Er ruderte so lange, bis ihm die Kräfte ausgingen, dann legte er sich platt in das Kanoe nieder, ließ sich von den Wellen forttreiben und schlief vor Müdigkeit ein. Wie lange dieser totenähnliche Schlummer gewährt, wußte er nicht. Beim Erwachen bemerkte er, daß er auf einem großen, breiten Strome dahintreibe; er wollte sich nun dem Ufer nähern, um sich nach Nahrung umzusehen, aber kaum war er eine kurze Strecke weit gerudert, so entglitt plötzlich das Ruder seiner Hand, und er befand sich jetzt hilflos auf einem Fahrzeuge, welches er nicht mehr zu lenken vermochte. Was thun? Nach dem Ufer schwimmen? Das lag weit entfernt. Also mußte sich Wilm dem Schicksale und den Wellen überlassen, die ihn ziemlich schnell davontrugen. Zwar peinigten ihn Hunger und Durst immer heftiger, aber nirgends zeigte sich ein Rettungsweg. Endlich sah der zum Tode Erschöpfte das offene Meer vor sich, in welches ihn der Strom führte. Unser Abenteurer gab sich bereits verloren, denn nun fehlte ihm zum Durstlöschen auch das Süßwasser, welches ihn erhalten hatte, so matt und fad es auch schmeckte. Noch am zweiten Tage trieb er an der Meeresküste dahin, bis ihn die Strömung unserm Schiffe nahe brachte.
Der Erzähler sah erbarmenswert genug aus, sehr abgemagert, Wunden an Händen, Füßen und Schultern. Man reichte ihm zunächst die nötige Nahrung, damit er sich wieder erhole; später, am Abend, forderte man den Fremdling auf, die Gesellschaft mit seiner Herkunft bekannt zu machen. Aus seiner Erzählung erfuhren wir, daß er von Geburt ein Schotte und schon in früher Jugend dem Triebe nach Reisen und Abenteuern folgte. Er kam als Matrose auf einem Schiffe nach Amerika, wo er als Jäger nach den indianischen Waldgründen zog und mancherlei Gefahren, die er uns sehr spannend erzählte, zu bestehen hatte. Zuletzt geriet er in die Gefangenschaft der Indianer und merkte an den Äußerungen der Wilden, daß sie ihn am nächsten Frühlingsfeste dem großen Geiste opfern wollten. Da galt es denn ernstlich, an baldiges Entrinnen zu denken. Not macht erfinderisch, und so fand sich auch ein Mittel zur Flucht. Wilm scheuerte an scharfer Baumrinde die ihn fesselnden Riemen dünn, blies sich auf, wenn er angebunden wurde, so daß er sich, wenn er Leib und Brust einzog, etwas drehen und wenden konnte. Jede Nacht fanden Übungen in solchen Bewegungen statt, und als die Riemen sich dünn genug erwiesen, entwand er sich der Schlinge, die ihn an den Baum fesselte, und zerbiß die Riemen mit den Zähnen. Indianer aber haben ein leises Gehör, man hatte seine Tritte vernommen, im Nu war das Lager hinter ihm her. Zwar hatte er einen Vorsprung, aber die wunden Füße hinderten ihn am Laufen. Sicher wäre er in die Hände seiner Feinde gefallen, wenn er nicht das Ufer eines Flusses erreicht und sich durch einen Sprung in denselben gerettet hätte.
Die Zuhörer Wilms waren seiner Erzählung aufmerksam gefolgt, und alle betrachteten ihn als einen achtungswerten Schicksalsgenossen, ja es deuchte allen am besten, wenn der Schotte sie nach der Kolonie begleite.
Seit der Auffindung Freitags war mir ein gleich leidsamer Geselle nicht in den Weg gekommen. Ich machte daher Wilm den Antrag, sich mir auf meinen weiteren Fahrten beizugesellen. Er besann sich auch nicht lange und sagte zu.
So verging in verschiedenartigem Wechsel ein Tag nach dem andern. Kein widriger Wind hinderte uns, und wir erreichten deshalb eher noch, als wir es gedacht, die Insel Trinidad, in deren Nähe meine Kolonie lag. Doch konnte ich meine Insel anfangs nicht wiedererkennen, weil sich unser Schiff an der Nordseite befand und ich sie von dieser Seite aus noch nie gesehen hatte.