Die Benzon legte auf die letzten Worte einen besonderen Nachdruck, der Fürst sah schweigend vor sich nieder, und spielte mit den 271Daumen der zusammengefalteten Hände. Endlich murmelte er leise: „Angela! — noch immer keine Spur? — ganz verschwunden?“
So ist es, erwiderte die Benzon, und ich fürchte, daß das unglückliche Kind das Opfer irgend einer Schändlichkeit geworden ist. Man wollte sie in Venedig gesehen haben, aber gewiß war dies ein Irrtum. — Gestehen Sie es, gnädigster Herr! es war grausam — entsetzlich, daß Sie Ihr Kind von der Brust der Mutter reißen ließen, es in ein trostloses Exil verbannten! — Diese Wunde, die mir Ihre Strenge schlug, werde ich niemals verschmerzen!
Benzon, sprach der Fürst, habe ich Ihnen, dem Kinde nicht ein ansehnliches Jahrgehalt ausgesetzt? — konnte ich mehr tun? Mußte ich nicht, blieb Angela bei uns, jeden Augenblick befürchten, daß unsre foiblesses verraten werden und auf unangenehme Weise die anständige Ruhe unseres Hofes zerstören konnten? — Sie kennen die Fürstin, gute Benzon! Sie wissen, daß sie manchmal besondere Grillen hat. —
Also Geld, nahm die Benzon das Wort, ein Jahrgehalt soll die Mutter entschädigen für allen Schmerz, für alle Trauer, für alle bittre Klage um das verlorne Kind? — In der Tat, gnädigster Herr! es gibt eine andere Art für sein Kind zu sorgen, die die Mutter besser zufriedenstellt, als alles Gold! —
Die Benzon sprach diese Worte mit einem Blick, mit einem Ton, der den Fürsten in einige Verlegenheit setzte.
Vortreffliche Frau, begann er betreten, warum diese seltsame Gedanken! — Glauben Sie denn nicht, daß mir ebenfalls das spurlose Verschwinden unserer lieben Angela sehr unangenehm, sehr fatal ist? Es muß ein artiges, schönes Mägdlein geworden sein, da es von hübschen scharmanten Eltern geboren. Aufs neue küßte der Fürst der Benzon sehr zärtlich die Hand, die sie aber schnell wegzog und mit funkelndem, durchbohrendem Blick dem Fürsten ins Ohr flüsterte: Gestehen Sie es, gnädigster Herr, Sie waren ungerecht, grausam, als Sie darauf bestanden, daß das Kind entfernt werden müsse. Ist es nicht Ihre Pflicht, den Wunsch nicht zurückzuweisen, dessen Erfüllung ich gutmütig genug, wirklich für einigen Ersatz all meines Leid's ansehen will?
Benzon, erwiderte der Fürst noch kleinlauter als zuvor, gute, herrliche Benzon, kann denn unsere Angela nicht wiedergefunden werden? Ich will Heroisches tun für Ihre Wünsche, teure Frau. Ich will mich dem Meister Abraham anvertrauen, mich mit ihm 272beraten. — Es ist ein vernünftiger erfahrner Mann; vielleicht kann er helfen.
O, unterbrach die Benzon den Fürsten, o des weisen Meisters Abraham! Glauben Sie denn, gnädigster Herr, daß Meister Abraham wirklich aufgelegt ist, für Sie etwas zu unternehmen, daß er Ihnen, Ihrem Hause getreulich anhängt? Und wie sollte er im Stande sein, etwas herauszubringen über Angela's Schicksal, nachdem in Venedig, in Florenz, alle Nachforschungen vergeblich geblieben sind und, was das Schlimmste ist, ihm jenes geheimnisvolle Mittel geraubt wurde, dessen er sich sonst bediente, um das Unbekannte zu erforschen.
Sie meinen sein Weib, die böse Zauberin Chiara, sprach der Fürst.
Sehr fraglich möchte es sein, erwiderte die Benzon, ob die vielleicht nur inspirierte, mit höheren, wunderbaren Kräften begabte Frau, diesen Namen verdient. Auf jeden Fall war es ungerecht, unmenschlich, dem Meister das geliebte Wesen zu rauben, an dem er hing mit ganzer Seele, ja, die ganz ein Teil seines Ich's war.
Benzon, rief der Fürst ganz erschrocken, Benzon, ich verstehe Sie heute nicht! — Mir schwindelts im Kopfe! Waren Sie selbst nicht dafür, daß das bedrohliche Geschöpf, vermöge dessen der Meister bald alle unsere Verhältnisse beherrschen möchte, entfernt werden möchte? Billigten Sie nicht selbst mein Schreiben an den Großherzog, in dem ich vorstellte, daß, da jede Zauberei im Lande längst verboten, Personen, die in dieser Art beeigenschaftet ihr Wesen trieben, nicht geduldet werden dürften und Sicherheits halber ein wenig eingesperrt werden müßten? Geschah es nicht aus purer Schonung gegen den Meister Abraham, daß der mysteriösen Chiara nicht der offne Prozeß gemacht, sondern daß sie in aller Stille aufgegriffen und fortgeschafft wurde, wohin weiß ich nicht einmal, da ich mich darum nicht weiter bekümmert? — Welch' ein Vorwurf kann mich hier treffen?
Verzeihung, gnädigster Herr, erwiderte die Benzon, aber es ist doch in der Tat der Vorwurf des wenigstens übereilten Verfahrens, der Sie wohl mit Recht trifft. — Aber! — erfahren Sie es gnädigster Herr! Meister Abraham ist davon unterrichtet, daß seine Chiara weggeschafft wurde auf Ihren Anlaß. Er ist still, er ist freundlich, aber glauben Sie nicht, gnädigster Herr, daß Haß und Rache brütet in seinem Innern, gegen den, der ihm sein Liebstes raubte auf Erden! Und diesem Mann wollen Sie vertrauen, wollen ihm Ihr Inneres erschließen? — Benzon, sprach der Fürst, indem er sich die Schweiß273tropfen von der Stirne wegtrocknete, Benzon! Sie alterieren mich sehr — ganz unbeschreiblich möcht' ich sagen! — Barmherziger! Kann ein Fürst so aus der Contenance gebracht werden? Muß beim Teufel — Gott ich glaube gar, ich fluche, wie ein Dragoner hier beim Tee! — Benzon! warum sprachen Sie nicht früher! — Er weiß schon alles! — Im Fischerhäuschen, gerade als ich ganz außer mir war über der Prinzessin Zustand, da floß mir das Herz, der Mund über. Ich sprach von Angela, entdeckte ihm — Benzon, schrecklich ist es! — j'étois — un — Esel! — Voilà tout! —