Es kostete den Großvezier nicht viel Mühe, die Gewährung seines Gesuchs zu erlangen. Der Sultan, der bereits diesen[60] Entschluß gefaßt hatte, gab augenblicklich Befehl, die Lustbarkeiten im Palaste und in der Stadt, sowie im ganzen Gebiete seines Königreichs, wohin er Gegenbefehle abfertigte, einzustellen, und in kurzer Zeit hörten alle öffentlichen Freudenbezeigungen und Festlichkeiten auf.
Diese plötzliche und unerwartete Veränderung gab zu allerlei Gerede Anlaß. Die Leute fragten sich, woher es wohl kommen möge, aber niemand wußte mehr zu sagen, als daß man den Großvezier und seinen Sohn, beide sehr traurig, aus dem Palaste in ihr eigenes Haus habe gehen sehen. Alaeddin allein wußte das Geheimnis und freute sich in seinem Innern gar sehr über den glücklichen Erfolg, den ihm seine Lampe verschaffte. Da er jetzt mit Bestimmtheit wußte, daß sein Nebenbuhler den Palast verlassen hatte und die Ehe zwischen der Prinzessin und ihm vollständig aufgelöst war, so hatte er nicht mehr nötig, die Lampe zu reiben und den Geist zu rufen. Das Merkwürdigste bei der Sache war, daß weder der Sultan, noch der Großvezier, die Alaeddin und seinen Antrag längst vergessen hatten, auch nur entfernt auf den Gedanken kamen, daß er an der Zauberei irgend Anteil haben könnte.
Alaeddin ließ indes die drei Monate vollends verstreichen, die der Sultan als Frist für seine Vermählung mit der Prinzessin Bedrulbudur festgesetzt hatte. Er hatte sorgfältig jeden Tag gezählt, und als sie vorüber waren, schickte er gleich am andern Morgen seine Mutter in den Palast, um den Sultan an sein Wort zu erinnern.
Alaeddins Mutter ging nach dem Palaste, wie ihr Sohn ihr gesagt hatte, und stellte sich am Eingang des Divans wieder an denselben Platz wie früher. Kaum hatte der Sultan einen Blick auf sie geworfen, so erkannte er sie auch wieder und erinnerte sich an ihre Bitte, sowie an die Zeit, auf die er sie vertröstet hatte. Der Großvezier trug ihm eben eine Sache vor. Der Sultan unterbrach ihn mit den Worten: »Vezier, ich bemerke dort die gute Frau, die uns vor einigen Monaten ein so schönes Geschenk machte: laß sie hierher treten, du magst deinen Bericht fortsetzen, wenn ich sie angehört habe.«
[65]Alaeddins Mutter näherte sich dem Fuße des Thrones und warf sich der Sitte gemäß nieder. Als sie wieder aufgestanden war, fragte sie der Sultan, was sie wünsche. »Großer König,« antwortete sie, »ich erscheine zum zweitenmal vor deinem Angesicht, um dir im Namen meines Sohnes Alaeddin vorzustellen, daß die drei Monate verstrichen sind, auf welche du ihn mit der Bitte, die ich dir vorzutragen die Ehre hatte, vertröstet hast. Ich bitte demütiglich, daß du dich der Sache erinnern mögest.«
Der Sultan hatte diese Frist von drei Monaten das erstemal nur deshalb angesetzt, weil er glaubte, es werde dann keine Rede mehr von einer Heirat sein, die ihm für die Prinzessin, seine Tochter, durchaus nicht angemessen schien, in Anbetracht des niedrigen Standes und der Armut von Alaeddins Mutter, welche in einem sehr gemeinen Aufzuge vor ihm erschien. Diese Mahnung an sein Versprechen setzte ihn jetzt in Verlegenheit. Um sich in der Sache nicht zu übereilen, zog er seinen Großvezier zu Rate und bezeigte ihm seine Abneigung, die Prinzessin mit einem Unbekannten zu vermählen, der offenbar von ganz niedriger Abkunft sein mußte.
