabten Messer, Löffel und Tasse mit Bewegungen, die heute aus irgendeinem Grunde ein wenig abrupt und hastig waren.
 
Neben ihr, in einem turmartigen Kinderstuhl und bekleidet mit einem aus dicker hellblauer Wolle gestrickten, formlosen und drolligen Röckchen, saß die kleine Erika, ein wohlgenährtes Kind mit kurzen hellblonden Locken. Sie hielt mit beiden Händchen eine große Tasse umklammert, in der ihr Gesichtchen völlig verschwand, und schluckte ihre Milch, indem sie hie und da kleine, hingebende Seufzer vernehmen ließ.
 
Hierauf klingelte Frau Grünlich, und Thinka, das Folgmädchen, trat vom Korridor ein, um das Kind aus dem Turm zu heben und es hinauf in die Spielstube zu tragen.
 
»Du kannst sie eine halbe Stunde draußen spazierenfahren, Thinka«, sagte Tony. »Aber nicht länger, und in der dickeren Jacke, hörst du?… Es nebelt.« – Sie blieb mit ihrem Gatten allein.
 
»Du machst dich ja lächerlich«, sagte sie nach einigem Stillschweigen, indem sie ersichtlich ein unterbrochenes Gespräch wieder aufnahm … »Hast du Gegengründe? Gib doch Gegengründe an!… Ich kann mich nicht immer um das Kind bekümmern …«
 
»Du bist nicht kinderlieb, Antonie.«
 
»Kinderlieb … kinderlieb … Es fehlt mir an Zeit! Der Haushalt nimmt mich in Anspruch! Ich wache mit zwanzig Gedanken auf, die tagsüber auszuführen sind, und gehe mit vierzig zu Bett, die noch nicht ausgeführt sind …«
 
»Es sind zwei Mädchen da. Eine so junge Frau …«
 
»Zwei Mädchen, gut. Thinka hat abzuwaschen, zu putzen, reinzumachen, zu bedienen. Die Köchin ist über und über beschäftigt. Du ißt schon am frühen Morgen Koteletts … Denke doch nach, Grünlich! Erika muß über kurz oder lang jedenfalls eine Bonne, eine Erzieherin haben …«
 
»Es entspricht nicht unseren Verhältnissen, ihr schon jetzt ein eigenes Kindermädchen zu halten.«
 
»Unseren Verhältnissen!… O Gott, du machst dich lächerlich! Sind wir denn Bettler? Sind wir gezwungen, uns das Notwendigste abgehen zu lassen? Meines Wissens habe ich dir achtzigtausend Mark in die Ehe gebracht …«
 
»Ach, mit deinen achtzigtausend!«
 
»Gewiß!… Du sprichst geringschätzig davon … Es kam dir nicht darauf an … Du hast mich aus Liebe geheiratet … Gut. Aber liebst du mich überhaupt noch? Du gehst über meine berechtigten Wünsche hinweg. Das Kind soll kein Mädchen haben … Von dem Coupé, das uns nötig ist, wie das tägliche Brot, ist überhaupt keine Rede mehr … Warum läßt du uns dann beständig auf dem Lande wohnen, wenn es unseren Verhältnissen nicht entspricht, einen Wagen zu halten, in dem wir anständigerweise in Gesellschaft fahren können? Warum siehst du es niemals gern, daß ich in die Stadt komme?… Am liebsten möchtest du, daß wir uns hier ein für alle Male vergrüben und daß ich keinen Menschen mehr zu Gesichte bekäme. Du bist sauertöpfig!«
 
Herr Grünlich goß sich Rotwein ins Glas, erhob die Kristallglocke und ging zum Käse über. Er antwortete durchaus nicht.
 
»Liebst du mich überhaupt noch?« wiederholte Tony … »Dein Schweigen ist so ungezogen, daß ich mir sehr wohl erlauben darf, dich an einen gewissen Auftritt in unserem Landschaftszimmer zu erinnern … Damals machtest du eine andere Figur!… Vom ersten Tage an hast du nur abends bei mir gesessen, und das nur, um die Zeitung zu lesen. Anfangs nahmst du wenigstens einige Rücksicht auf meine Wünsche. Aber seit langer Zeit ist es auch damit zu Ende. Du vernachlässigst mich!«
 
»Und du? Du ruinierst mich.«
 
»Ich?… Ich ruiniere dich …«
 
»Ja. Du ruinierst mich mit deiner Trägheit, deiner Sucht nach Bedienung und Aufwand …«
 
»Oh! wirf mir nicht meine gute Erziehung vor! Ich habe bei meinen Eltern nicht nötig gehabt, einen Finger zu rühren. Jetzt habe ich mich mühsam in den Haushalt einleben müssen, aber ich kann verlangen, daß du mir nicht die einfachsten Hilfsmittel verweigerst. Vater ist ein reicher Mann; er konnte nicht erwarten, daß es mir jemals an Personal fehlen würde …«
 
»Dann warte mit dem dritten Mädchen, bis dieser Reichtum uns etwas nützt.«
 
»Willst du etwa Vaters Tod wünschen?!… Ich sage, daß wir vermögende Leute sind, daß ich nicht mit leeren Händen zu dir gekommen bin …«
 
Obgleich Herr Grünlich im Kauen begriffen war, lächelte er; er lächelte überlegen, wehmütig und schweigend. Dies verwirrte Tony.
 
»Grünlich«, sagte sie ruhiger … »Du lächelst, du sprichst von unseren Verhältnissen … Täusche ich mich über die Lage? Hast du schlechte Geschäfte gemacht? Hast du …«
 
In diesem Augenblicke geschah ein Klopfen, ein kurzer Trommelwirbel gegen die Korridortür, und Herr Kesselmeyer trat ein. 

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