Ach, rief Julia schmerzlich, ach Johannes! — er kehrt zurück, nicht wahr, Meister? ich werde ihn wiedersehen!
Gewiß, erwiderte der Meister und legte den Finger auf den Mund; Julia verstand ihn. —
Der Prinz mühte sich, unbefangen zu scheinen; er erzählte, daß der Mann, den man hier, wie er vernehme, Meister Abraham nenne, vor mehreren Jahren in Neapel Zeuge einer sehr tragischen Begebenheit gewesen sei, in die er, der Prinz, selbst verflochten, wie er gestehen müsse. — Diese Begebenheit zu erzählen sei jetzt nicht an der Zeit, doch wolle er künftig nicht damit zurückhalten. —
Der Sturm im Innern war zu heftig, als daß sein Tosen nicht auf der Oberfläche hätte sichtbar sein sollen, und so stimmte des Prinzen verstörtes Antlitz, dem jeder Blutstropfen entschwunden schien, sehr schlecht überein mit dem gleichgültigen Gespräch, zu dem er sich nun zwang, um nur über den kritischen Moment hinwegzukommen. Besser als dem Prinzen gelang es der Prinzessin, die Spannung des Augenblicks zu besiegen. Mit der Ironie, die selbst den Argwohn, die Verbittrung verflüchtigt zum feinsten Hohn, neckte Hedwiga den Prinzen umher in dem Labyrinth seiner eignen Gedanken. Er, der gewandteste Weltmann, noch mehr, ausgerüstet mit allen Waffen einer Ruchlosigkeit, die alles Wahrhafte, jede Gestaltung des Lebens vernichtet, vermochte nicht diesem seltsamen Wesen zu widerstehen. Je lebhafter Hedwiga sprach, je feuriger und zündender die Blitze des geistreichen Spottes einschlugen, desto verwirrter, beängstigter schien sich der Prinz zu fühlen, bis dies Gefühl zum Unerträglichen stieg und er sich schnell entfernte.
Dem Fürsten geschah das, was ihm bei solchen Anstößen jedesmal zu geschehen pflegte; er wußte gar nicht, was er von dem allen denken sollte. Er begnügte sich mit einigen französischen Brocken ohne sonderliche Bedeutung, die er dem Prinzen zuwarf und die dieser mit ebensolchen erwiderte.
Der Prinz war schon zur Türe heraus, als Hedwiga plötzlich, im ganzen Wesen verändert zum Fußboden niederstarrte und mit einem seltsamen das Herz durchschneidenden Ton laut rief: Ich sehe die blutige Spur des Mörders! — Dann schien sie aus dem Traum zu erwachen, drückte Julien stürmisch an ihre Brust und lispelte ihr zu: Kind, mein armes Kind, laß Dich nicht betören!
Geheimnisse, Einbildungen, Albernheiten, Romanenstreiche, sprach der Fürst verdrießlich. Ma foi, ich kenne meinen Hof nicht mehr! 337Meister Abraham! Ihr bringt meine Uhren in Ordnung, wenn sie nicht richtig gehen; ich wollt', Ihr könntet hier nachsehen, was für Schaden das Räderwerk genommen, das sonst niemals stockte. — Doch was ist das mit dem Severino?
Unter diesem Namen, erwiderte der Meister, ließ ich in Neapel meine optische und mechanische Kunststücke sehen.
So — so, sprach der Fürst, sah den Meister starr an, als schwebe ihm eine Frage auf den Lippen, drehte sich aber dann schnell um und verließ schweigend das Zimmer. —
Man hatte geglaubt, die Benzon befinde sich bei der Fürstin, dem war aber nicht so; sie hatte sich in ihre Wohnung begeben.
Julia sehnte sich nach der freien Luft; der Meister führte sie in den Park und lustwandelnd durch die halbentlaubten Gänge sprachen sie von Kreisler und seinem Aufenthalt in der Abtei. Sie waren an das Fischerhäuschen gekommen. Julia trat hinein, um sich zu erholen; Kreislers Brief lag auf dem Tisch; der Meister meinte, es sei gar nichts darin, das Julia Scheu tragen dürfe zu erfahren.
Während Julia den Brief gelesen, hatten sich ihre Wangen höher gefärbt, und sanftes Feuer, Abglanz des erheiterten Gemüts, strahlte aus ihren Augen.
Siehst du wohl, mein liebes Kind, sprach der Meister freundlich, wie der gute Geist meines Johannes auch aus der Ferne tröstend zu Dir spricht? Was hast Du von bedrohlichen Anschlägen zu fürchten, wenn Standhaftigkeit, Liebe und Mut Dich schützen vor den Bösen, die Dir nachstellen.
Barmherziger Himmel, rief Julia mit emporgerichtetem Blick, schütze mich nur vor mir selber! Sie erbebte wie im jähen Schreck über die Worte, die sie willenlos ausgestoßen. Halb ohnmächtig sank sie in den Sessel und bedeckte mit beiden Händen ihr glühendes Antlitz.
Ich verstehe dich nicht Mädchen, sprach der Meister, du verstehst Dich vielleicht selbst nicht und darum magst Du Dein eignes Inneres recht auf den Grund erforschen und Dir nichts etwa verschweigen aus weichlicher Schonung. —