Der Großvezier zögerte nicht, dem Sultan seine Gedanken hierüber zu sagen. »Herr,« antwortete er ihm, »mir scheint, daß es ein unfehlbares Mittel gibt, diese unpassende Heirat zu hintertreiben, ohne daß Alaeddin sich darob beklagen könnte. Du darfst nur einen so hohen Preis für die Prinzessin festsetzen, daß seine Reichtümer, wenn sie auch noch so groß sind, nicht zureichen. Auf diese Art wirst du ihn von seiner kühnen, ja ich möchte sagen, verwegenen Bewerbung abbringen.«
Der Sultan billigte den Rat des Großveziers. Er wandte sich zu Alaeddins Mutter und sagte nach einigem Nachdenken zu ihr: »Gute Frau, ein Sultan muß immer sein gegebenes Wort halten, und ich bin bereit, mein Versprechen zu erfüllen und deinen Sohn mit der Hand meiner Tochter zu beglücken. Da ich sie aber nicht vermählen kann, ohne zu wissen, welche Vorteile sie sich davon versprechen darf, so melde deinem Sohne, ich werde mein Versprechen erfüllen, sobald er mir vierzig große Becken von gediegenem Gold, von oben bis unten mit dergleichen Kostbarkeiten, wie du mir schon einmal in seinem Namen gebracht hast, angefüllt, durch vierzig schwarze Sklaven zuschickt, die von vierzig andern ausnehmend schönen und aufs prachtvollste gekleideten jungen weißen Sklaven geführt sein müssen.[66] Dies sind die Bedingungen, unter denen ich bereit bin, ihm die Prinzessin, meine Tochter, zu geben. Geh nun, gute Frau, und bring mir bald wieder Antwort.«
Alaeddins Mutter warf sich abermals vor dem Throne des Sultans nieder und entfernte sich. Unterwegs lachte sie in ihrem Herzen über das närrische Verlangen ihres Sohnes. »Wahrhaftig,« sagte sie, »wo soll er so viele goldene Becken und eine solche Menge farbiger Gläser hernehmen, um sie damit zu füllen? Wird er wieder in das unterirdische Gewölbe hinabsteigen, dessen Eingang verschlossen ist, um sie von den Bäumen zu pflücken? und woher soll er alle diese hübschen Sklaven bekommen, die der Sultan verlangt? Jetzt ist er freilich weit von seinem Ziele entfernt, und ich glaube nicht, daß er mit meiner Botschaft zufrieden sein wird.« Als sie mit diesen Gedanken beschäftigt nach Hause kam, sagte sie: »Mein Sohn, ich rate dir, denke nicht mehr an eine Vermählung mit der Prinzessin Bedrulbudur. Der Sultan hat mich zwar sehr huldreich empfangen und ich glaube, daß er gut gegen dich gesinnt war, allein der Großvezier hat ihn, wenn ich mich nicht täusche, auf andere Gedanken gebracht. Nachdem ich dem Sultan vorgestellt hatte, daß die drei Monate abgelaufen seien, bemerkte ich, daß er eine Weile ganz leise mit dem Großvezier sprach, und dann erst gab er mir die Antwort, die ich dir jetzt sagen werde.« Sie erzählte nun ihrem Sohne sehr ausführlich alles, was der Sultan ihr gesagt hatte, und nannte ihm die Bedingungen, unter denen er in die Verbindung der Prinzessin, seiner Tochter, mit ihm einwilligen würde. »Mein Sohn,« sagte sie zuletzt, »er erwartet eine Antwort; aber unter uns gesagt,« fuhr sie lächelnd fort, »ich glaube, er wird lange warten müssen.«
»Nicht so lange, liebe Mutter, als du glaubst,« antwortete Alaeddin, »und der Sultan ist gewaltig im Irrtum, wenn er meint, durch seine ungeheuren Forderungen könne er mich außerstand setzen, an die Prinzessin Bedrulbudur zu denken. Ich hatte ganz andere unüberwindliche Schwierigkeiten erwartet, oder wenigstens einen weit höheren Preis für meine unvergleichliche Prinzessin. Jetzt aber bin ich wohl zufrieden, denn was er verlangt, ist eine Kleinigkeit gegen das, was ich ihm für ihren Besitz bieten könnte. Während ich nun darauf denken werde,[67] ihn zu befriedigen, besorge du ein Mittagessen für uns und laß nur mich gewähren.«
Sobald seine Mutter nach Lebensmitteln ausgegangen war, nahm Alaeddin die Lampe und rieb sie. Sogleich erschien der Geist, fragte in den gewöhnlichen Ausdrücken, was er zu befehlen habe, und sagte, daß er bereit sei, ihn zu bedienen. Alaeddin sprach zu ihm: »Der Sultan gibt mir die Prinzessin, seine Tochter, zur Frau; zuvor aber verlangt er von mir vierzig große und vollwichtige Becken von gediegenem Gold, bis zum Rande angefüllt mit den Früchten des Gartens, wo ich die Lampe geholt habe, deren Sklave du bist. Ferner verlangt er, daß diese vierzig goldenen Becken von ebensovielen schwarzen Sklaven getragen werden sollen, vor denen vierzig wohlgebildete, schlanke und prachtvoll gekleidete junge weiße Sklaven hergehen müssen. Gehe und schaffe mir baldmöglichst dieses Geschenk zur Stelle, damit ich es dem Sultan schicken kann, ehe er die Sitzung des Divans aufhebt.« Der Geist sagte, sein Befehl solle unverzüglich vollzogen werden, und verschwand.
Eine kleine Weile darauf ließ der Geist sich wieder sehen, begleitet von vierzig schwarzen Sklaven, deren jeder ein schweres Becken von gediegenem Gold, angefüllt mit Perlen, Diamanten, Rubinen und Smaragden, welche die dem Sultan bereits geschenkten an Größe und Schönheit weit übertrafen, auf dem Kopfe trug. Jedes der Becken war mit goldgeblümtem Silberstoff überdeckt. Diese Sklaven, sowohl die weißen als die schwarzen mit den goldenen Becken, erfüllten fast das ganze Haus, das ziemlich klein war, nebst dem kleinen Hofe vor und einem Gärtchen hinter demselben. Der Geist fragte Alaeddin, ob er zufrieden sei, und ob er ihm sonst noch etwas zu befehlen habe. Alaeddin antwortete, er verlange nichts mehr, und der Geist verschwand.
