Diese inneren Bedenklichkeiten mochten mein äußeres Betragen kalt 306und gezwungen erscheinen lassen, Ponto guckte mich an mit scharfem Blick. Dann brach er aus in eine helle Lache und rief: Ich merk es schon, Freund Murr! Mein Alter hat dir allerlei Böses vorgeredet von meinem Treiben, er hat mich liederlich, allen tollen Streichen und Ausschweifungen ergeben, geschildert. Sei nicht so töricht, von dem allem auch nur ein Wörtchen zu glauben. Fürs erste! Schau mich recht aufmerksam an und sage mir, was du von meiner äußern Erscheinung hältst? — Den jungen Ponto betrachtend fand ich, daß er nie so wohl genährt, so glau ausgesehen, daß nie diese Nettigkeit, diese Eleganz in seinem Anzuge, nie diese wohltuende Übereinstimmung in seinem ganzen Wesen geherrscht. Ich äußerte ihm dies unverhohlen.
Nun wohl, guter Murr, sprach Ponto, glaubst du wohl, daß ein Pudel, der sich in schlechter Gesellschaft umhertreibt, der niedrigen Ausschweifungen ergeben, der recht systematisch liederlich ist ohne eigentlichen Geschmack daran zu finden, sondern bloß aus Langeweile, wie es denn nun wirklich bei vielen Pudeln der Fall ist — glaubst du wohl, daß ein solcher Pudel so aussehen kann wie du mich findest? Du rühmst vorzüglich die Harmonie in meinem ganzen Wesen. Schon das muß dich belehren, wie sehr mein grämlicher onkel im Irrtum ist; denke, da du ein literarischer Kater bist, an jenen Lebensweisen, welcher dem, der an einem Lasterhaften vorzüglich das Unharmonische der ganzen Gestaltung rügte, erwiderte: Ist es möglich, daß das Laster Einheit haben kann? Wundere dich, Freund Murr, nicht einen Augenblick über die schwarzen Verleumdungen meines Alten. Grämlich und geizig, wie denn nun einmal alle Oheime sind, hat er deshalb seinen ganzen Zorn auf mich geworfen, weil er par honneur einige kleine Spielschulden bezahlen müssen, die ich bei einem Wurstkrämer ausgeborgt hatte, der bei sich verbotenes Spiel duldete und den Spielern oft in Cervelaten, Grützen und Lebern (zu Würsten aptiert nämlich) bedeutende Vorschüsse machte. Dann aber denkt der Alte auch noch immer an eine gewisse Periode, in der meine Lebensweise eben nicht rühmlich war, die aber längst vorüber und dem herrlichsten Anstande gewichen ist.
In dem Augenblicke kam ein kecker Pinscher des Weges, guckte mich an, als hab' er meines gleichen noch niemals gesehen, schrie mir die gröbsten Insolenzen in die Ohren und schnappte dann nach dem Schweif, den ich lang aus von mir gestreckt, welches ihm zu mißfallen schien. Sowie ich aber hochaufgerichtet mich zur Wehre setzen wollte, war Ponto auch schon auf den ungesitteten Krakeeler 307losgesprungen, hatte ihn zu Boden getreten und zwei-, dreimal überrannt, so daß er unter dem jammervollsten Lamento, den Schweif fest eingeklemmt, schnell davonfuhr wie ein abgeschossener Pfeil.
Dieser Beweis, den Ponto mir von seiner guten Gesinnung, von seiner tätigen Freundschaft gab, rührte mich ungemein und ich dachte, daß hier das: Au fond ist er ein guter Kerl! welches der onkel Skaramuz mir hatte verdächtig machen wollen, doch auf Ponto anzuwenden sei in besserm Sinne und ihn mit mehrerem Grunde entschuldigen könne, als manchen andern. Überhaupt wollt' es mich bedünken, daß der Alte gewiß zu schwarz gesehen und Ponto zwar leichtsinnige aber nie schlechte Streiche machen könne. Alles dieses äußerte ich meinem Freunde ganz unverhohlen und dankte ihm dabei dafür, daß er meine Verteidigung übernommen, in den verbindlichsten Ausdrücken.
Es freut mich, guter Murr, erwiderte Ponto, indem er, wie es seine Art war, mit muntren schalkischen Augen umherblickte, daß der pedantische Alte dich nicht irre gemacht hat, sondern daß du mein gutes Herz erkennst. — Nicht wahr, Murr, ich nahm den übermütigen Jungen tüchtig vor? — Er wird daran denken lange Zeit. Eigentlich habe ich ihm heute schon den ganzen Tag aufgepaßt, der Bengel stahl mir gestern eine Wurst und mußte dafür gezüchtigt werden. Daß dabei auch nebenher die Unbill gerächt wurde, die du von ihm erfahren, und daß ich in dieser Art dir meine Freundschaft bewähren konnte, ist mir gar nicht unlieb; ich schlug, wie man im Sprichwort zu sagen pflegt, zwei Fliegen mit einer Klappe. — Nun aber wiederum auf unser voriges Gespräch zurückzukommen! — Betrachte mich, guter Katz, noch einmal recht genau, und sage mir, ob du denn gar keine merkwürdige Veränderung in meinem Äußern wahrnimmst? —
Ich schaute meinen jungen Freund aufmerksam an und — ach der Tausend! nun erst fiel mir das silberne zierlich gearbeitete Halsband ins Auge, das er trug, und auf dem die Worte graviert waren: Baron Alcibiades von Wipp. Marschallstraße Nr. 46.
Wie Ponto, rief ich erstaunt, du hast deinen Herrn verlassen, den ästhetischen Professor und dich zu einem Baron begeben?