Warum eigentlich gibt es so viele Ratgeber, wie Anfänger im ersten Job bestehen? Viel sinnvoller wären Bücher, die das umgekehrte Problem erklären: wie man als Altgedienter die Neuen aushält.
Sucht man im Internet-Buchhandel nach Ratgebern für das Überleben im neuen Job, werden einem mindestens 14 Titel angeboten: "Hallo, ich bin der Neue", "Ich bin neu hier: Tipps und Strategien für die erfolgreiche Probezeit" oder "Erfolgreich starten im Job für freche Frauen" heißen die Handreichungen, die einen unfallfreien Neustart garantieren sollen.
Nachhilfe mit Qualität
In solchen Büchern stehen vollkommen überraschende Ratschläge, auf die man ohne die Denkanstöße der Job- und Karriere-Coaches nie gekommen wäre: Ein Kardinalfehler sei es zum Beispiel, sich am ersten Tag mit seinem alten Opel Corsa auf den Parkplatz des Chefs zu stellen. Ebenso wenig empfehle es sich, schon nach einer halben Stunde sämtlichen Anwesenden das Du anzubieten, fremde Kaffeetassen zu gebrauchen oder auf jede Erklärung mit einem Naserümpfen zu antworten: "Also, in meiner alten Firma haben wir das aber ganz anders erledigt."
Den Ratgebern nach zu urteilen muss es tatsächlich Heerscharen von Berufsanfängern oder Jobwechslern geben, die Nachhilfe dieser Qualität von Nöten haben. Dann sind die neuen Kollegen und Vorgesetzten nur zu bedauern. Viel hilfreicher wären also Bücher, die zeigen, wie man mit solchen Neuzugängen umgeht: Lässt man den alten Opel Corsa abschleppen? Lehnt man das Du mit einem säuerlichen Lächeln ab und versieht die eigene Kaffeetasse mit einem besitzanzeigenden Post-it?
Anstellung auf 400-Euro-Basis
Ratgeber-Literatur solcher Art sucht man leider vergebens. Kein einziges Werk widmet sich der Frage, wie man als Alteingesessener auf nassforsche Neue am besten reagiert. Dabei würde ein Beistand zu diesem Thema vermutlich reißenden Absatz finden. Wenn der Chef den Neuzugang schon Wochen vorher als "absoluten Top-Performer" ankündigt, der sich "in seinem alten Unternehmen durch phantastische Umsätze und große Kosteneinsparungen im personellen Bereich" hervorgetan habe, geht dem Rest des Teams schon das Messer in der Tasche auf.
Ebenso dann, wenn die Personalpolitik des Vorgesetzten genauso durchschaubar wie simpel ist: Es soll Chefs geben, die junge, langbeinige Ex-Praktikantinnen bevorzugen, die sich während ihrer Anstellung auf 400-Euro-Basis besonders durch einwandfreies Kopieren und fehlerloses Kaffeekochen hervorgetan haben. Immerhin: Diese Fähigkeiten bringt nicht jeder mit. Stöbert man in Berufsanfänger-Foren, stößt man auf Berichte von verwirrten Einsteigern, die verzweifelt nach der Bedienungsanleitung für Geräte fahnden, die in jedem Büro zur technischen Grundausstattung gehören.
Es gibt auch Fettnäpfchen im neuen Job, die Anfänger kaum erahnen können - und gerade deshalb gern und zielsicher ansteuern. Für solche Peinlichkeiten bekommen sie immerhin das tiefste Mitgefühl ihrer neuen Kollegen. Neudeutsch nennt man diese Gefühlsaufwallung auch Fremdschämen.
Dies spielt sich zum Beispiel dann ab, wenn der Neue den Kollegen im angestrengt-höflichen Small Talk auf die Kinderfotos auf seinem Schreibtisch anspricht - der aber gerade mitten in der Scheidung steckt. Dann windet sich auch der unbeteiligte Zuhörer peinlich berührt auf seinem Schreibtischstuhl.
Die beste Möglichkeit, voreingenommene oder schon nach wenigen Stunden verprellte Mitarbeiter wieder zu versöhnen, ist der Einstand. Der bedarf allerdings guter Vorrecherche: Wer in einem Team lauter Vegetarier eine Runde Gulaschsuppe schmeißt, kann gleich wieder einpacken.