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Buddenbrooks-Dritter Teil-Drittes Kapitel
日期:2022-03-17 15:27  点击:238
In diesem Jahre unternahmen Buddenbrooks auch während der Schulferien Christians und Klaras keine Erholungsreise. Der Konsul erklärte, geschäftlich zu sehr in Anspruch genommen zu sein, und die schwebende Frage in betreff Antoniens trug dazu bei, daß man abwartend in der Mengstraße verblieb. An Herrn Grünlich war, von der Hand des Konsuls geschrieben, ein überaus diplomatischer Brief abgegangen; aber der Fortgang der Dinge ward durch Tonys in den kindischsten Formen geäußerte Hartnäckigkeit behindert. »Bewahre, Mama!« sagte sie. »Ich kann ihn nicht ausstehen!« wobei sie die zweite Silbe des letzten Wortes mit höchstem Nachdruck betonte und das »st« ausnahmsweise nicht getrennt sprach. Oder sie erklärte mit Feierlichkeit: »Vater!« – sonst pflegte Tony »Papa« zu sagen – »Ich werde ihm mein Jawort niemals erteilen.«
 
Auf diesem Punkte wäre die Angelegenheit sicherlich noch lange Zeit stehengeblieben, wenn sich nicht, zehn Tage vielleicht nach jener Unterredung im Frühstückszimmer – man stand in der Mitte des Juli –, das Folgende ereignet hätte …
 
Es war Nachmittag – ein blauer, warmer Nachmittag; die Konsulin war ausgegangen, und Tony saß mit einem Romane allein im Landschaftszimmer am Fenster, als Anton ihr eine Visitkarte überbrachte. Bevor sie noch Zeit gehabt, den Namen zu lesen, betrat ein Herr in glockenförmigem Gehrock und erbsenfarbenem Beinkleid das Zimmer; es war, wie sich versteht, Herr Grünlich, und auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck flehender Zärtlichkeit.
 
Tony fuhr entsetzt auf ihrem Stuhle empor und machte eine Bewegung, als wollte sie in den Eßsaal entfliehen … Wie war es möglich, noch mit einem Herrn zu sprechen, der um ihre Hand angehalten hatte? Das Herz pochte ihr bis in den Hals hinauf, und sie war sehr bleich geworden. Solange sie Herrn Grünlich weit entfernt wußte, hatten die ernsthaften Verhandlungen mit den Eltern und die plötzliche Wichtigkeit ihrer Person und Entscheidung ihr geradezu Spaß gemacht. Nun aber war er wieder da! Er stand vor ihr! Was würde geschehen? Sie fühlte schon wieder, daß sie weinen werde.
 
Mit raschen Schritten, die Arme ausgebreitet und den Kopf zur Seite geneigt, in der Haltung eines Mannes, welcher sagen will: Hier bin ich! Töte mich, wenn du willst! kam Herr Grünlich auf sie zu. »Welch eine Fügung!« rief er. »Ich finde Sie, Antonie!« Er sagte »Antonie«.
 
Tony, die, ihren Roman in der Rechten, aufgerichtet an ihrem Stuhle stand, schob die Lippen hervor, und indem sie bei jedem Worte eine Kopfbewegung von unten nach oben machte und jedes dieser Worte mit einer tiefen Entrüstung betonte, stieß sie hervor:
 
»Was – fällt – Ihnen – ein!«
 
Trotzdem standen ihr die Tränen bereits in der Kehle.
 
Herrn Grünlichs Bewegung war allzu groß, als daß er diesen Einwurf hätte beachten können.
 
»Konnte ich länger warten … Mußte ich nicht hierher zurückkehren?« fragte er eindringlich. »Ich habe vor einer Woche den Brief Ihres lieben Herrn Vaters erhalten, diesen Brief, der mich mit Hoffnung erfüllt hat! Konnte ich noch länger in halber Gewißheit verharren, Fräulein Antonie? Ich hielt es nicht länger aus … Ich habe mich in einen Wagen geworfen … Ich bin hierher geeilt … Ich habe ein paar Zimmer im Gasthofe Stadt Hamburg genommen … und da bin ich, Antonie, um von Ihren Lippen das letzte, entscheidende Wort in Empfang zu nehmen, das mich glücklicher machen wird, als ich es zu sagen vermag!«
 
