Wie gesagt, begann der Leibjäger, als ich gestern Fräulein Julien vorleuchtete, schlüpfte derselbe Mensch, der hier schon längst herumschleicht, bei uns vorüber. Halt, dacht ich in meinem Sinn, den Urian wirst du doch ertappen, und löschte, als ich das liebe Fräulein bis oben hinaufgebracht, meine Fackel aus und stellte mich ins Dunkel. Nicht lange dauerte es, so kam derselbe Mensch aus dem Gebüsch hervor und klopfte leise an das Haus. Behutsam schlich ich einher. Da wurde das Haus geöffnet und ein Mädchen trat heraus und mit diesem Mädchen schlüpfte der Fremde hinein. Es war die Nanni, Sie kennen sie doch, durchlauchtigster Herr, der Frau Rätin schöne Nanni?
Coquin, rief der Fürst, mit hohen gekrönten Häuptern spricht man nicht von schönen Nanni's, doch! — fahr Er fort, mon fils. — Ja die schöne Nanni, sprach der Leibjäger weiter, ich hätt' ihr solchen dummen Verkehr gar nicht zugetraut. — Also weiter nichts als eine einfältige Liebschaft, dacht ich in meinem Sinn; aber es wollte mir gar nicht in den Kopf, daß nicht noch was anders dahinter stecken sollte. Ich blieb am Hause stehen. Da kam nach einer guten Weile die Frau Rätin zurück, und kaum war sie ins Haus getreten, als oben ein Fenster geöffnet wurde und mit unglaublicher Behendigkeit der fremde Mensch hinaussprang, gerade in die schönen Nelken- und Levkojenstöcke hinein, die dort vergattert stehen und die das liebe Fräulein Julia selbst so sorglich wartet. Der Gärtner lamentiert schrecklich; er ist mit den zerbrochenen Scherben draußen und wollte bei dem durchlauchtigsten Herrn selbst Klage führen. Ich habe ihn aber nicht hereingelassen, denn der Schlingel ist angesoffen schon am frühen Morgen. Lebrecht, das scheint eine Imitation zu sein, unterbrach der Fürst den Leibjäger, denn selbiges kommt schon in der Oper von Herrn Mozart Figaro's Hochzeit geheißen, vor, die ich zu Prag geschaut. Bleib Er der Wahrheit getreu, Jäger? — Auch nicht eine Silbe rede ich anders, als ich es bekräftigen kann mit einem körperlichen Eide, sprach Lebrecht weiter. Der Kerl war hingestürzt, und ich gedachte ihn nun zu fassen; doch schnell wie der Blitz raffte der Kerl sich auf und rannte spornstreichs — wohin? was denken Sie wohl, durchlauchtigster Fürst, wohin er rannte? Ich denke nichts, erwiderte der Fürst feierlich, turbier Er mich nicht mit lästigen Fragen 325nach Gedanken, Jäger! sondern erzähle Er ruhig so lange, bis die Geschichte aus ist, dann will ich denken.
Gerade nach dem unbewohnten Pavillon rannte der Mensch, fuhr der Jäger fort. Ja — unbewohnt! Sowie er an die Türe geklopft, wurd' es inwendig hell, und wer nun heraustrat, war niemand anders als der saubere, ehrliche Herr Rupert, dem der Fremde hineinfolgte ins Haus, das er nun wieder fest verschloß. Sie sehen, durchlauchtigster Herr, daß Rupert Verkehr treibt mit fremden, gefährlichen Gästen, die bei ihrer Schleicherei gewiß Böses im Schilde führen. Wer weiß, worauf alles abzielt und es ist ja möglich, daß selbst mein durchlauchtigster Fürst hier in dem stillen ruhigen Sieghartshof von schlechten Menschen bedroht wird.