– Es ist gerade, als müßten wir eine Bestürmung abwehren, fuhr der Rüstmeister fort.
– Man könnte es wirklich für eine ungeheuere Truppe der urweltlichen Thiere halten, von denen man meint, sie hätten am Pol gehaust! Wie drängen sie sich, eilen um die Wette heran! Ja wohl, ein Sturm, den wir abzuschlagen haben.«
Auf dem Hintertheil war die ganze Mannschaft mit Stangen, Eisenstäben, Hebebäumen bewehrt, zum Abschlagen des Sturmes bereit.
Die Lawine kam heran, stets an Höhe wachsend, indem sie durch die umgebenden Eisstücke, welche sie im Wirbel mit sich fortriß, anwuchs. Hatteras hatte Befehl ertheilt, die Kanone, welche am Vordertheil war, solle mit Kugeln die drohende Masse zertrümmern; aber schon war sie da und stürzte auf die Brigg; man vernahm ein Krachen, und da sie das Schiff an der rechten Seite berührte, ging ein Theil des Geländers in Trümmern.
»Keiner rühre sich vom Platz! rief Hatteras. Achtung auf die Eisblöcke!«
Diese stürmten mit unwiderstehlicher Gewalt. Stücke von mehreren Centnern stießen wider die Schiffswände, die kleineren, bis zur Höhe der Mastkörbe geschleudert, zerrissen die Taue, zerschnitten das Takelwerk. Die Mannschaft wurde von der Menge Feinde überflügelt, deren Masse hundert Schiffe gleich dem Forward hätte zertümmern können. Jeder that sein Mögliches, die Stürmenden abzuwehren; das Getöse ward erschrecklich; Duk bellte wüthend; die Dunkelheit vermehrte das Schreckliche der Lage.
Hatteras rief, inmitten dieses fremdartigen, übernatürlichen Kampfes der Menschen mit den Eisblöcken, beständig seine Befehle zu. Das Schiff, dem enormen Druck nachgebend, neigte auf die linke Seite, und es kam in Gefahr, seinen Hauptmast zertrümmert zu sehen.
Hatteras begriff die Gefahr, es war ein schrecklicher Moment; die Brigg drohte sich völlig umzulegen, das Mastwerk zu verlieren.
Nun erschien ein ungeheuerer Block von der Größe des Schiffes, an dessen Seite mit unwiderstehlicher Gewalt sich erhebend; schon ragte er über das Hinterdeck; wenn er über den Forward stürzte, war Alles verloren. Bald erreichte er die Höhe der Maststangen, und wankte auf seiner Basis.
Da schrieen Alle vor Entsetzen auf; jeder eilte auf die rechte Seite.
Aber in dem Moment wurde das ganze Schiff emporgehoben, schwebte eine Weile in her Luft, dann fiel es wieder auf die Eisblöcke. Worin bestand das Ereigniß?
Emporgehoben von der steigenden Fluth, zurückgeworfen von den Blöcken, die es hinten faßten, zerbrach es die unzerbrechliche Eisdecke. Nach einer Minute fiel es hinter dem Hinderniß auf ein Eisfeld nieder, zertrümmerte dieses mit seinem Gewicht, und befand sich wieder in seinem Element.
»Die Eisdecke zertrümmert! rief Johnson.
– Gott Lob und Dank!« erwiderte Hatteras. In der That befand sich die Brigg mitten in einem Eisbecken; ihr Kiel tauchte völlig im Wasser, aber auf allen Seiten von Eis umgeben konnte sie sich doch nicht rühren, das ganze Eisfeld trieb mit ihr fort.
»Wir treiben, Kapitän! schrie Johnson.
– Lassen wir gewähren«, erwiderte Hatteras. Wie wäre es auch möglich gewesen, diesem Zug zu widerstehen?
Es ward Tag, und es stellte sich heraus, daß die Eisbank durch Einwirkung einer unterseeischen Strömung reißend eilig nordwärts trieb. Diese treibende Masse führte also den Forward, der mitten in dem unabsehbaren Eisfeld eingeklemmt war, mit sich; für den möglichen Fall einer Katastrophe, wenn die Brigg auf die Seite geworfen, oder vom Druck der Eisblöcke zertrümmert werden sollte, ließ Hatteras eine große Menge Proviant, Lagereffecten, Kleidung und Decken für die Mannschaft aufs Verdeck bringen. Aehnlich verfuhr einmal Mac Clure. Er ließ sein Schiff rings mit Hängematten umgeben, die mit Luft gefüllt, waren, so dass sie gegen starke Beschädigungen zum Schutz dienen konnten; da nun das Eis bei einer Temperatur von sieben Grad (–14° hunderttheilig) sich anhäufte, so war das Schiff bald von einer Mauer umgeben, aus welcher nur seine Masten hervorragten.
Sieben Tage lang dauerte diese Fahrt; die Spitze Albert, welche das Westende von Neu-Cornwallis bildet, kam am 10. September zu Sicht, und verschwand bald wieder; man bemerkte, daß das treibende Eisfeld von dem Augenblick an sich ostwärts wendete. Wohin trieb es dergestalt? Wo würde man anhalten? Wer mochte das voraussehen.