Tony war erstarrt; ihre Tränen traten zurück vor Verblüffung. Das also war die Wirkung des vorsichtigen väterlichen Briefes, der jede Entscheidung auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben hatte! – Sie stammelte drei- oder viermal:
 
»Sie irren sich. – Sie irren sich …«
 
Herr Grünlich hatte einen Armsessel ganz dicht an ihren Fenstersitz herangezogen, er setzte sich, er nötigte auch sie selbst, sich wieder niederzulassen, und während er, vornübergebeugt, ihre Hand, die schlaff war vor Ratlosigkeit, in der seinen hielt, fuhr er mit bewegter Stimme fort:
 
»Fräulein Antonie … Seit dem ersten Augenblicke, seit jenem Nachmittage … Sie erinnern sich jenes Nachmittages?… als ich Sie zum ersten Male im Kreise der Ihrigen, eine so vornehme, so traumhaft liebliche Erscheinung, erblickte … ist Ihr Name mit unauslöschlichen Buchstaben in mein Herz geschrieben …« Er verbesserte sich und sagte: »gegraben«. »Seit jenem Tage, Fräulein Antonie, ist es mein einziger, mein heißer Wunsch, Ihre schöne Hand fürs Leben zu gewinnen, und was der Brief Ihres lieben Herrn Vaters mich nur hoffen ließ, das werden Sie mir nun zur glücklichen Gewißheit machen … nicht wahr?! ich darf mit Ihrer Gegenneigung rechnen … Ihrer Gegenneigung sicher sein!« Hierbei ergriff er auch mit der anderen Hand die ihre und blickte ihr tief in die ängstlich geöffneten Augen. Er trug heute keine Zwirnhandschuhe; seine Hände waren lang, weiß und von hohen, blauen Adern durchzogen.
 
Tony starrte in sein rosiges Gesicht, auf die Warze an seiner Nase, und in seine Augen, die so blau waren wie diejenigen einer Gans.
 
»Nein, nein!« brachte sie rasch und angstvoll hervor. Hierauf sagte sie noch: »Ich gebe Ihnen nicht mein Jawort!« Sie bemühte sich fest zu sprechen, aber sie weinte schon.
 
»Womit habe ich dieses Zweifeln und Zögern Ihrerseits verdient?« fragte er mit tief gesenkter und fast vorwurfsvoller Stimme. »Sie sind ein von liebender Sorgfalt behütetes und verwöhntes Mädchen … aber ich schwöre Ihnen, ja, ich verpfände Ihnen mein Manneswort, daß ich Sie auf Händen tragen werde, daß Sie als meine Gattin nichts entbehren werden, daß Sie in Hamburg ein Ihrer würdiges Leben führen werden …«
 
Tony sprang auf, sie befreite ihre Hand, und während ihre Tränen hervorstürzten, rief sie völlig verzweifelt:
 
»Nein … nein! Ich habe ja nein gesagt! Ich gebe Ihnen einen Korb, verstehen Sie das denn nicht, Gott im Himmel?!…«
 
Allein auch Herr Grünlich erhob sich. Er trat einen Schritt zurück, er breitete die Arme aus, indem er ihr beide Handflächen entgegenhielt, und sprach mit dem Ernst eines Mannes von Ehre und Entschluß:
 
»Wissen Sie, Mademoiselle Buddenbrook, daß ich mich nicht in dieser Weise beleidigen lassen darf?«
 
»Aber ich beleidige Sie nicht, Herr Grünlich«, sagte Tony, denn sie bereute, so heftig gewesen zu sein. Mein Gott, mußte gerade ihr dies begegnen! Sie hatte sich so eine Werbung nicht vorgestellt. Sie hatte geglaubt, man brauche nur zu sagen: »Ihr Antrag ehrt mich, aber ich kann ihn nicht annehmen«, damit alles erledigt sei …
 
»Ihr Antrag ehrt mich«, sagte sie so ruhig sie konnte; »aber ich kann ihn nicht annehmen … So, und ich muß Sie nun … verlassen, entschuldigen Sie, ich habe keine Zeit mehr.«
 
Aber Herr Grünlich stand ihr im Wege.
 
