Schnell wie der Blitz sprang Ponto seinem Herrn entgegen. Das Äußere des Barons entsprach ganz dem Bilde, das ich mir wohl nach dem, was Ponto von ihm gesagt, machen durfte. — Er war sehr groß und nicht sowohl schlank gewachsen als spindeldürr. Kleidung, Stellung, Gang, Gebärde, alles konnte für den Prototypus der letzten Mode gelten, die aber, bis ins Phantastische hinausgetrieben, seinem ganzen Wesen etwas Seltsames, Abenteuerliches gab. Er trug ein kleines sehr dünnes Röhrchen mit einer stählernen Krücke in der Hand, über das er Ponto einigemal springen ließ. So herabwürdigend mir dieses auch schien, gestehen mußte ich doch, das Ponto mit der höchsten Geschicklichkeit und Stärke jetzt eine Anmut verband, die ich sonst noch niemals an ihm bemerkt. Überhaupt, wie nun der Baron mit vorgestreckter Brust, den Leib eingezogen, mit einem sonderbaren ausgespreizten Hahnentritt weiter fortwandelte und Ponto in sehr zierlichen Kurbetten bald vorwärts, bald nebenher sprang und sich nur ganz kurze, zum Teil stolze Begrüßungen vorübergehender Kameraden erlaubte, so sprach sich darin ein gewisses Etwas aus, das ohne mir deutlich zu werden, dennoch mir imponierte. — Ich ahnte, was mein Freund Ponto mit der höheren Kultur gemeint und suchte, so viel möglich, darüber ganz ins klare zu kommen. Das hielt aber sehr schwer, oder vielmehr, meine Bemühungen blieben ganz vergebens. —
Später habe ich eingesehen, daß an gewissen Dingen alle 321Probleme, alle Theorien, die sich in dem Geiste bilden mögen, scheitern und daß nur durch die lebendige Praxis die Erkenntnis zu erringen; die höhere Kultur, welche beide, der Baron Alcibiades von Wipp und der Pudel Ponto in der feinen Welt erlangt, gehört aber zu diesen gewissen Dingen. —
Der Baron Alcibiades von Wipp lorgnettierte mich im Vorübergehen sehr scharf. Es schien mir, als läs' ich Neugierde und Zorn in seinem Blick. Sollte er vielleicht Ponto's Unterhaltung mit mir gewahrt und ungnädig vermerkt haben? Mir wurde etwas ängstlich zumute, ich eilte schnell die Treppe hinauf. —
Ich sollte nun, um alle Pflichten eines tüchtigen Selbstbiographen zu erfüllen, wiederum meinen Seelenzustand beschreiben und könnte das nicht besser tun, als mittels einiger sublimer Verse, die ich seit einiger Zeit so recht, wie man zu sagen pflegt, aus dem Pelzärmel schüttle. Ich will —
(Mak. Bl.) — — mit diesem einfältigen armseligen Spielwerk den besten Teil meines Lebens vergeudet. — Und nun jammerst du alter Tor und klagst das Geschick an, dem du vermessen Trotz botest! — Was gingen dich die vornehmen Leute, was ging dich die ganze Welt an, die du verhöhntest, weil du sie für närrisch hieltest, und selbst am närrischsten warst! — Beim Handwerk, beim Handwerk mußtest du bleiben, Orgeln bauen und nicht den Hexenmeister spielen und den Wahrsager. — Sie hätten sie mir nicht gestohlen, mein Weib wäre bei mir, ein tüchtiger Arbeiter säß' ich in der Werkstatt und rüstige Gesellen klopften und hämmerten um mich her, und wir förderten Werke, die sich hören und sehen ließen, wie keine andere weit und breit. — Und Chiara! — vielleicht hingen muntre Knaben mir am Halse, vielleicht schaukelte ich ein schmuckes Töchterlein auf den Knien. — Tausend Teufel, was hält mich ab, daß ich nicht den Augenblick davonrenne und das verlorene Weib suche in der ganzen weiten Welt! — Damit warf Meister Abraham, der dies Selbstgespräch gehalten, das kleine begonnene Automat sowie alles Handwerkszeug unter den Tisch, sprang auf, und schritt heftig hin und her. — Der Gedanke an Chiara, der ihn jetzt beinahe niemals verließ, rief alle schmerzliche Wehmut in seinem Innern hervor, und wie mit Chiara damals sein höheres Leben begonnen, verließ ihn auch jetzt jener trotzige, dem Gemeinen entsprossene Unwille darüber, daß er über sein Handwerk hinweggeschaut und wirkliche Kunst zu üben sich unterfangen. — Er schlug Severino's Buch auf und schaute lange 322die holde Chiara an. Wie ein Mondsüchtiger, der der äußeren Sinne beraubt nur nach dem innern Gedanken automatisch handelt, ging Meister Abraham dann zu einem Kasten, der in einem Winkel des Zimmers stand, räumte Bücher und Sachen, womit er bepackt, herunter, öffnete ihn, nahm die Glaskugel, den ganzen Apparat zum geheimnisvollen Experiment mit dem unsichtbaren Mädchen hervor, befestigte die Kugel an einer dünnen seidnen Schnur, die von der Decke herabhing, stellte im Zimmer alles so her, wie es zu dem versteckten Orakel nötig. Erst als er mit allem fertig geworden, erwachte er aus der träumerischen Betäubung und erstaunte nicht wenig darüber, was er begonnen. Ach, jammerte er dann laut, indem er ganz ermattet, ganz trostlos in den Lehnstuhl sank, ach Chiara, arme verlorne Chiara, niemals werd' ich wieder deine süße Stimme verkünden hören, was in des Menschen tiefster Brust verschlossen. Kein Trost mehr auf Erden, — keine Hoffnung als das Grab. —