– Wir haben nicht Lust, uns dem Belieben dieses Mannes zu opfern, fügte Pen bei.
– Noch die wohlverdiente Prämie zu verlieren!« Man erkennt an dieser Bemerkung, daß Clifton sie machte.
»Wenn wir den achtundsiebenzigsten Grad hinter uns haben, setzte er hinzu, und wir sind nicht mehr weit davon entfernt, so macht das gerade dreihundertfünfundsiebenzig Pfund für Jeden.
Aber, erwiderte Gripper, werden wir sie nicht verlieren, wenn wir ohne den Kapitän heim kommen?
– Nein, versetzte Clifton, wann bewiesen wird, daß die Rückkehr unabweislich nothwendig geworden.
– Aber der Kapitän ... doch ...
– Sei ruhig, Gripper, erwiderte Pen, wir werden schon einen Kapitän bekommen, und einen tüchtigen, den Herr Shandon kennt. Wenn ein Commandant ein Narr wird, setzt man ihn ab, und ernennt einen anderen. Nicht wahr? Herr Shandon?
– Meine Freunde, erwiderte Shandon ausweichend, Sie werden stets in mir ein Herz voll Hingebung finden. Doch warten wir ab, was kommen wird.«
Wir sehen, es zog sich über dem Haupte Hatteras ein Sturm zusammen; dieser aber, fest, unerschütterlich, energisch, stets zuversichtlich, schritt kühn voran. Ueberhaupt, war er auch nicht der Richtung seines Schiffes Meister, so hatte er doch Tüchtiges geleistet: andere Seefahrer hatten zwei bis drei Jahre gebraucht, um die Fahrt zu machen, welche er in fünf Monaten erzielte. Jetzt befand er sich in der Lage, überwintern zu müssen, aber dies konnte für starke und entschlossene Gemüther, bewährte und an Gefahren gewöhnte Seelen, unverzagte und gestählte Geister nichts zum Erschrecken sein. Haben nicht Sir John Roß und Mac Clure drei Winter hinter einander in den Nord-Meer-Gegenden zugebracht? Was diesen möglich war, konnte mans nicht ebenso machen?
»Ganz gewiß ja, sagte sich Hatteras wiederholt, und mehr noch, wenns Noth thut! Ach! sagte er mit Bedauern zum Doctor, hätte ich doch durch den Smith-Sund, nördlich vom Baffins-Meer, dringen können, so wäre ich jetzt bereits am Pol! – Gut! erwiderte mit unveränderlichem Vertrauen der Doctor, wir werden hinkommen, Kapitän, auf dem neunundneunzigsten Meridian zwar; aber gleichviel, wenn alle Wege nach Rom führen, so ists noch sicherer, daß jeder Meridian zum Pol führt.«
Am 31. August zeigte das Thermometer dreizehn Grad (- 10° hunderttheilig). Das Ende der zur Fahrt geeigneten Zeit kam heran. Der Forward ließ die Insel Exmouth rechts, und drei Tage hernach fuhr er an der Tafelinsel vorüber, welche mitten im Canal Beecher liegt. In einer weniger vorgerückten Jahreszeit wäre es vielleicht möglich gewesen, durch diesen Canal wieder ins Baffins-Meer zu kommen, aber damals durfte man nicht daran denken. Dieser Meeresarm war von Eisblöcken gänzlich versperrt, und hätte dem Forward nicht einen Zoll Wasser zur Fahrt geboten; acht Monate noch konnte der Blick nur über unendliche und unbeweglich feste Eisfelder schweifen.
Zum Glück konnte man noch einige Minuten weiter nach dem Norden dringen, aber man mußte das frische Eis zersprengen. Bei diesen niedrigen Temperaturen war besonders windstilles Wetter zu fürchten, weil dann die Fahrwasser rasch gefrieren, und es waren damals selbst widrige Winde angenehm. In einer einzigen Nacht war Alles gefroren.
Nun konnte der Forward in seiner gegenwärtigen Lage nicht überwintern, weil sie den Winden, den Eisbergen, dem Treiben des Canals ausgesetzt war; es mußte vor Allem eine geschützte Stelle aufgesucht werden; Hatteras hoffte die Küste von Neu-Cornwallis zu erreichen und jenseits der Spitze Albert eine Bai zu finden, welche hinreichend sichere Zuflucht darbot. Drum verfolgte er mit Ausdauer die Fahrt nach Norden.
Aber am 8. September stieß er auf eine zusammenhängende, undurchbrechliche Eisdecke; die Temperatur sank auf 10 Grad (- 12° hunderttheilig). Hatteras suchte, von Unruhe getrieben, vergeblich eine Durchfahrt, brachte hundertmal sein Schiff in Gefahr, und zog sich durch wunderhafte Geschicklichkeit aus gefährlichen Engen. Mochte man ihn der Unvorsichtigkeit, Unüberlegtheit, Verblendung beschuldigen, aber als Seemann war er der Tüchtigsten Einer!
Die Lage des Forward wurde wahrhaft gefährlich; und wirklich, das Meer schloß sich hinter ihm, und im Umkreis einiger Stunden bekam das Eis eine solche Härte, daß die Männer darauf liefen und in aller Sicherheit das Schiff fortzogen.
Da Hatteras das Hinderniß nicht umgehen konnte, beschloß er es direct anzugreifen durch Anwendung seiner stärksten Sprengcylinder von acht bis zehn Pfund Pulver. Man grub zuerst in das Eis, so dick es war, ein Loch und, nachdem man den Cylinder sorgsam in horizontale Lage gebracht, damit die Explosion eine weiter reichende Wirkung habe, füllte man es mit Schnee; dann zündete man, gesichert durch eine Guttapercharöhre, die Lunte an.
Man war also bemüht, die Eisdecke zu sprengen, weil man die Säge nicht anwenden konnte, da die Sägeschnitte augenblicklich wieder zusammenfroren. Doch konnte Hatteras die Hoffnung fassen, den folgenden Tag seine Durchfahrt zu haben.
Aber während der Nacht tobte der Wind; das Meer hob sich unter der Eiskruste, als sei es von einer unterseeischen Kraft in Bewegung gesetzt, und der Pilot rief mit Schrecken: »Achtung hinten! Achtung hinten!«
Hatteras blickte in die angegebene Richtung, und was er in der Dämmerung sehen konnte, war wirklich zum Erschrecken.
Ein hoch aufgetürmtes Stück Eisdecke, nordwärts zurückgeworfen, stürzte so schnell wie eine Lawine auf das Schiff heran.
»Jeder aufs Verdeck!« rief der Kapitän.
Der heranwälzende Berg war kaum noch eine halbe Meile entfernt; die Eisblöcke hoben sich, schoben sich übereinander, purzelten, wie ungeheuere Sandkörner von einem fürchterlichen Orkan geschleudert; ein entsetzliches Getöse erfüllte die Luft.
»Sehen Sie, Herr Clawbonny, sagte Johnson zum Doctor, das ist eine der größten Gefahren, die uns treffen konnte.