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Buddenbrooks-Erster Teil-Zweites Kapitel
日期:2022-03-10 16:44  点击:261
Herr Jean Jacques Hoffstede, der Poet der Stadt, der sicherlich auch für den heutigen Tag ein paar Reime in der Tasche hatte, war nicht viel jünger als Johann Buddenbrook, der Ältere, und abgesehen von der grünen Farbe seines Leibrockes, in demselben Geschmack gekleidet. Aber er war dünner und beweglicher als sein alter Freund und besaß kleine, flinke, grünliche Augen und eine lange, spitze Nase.
 
»Besten Dank«, sagte er, nachdem er den Herren die Hände geschüttelt und vor den Damen – im besonderen vor der Konsulin, die er außerordentlich verehrte – ein paar seiner ausgesuchtesten compliments vollführt hatte, compliments, wie die neue Generation sie schlechterdings nicht mehr zustande brachte, und die von einem angenehm stillen und verbindlichen Lächeln begleitet waren. »Besten Dank für die freundliche Einladung, meine Hochverehrten. Diese beiden jungen Leute«, und er wies auf Tom und Christian, die in blauen Kitteln mit Ledergürteln bei ihm standen, »haben wir in der Königstraße getroffen, der Doktor und ich, als sie von ihren Studien kamen. Prächtige Bursche – Frau Konsulin? Thomas, das ist ein solider und ernster Kopf; er muß Kaufmann werden, darüber besteht kein Zweifel. Christian dagegen scheint mir ein wenig Tausendsassa zu sein, wie? ein wenig Incroyable … Allein ich verhehle nicht mein engouement. Er wird studieren, dünkt mich; er ist witzig und brillant veranlagt …«
 
Herr Buddenbrook bediente sich seiner goldenen Tabaksdose.
 
»'n Aap is hei! Soll er nicht gleich Dichter werden, Hoffstede?«
 
Mamsell Jungmann steckte die Fenstervorhänge übereinander, und bald lag das Zimmer in dem etwas unruhigen, aber diskreten und angenehmen Licht der Kerzen des Kristallkronleuchters und der Armleuchter, die auf dem Sekretär standen.
 
»Nun, Christian«, sagte die Konsulin, deren Haar goldig aufleuchtete, »was hast du heute nachmittag gelernt?« Und es ergab sich, daß Christian Schreiben, Rechnen und Singen gehabt hatte.
 
Er war ein Bürschchen von sieben Jahren, das schon jetzt in beinahe lächerlicher Weise seinem Vater ähnlich war. Es waren die gleichen, ziemlich kleinen, runden und tiefliegenden Augen, die gleiche stark hervorspringende und gebogene Nase war schon erkenntlich, und unterhalb der Wangenknochen deuteten bereits ein paar Linien darauf hin, daß die Gesichtsform nicht immer die jetzige kindliche Fülle behalten werde.
 
»Wir haben furchtbar gelacht«, fing er an zu plappern, während seine Augen im Zimmer von einem zum anderen gingen. »Paßt mal auf, was Herr Stengel zu Siegmund Köstermann gesagt hat.« Er beugte sich vor, schüttelte den Kopf und redete eindringlich in die Luft hinein: »Äußerlich, mein gutes Kind, äußerlich bist du glatt und geleckt, ja, aber innerlich, mein gutes Kind, da bist du schwarz …« Und dies sagte er unter Weglassung des »r« und indem er »schwarz« wie »swärz« aussprach – mit einem Gesicht, in dem sich der Unwille über diese »äußeliche« Glätte und Gelecktheit mit einer so überzeugenden Komik malte, daß alles in Gelächter ausbrach.
 
»'n Aap is hei!« wiederholte der alte Buddenbrook kichernd. Herr Hoffstede aber war außer sich vor Entzücken.
 
»Charmant!« rief er. »Unübertrefflich! Man muß Marcellus Stengel kennen! Akkurat so! Nein, das ist gar zu köstlich!«
 
Thomas, dem solche Begabung abging, stand neben seinem jüngeren Bruder und lachte neidlos und herzlich. Seine Zähne waren nicht besonders schön, sondern klein und gelblich. Aber seine Nase war auffallend fein geschnitten, und er ähnelte in den Augen und in der Gesichtsform stark seinem Großvater.
 
