Warum, dachte ich ferner, sollt' es aber einem geistreichen Kater, ist er auch Dichter, Schriftsteller, Künstler, nicht gelingen können, sich zu jener Erkenntnis der höhern Kultur in ihrer ganzen Bedeutsamkeit hinaufzuschwingen und sie selbst zu üben mit aller Schönheit und Anmut der äußern Erscheinung? — Hat denn die Natur dem Geschlecht der Hunde allein den Vorzug jener Kultur gegönnt? Sind wir Kater, was Tracht, Lebensweise, Art und Gewohnheit betrifft, auch etwas von dem stolzen Geschlecht verschieden, so haben wir doch ebensogut Fleisch und Blut, Körper und Geist, und am Ende können es die Hunde auch gar nicht anders anfangen als wir, ihr Leben fortzusetzen. Auch Hunde müssen essen, trinken, schlafen u. s. w. und es tut ihnen weh, wenn sie geprügelt werden. — Was weiter! — ich beschloß mich dem Unterricht meines jungen vornehmen Freundes, des Pudels Ponto hinzugeben, und ganz mit mir einig, begab ich mich zurück in meines Meisters Zimmer; ein Blick in den Spiegel überzeugte mich, daß der bloße ernste Wille nach höherer Kultur zu streben schon vorteilhaft auf meine äußere Haltung gewirkt. — Ich betrachtete mich mit dem innigsten Wohlgefallen. — Gibt es einen behaglichern Zustand, als wenn man mit sich selbst ganz zufrieden ist? — Ich spann! —
Andern Tages begnügte ich mich nicht damit, vor der Türe zu sitzen, ich lustwandelte die Straße herab, da erblickte ich in der Ferne den Herrn Baron Alcibiades von Wipp, und hinter ihm her sprang mein munterer Freund Ponto. Gelegeners konnte mir nichts kommen; ich nahm mich soviel wie möglich in Anstand und Würde zusammen und näherte mich dem Freunde mit jener unnachahmlichen Grazie, die, unschätzbares Geschenk der gütigen Natur, keine Kunst zu lehren vermag. — Doch! — entsetzlich! Was mußte geschehen! — Sowie mich der Baron gewahrte, blieb er stehen und betrachtete mich sehr aufmerksam durch die Lorgnette, dann rief er aber: Allons — Ponto! Huß — Huß! — Katz! Katz! — Und Ponto, der falsche Freund sprang in voller Furie auf mich los! — Entsetzt, aus aller Fassung gebracht durch den schändlichen Verrat, war ich keines Widerstandes fähig, sondern duckte mich so tief nieder als ich konnte, um Pontos scharfen Zähnen zu entgehen, die er mir knurrend zeigte. Ponto sprang aber mehrmals über mich hinweg ohne mich zu fassen, und flüsterte mir in die Ohren: Murr! Sei doch kein Tor und fürchte dich etwa! — du siehst ja, daß es kein Ernst ist, ich tue das nur meinem Herrn zu 343Gefallen! Nun wiederholte Ponto seine Sprünge und tat sogar, als packe er mich bei den Ohren, ohne mir indessen im mindesten wehe zu tun. Jetzt, raunte mir Ponto endlich zu, jetzt trolle dich ab, Freund Murr! dort hinein ins Kellerloch! — Ich ließ mir das nicht zweimal sagen sondern fuhr schnell davon, wie der Blitz. — Unerachtet der Versicherung Ponto's, mir keinen Schaden zuzufügen, war mir doch nicht wenig bange, denn wissen kann man in solchen kritischen Fällen immer nicht recht, ob die Freundschaft stark genug sein wird, das angeborne Naturell zu besiegen. —
Als ich hinein gehuscht war in den Keller, spielte Ponto die Komödie, die er seinem Herrn zu Ehren begonnen, weiter fort. Er knurrte und bellte nämlich vor dem Kellerfenster, steckte die Schnauze durch das Gitter, tat, als sei er ganz außer sich darüber, daß ich ihm entwischt sei und er mich nun nicht verfolgen könne. Siehst du, sprach aber Ponto zu mir in den Keller hinein, siehst du, erkennst du nun aufs neue die ersprießlichen Folgen der höhern Kultur? — In dem Augenblick habe ich mich gegen meinen Herrn artig, folgsam bewiesen, ohne mir deine Feindschaft zuzuziehen, guter Murr. So macht es der wahre Weltmann, den das Schicksal bestimmt hat, Werkzeug in der Hand eines Mächtigeren zu sein. Angehetzt muß er losfahren aber dabei so viel Geschick beweisen, daß er nur dann wirklich beißt, wenn es gerade auch in seinen eignen Kram taugt. — In aller Schnelle eröffnete ich meinem jungen Freunde Ponto, wie ich gesonnen sei etwas von seiner höhern Kultur zu profitieren und fragte, ob und auf welche Weise er mich vielleicht in die Lehre nehmen könne. — Ponto sann einige Minuten nach und meinte dann, am besten sei es, wenn mir gleich anfangs ein lebendiges deutliches Bild der höheren Welt aufgehe, in der er jetzt zu leben das Vergnügen habe, und dies könne nicht besser geschehen, als wenn ich ihn heute abend zur niedlichen Badine begleite, die gerade während der Theaterzeit Gesellschaft bei sich sähe. — Badine war aber Windspiel in Diensten der fürstlichen Oberhofmeisterin. —