»Sie weisen mich zurück?« fragte er tonlos …
 
»Ja«, sagte Tony; und aus Vorsicht fügte sie hinzu: »Leider« …
 
Da atmete Herr Grünlich heftig auf, er machte zwei große Schritte rückwärts, beugte den Oberkörper zur Seite, wies mit dem Zeigefinger auf den Teppich und rief mit fürchterlicher Stimme:
 
»Antonie –!«
 
So standen sie sich während eines Augenblicks gegenüber; er in aufrichtig erzürnter und gebietender Haltung, Tony blaß, verweint und zitternd, das feuchte Taschentuch am Munde. Endlich wandte er sich ab und durchmaß, die Hände auf dem Rücken, zweimal das Zimmer, als sei er hier zu Hause. Dann blieb er am Fenster stehen und blickte durch die Scheiben in die beginnende Dämmerung.
 
Tony schritt langsam und mit einer gewissen Behutsamkeit auf die Glastür zu; aber sie befand sich erst in der Mitte des Zimmers, als Herr Grünlich aufs neue bei ihr stand.
 
»Tony!« sagte er ganz leise, während er sanft ihre Hand erfaßte; und er sank … sank langsam bei ihr zu Boden auf die Knie. Seine beiden goldgelben Favoris lagen auf ihrer Hand.
 
»Tony …«, wiederholte er, »sehen Sie mich hier … Dahin haben Sie es gebracht … Haben Sie ein Herz, ein fühlendes Herz?… Hören Sie mich an … Sie sehen einen Mann vor sich, der vernichtet, zugrunde gerichtet ist, wenn … ja, der vor Kummer sterben wird«, unterbrach er sich mit einer gewissen Hast, »wenn Sie seine Liebe verschmähen! Hier liege ich … bringen Sie es über das Herz, mir zu sagen: Ich verabscheue Sie –?«
 
»Nein, nein!« sagte Tony plötzlich in tröstendem Ton. Ihre Tränen waren versiegt, Rührung und Mitleid stiegen in ihr auf. Mein Gott, wie sehr mußte er sie lieben, daß er diese Sache, die ihr selbst innerlich ganz fremd und gleichgültig war, so weit trieb! War es möglich, daß sie dies erlebte? In Romanen las man dergleichen, und nun lag im gewöhnlichen Leben ein Herr im Gehrock vor ihr auf den Knien und flehte!… Ihr war der Gedanke, ihn zu heiraten, einfach unsinnig erschienen, weil sie Herrn Grünlich albern gefunden hatte. Aber, bei Gott, in diesem Augenblicke war er durchaus nicht albern! Aus seiner Stimme und seinem Gesicht sprach eine so ehrliche Angst, eine so aufrichtige und verzweifelte Bitte …
 
»Nein, nein«, wiederholte sie, indem sie sich ganz ergriffen über ihn beugte, »ich verabscheue Sie nicht, Herr Grünlich, wie können Sie dergleichen sagen!… Aber nun stehen Sie auf … bitte …«
 
»Sie wollen mich nicht töten?« fragte er wieder, und sie sagte noch einmal in einem beinahe mütterlich tröstenden Ton:
 
»Nein – nein …«
 
»Das ist ein Wort!« rief Herr Grünlich und sprang auf die Füße. Sofort aber, als er Tonys erschrockene Bewegung sah, ließ er sich noch einmal nieder und sagte ängstlich beschwichtigend:
 
»Gut, gut … sprechen Sie nun nichts mehr, Antonie! Genug für diesmal, ich bitte Sie, von dieser Sache … Wir reden weiter davon … Ein anderes Mal … Ein anderes Mal … Leben Sie wohl für heute … Leben Sie wohl … Ich kehre zurück … Leben Sie wohl! –«
 
Er hatte sich rasch erhoben, er hatte seinen großen grauen Hut vom Tische gerissen, hatte ihre Hand geküßt und war durch die Glastür hinausgeeilt.
 
Tony sah, wie er in der Säulenhalle seinen Stock ergriff und im Korridor verschwand. Sie stand, völlig verwirrt und erschöpft, inmitten des Zimmers, das feuchte Taschentuch in einer ihrer hinabhängenden Hände. 

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