Man hatte zum Teil auf den Stühlen und dem Sofa Platz genommen, man plauderte mit den Kindern, sprach über die frühe Kälte, das Haus … Herr Hoffstede bewunderte am Sekretär ein prachtvolles Tintenfaß aus Sevres-Porzellan in Gestalt eines schwarzgefleckten Jagdhundes. Doktor Grabow aber, ein Mann vom Alter des Konsuls, zwischen dessen spärlichem Backenbart ein langes, gutes und mildes Gesicht lächelte, betrachtete die Kuchen, Korinthenbrote und verschiedenartigen gefüllten Salzfäßchen, die auf dem Tische zur Schau gestellt waren. Es war das »Salz und Brot«, das der Familie von Verwandten und Freunden zum Wohnungswechsel übersandt worden war. Da man aber sehen sollte, daß die Gabe nicht aus geringen Häusern komme, bestand das Brot in süßem, gewürztem und schwerem Gebäck und war das Salz von massivem Golde umschlossen.
 
»Ich werde wohl zu tun bekommen«, sagte der Doktor, indem er auf die Süßigkeiten wies und den Kindern drohte. Dann hob er mit wiegendem Kopf ein gediegenes Gerät für Salz, Pfeffer und Senf empor.
 
»Von Lebrecht Kröger«, sagte M. Buddenbrook schmunzelnd. »Immer koulant, mein lieber Herr Verwandter. Ich habe ihm dergleichen nicht spendiert, als er sich sein Gartenhaus vorm Burgtor gebaut hatte. Aber so war er immer … nobel! spendabel! ein à la mode-Kavalier …«
 
Mehrmals hatte die Glocke durchs ganze Haus gegellt. Pastor Wunderlich langte an, ein untersetzter alter Herr in langem, schwarzem Rock, mit gepudertem Haar und einem weißen, behaglich lustigen Gesicht, in dem ein Paar grauer, munterer Augen blinzelten. Er war seit vielen Jahren Witwer und rechnete sich zu den Junggesellen aus der alten Zeit, wie der lange Makler, Herr Grätjens, der mit ihm kam und beständig eine seiner hageren Hände nach Art eines Fernrohrs zusammengerollt vors Auge hielt, als prüfe er ein Gemälde; er war ein allgemein anerkannter Kunstkenner.
 
Auch Senator Doktor Langhals nebst Frau kamen an, langjährige Freunde des Hauses, – nicht zu vergessen den Weinhändler Köppen mit dem großen, dunkelroten Gesicht, das zwischen den hochgepolsterten Ärmeln saß, und seine gleichfalls so sehr beleibte Gattin …
 
Es war schon nach halb fünf Uhr, als schließlich die Krögers eintrafen, die Alten sowohl wie ihre Kinder, Konsul Krögers mit ihren Söhnen Jakob und Jürgen, die im Alter von Tom und Christian standen. Und fast gleichzeitig mit ihnen kamen auch die Eltern der Konsulin Kröger, Holzgroßhändler Oeverdieck nebst Frau, ein altes, zärtliches Ehepaar, das sich vor aller Ohren mit den bräutlichsten Kosenamen zu benennen pflegte.
 
»Feine Leute kommen spät«, sagte Konsul Buddenbrook und küßte seiner Schwiegermutter die Hand.
 
»Öwer denn ook gliek düchtig!« und Johann Buddenbrook machte eine weite Armbewegung über die Krögersche Verwandtschaft hin, indem er dem Alten die Hand schüttelte …
 
Lebrecht Kröger, der à la mode-Kavalier, eine große, distinguierte Erscheinung, trug noch leicht gepudertes Haar, war aber modisch gekleidet. An seiner Sammetweste blitzten zwei Reihen von Edelsteinknöpfen. Justus, sein Sohn, mit kleinem Backenbart und spitz emporgedrehtem Schnurrbart, ähnelte, was Figur und Benehmen anbetraf, stark seinem Vater; auch über die nämlichen runden und eleganten Handbewegungen verfügte er.
 
Man setzte sich gar nicht erst, sondern stand, in Erwartung der Hauptsache, in einem vorläufigen und nachlässigen Gespräch beieinander. Und Johann Buddenbrook, der Ältere, bot auch schon Madame Köppen seinen Arm, indem er mit vernehmlicher Stimme sagte:
 
»Na, wenn wir alle Appetit haben, mesdames et messieurs …«
 
Mamsell Jungmann und das Folgmädchen hatten die weiße Flügeltür zum Speisesaal geöffnet, und langsam, in zuversichtlicher Gemächlichkeit, bewegte sich die Gesellschaft hinüber; man konnte eines nahrhaften Bissens gewärtig sein bei Buddenbrooks … 

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