Als Alaeddins Mutter vom Markte zurückkam, verwunderte sie sich höchlich, da sie so viele Leute und Kostbarkeiten sah. Nachdem sie die Nahrungsmittel auf den Tisch gelegt hatte, wollte sie den Schleier, der ihr Gesicht verhüllte, ablegen, aber Alaeddin ließ es nicht zu. »Liebe Mutter,« sprach er zu ihr, »wir haben jetzt keine Zeit zu verlieren. Es ist von großer Wichtigkeit, daß du, noch ehe der Sultan den Divan schließt,[68] in den Palast zurückkehrst und das verlangte Geschenk nebst der Morgengabe für die Prinzessin Bedrulbudur hinbringst, damit er aus meiner Eile und Pünktlichkeit das brennende und aufrichtige Verlangen ermessen kann, womit ich nach der Ehre trachte, sein Schwiegersohn zu werden.«
Ohne die Antwort seiner Mutter abzuwarten, öffnete Alaeddin die Türe nach der Straße und ließ alle seine Sklaven paarweise, immer einen weißen mit einem schwarzen zusammen, hinaus. Als nun seine Mutter hinter dem letzten Sklaven her ebenfalls draußen war, verschloß er die Türe und blieb ruhig auf seinem Zimmer, in der süßen Hoffnung, der Sultan werde ihm endlich nach diesem Geschenke, das er selbst gefordert hatte, seine Tochter geben. Kaum war der erste weiße Sklave vor Alaeddins Hause, als alle Vorübergehenden, die ihn bemerkten, stehen blieben, und ehe noch die achtzig Sklaven, die weißen und schwarzen untereinander, draußen waren, wimmelte die Straße von einer Masse Volks, das von allen Seiten herbeiströmte, um dieses prachtvolle und außerordentliche Schauspiel anzusehen. Die Kleidung der Sklaven bestand aus so kostbaren Stoffen, und war so reich mit Edelsteinen geschmückt, daß die besten Kenner nicht zuviel zu sagen glaubten, wenn sie jeden Anzug auf mehr als eine Million schätzten. Die Schönheit und der gute Sitz der Kleider, der edle Anstand, der ebenmäßige und stattliche Wuchs der Sklaven, ihr feierlicher Zug in gleichmäßig abgemessenen Zwischenräumen, der Glanz der außerordentlich großen Edelsteine, die in schönster Anordnung rings um ihre Gürtel in echtes Gold gefaßt, und die Rosen an ihren Turbanen, die ebenfalls aus Edelsteinen zusammengesetzt und ganz besonders geschmackvoll gearbeitet waren, dies alles versetzte die Zuschauer in so große Verwunderung, daß sie nicht müde wurden, sie zu betrachten. Die Straßen waren so mit Menschen angefüllt, daß jeder an dem Platze, wo er war, stehen bleiben mußte.
Da man durch mehrere Straßen gehen mußte, um zu dem Palaste zu gelangen, so konnte ein großer Teil der Stadt und Leute aus allen Klassen und Ständen den prachtvollen Aufzug sehen. Endlich langte der erste von den achtzig Sklaven an der Pforte des ersten Schloßhofes an. Die Pförtner, die sich bei Annäherung dieses wundervollen Zuges in zwei Reihen aufgestellt[69] hatten, hielten ihn für einen König, so reich und prachtvoll war er gekleidet, und näherten sich ihm, um den Saum seines Kleides zu küssen. Der Sklave aber, den der Geist vorher seine Rolle gelehrt hatte, gab es nicht zu und sagte feierlich zu ihm: »Wir sind bloß Sklaven; unser Herr wird erscheinen, sobald es Zeit ist.«
So kam der erste Sklave an der Spitze des ganzen Zugs in den zweiten Hof, der sehr geräumig war und wo sich der Hofstaat des Sultans während der Sitzung des Divans aufgestellt hatte. Die Anführer jeder einzelnen Truppe waren zwar prachtvoll gekleidet, wurden aber weit verdunkelt, als die achtzig Sklaven erschienen, die Alaeddins Geschenk brachten. Im ganzen Hofstaate des Sultans gab es nichts so Herrliches und Glänzendes, und alle Pracht der ihn umgebenden Herren von Hofe war Staub im Vergleich mit dem, was sich jetzt seinen Blicken darbot. Da man dem Sultan den Zug und die Ankunft dieser Sklaven gemeldet, hatte er Befehl gegeben, sie eintreten zu lassen. Nachdem sie vor dem Throne des Sultans einen großen Halbkreis gebildet hatten, stellten die schwarzen Sklaven die Becken auf den Fußteppich, dann warfen sie sich alle miteinander nieder und berührten den Teppich mit ihrer Stirne. Die weißen Sklaven taten dasselbe. Hierauf standen alle wieder auf, und die schwarzen enthüllten dabei sehr geschickt die vor ihnen stehenden Becken, worauf sie mit gekreuzten Armen und großer Ehrerbietung stehen blieben.