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Fünfzehntes Kapitel. Aufenthalt in England und neue Reise.-1
日期:2021-07-19 17:48  点击:249
Neue Reiselust. – Abfahrt. – Das Totenschiff. – Im Antillenmeer. – Der Büffeljäger. – Ankunft in der Kolonie.
 
Mein Glück schien nach einem 35jährigen Kampfe gegen die Wechselfälle des Lebens fest begründet, und ich würde sorglos in beschaulicher Zurückgezogenheit haben leben können, wenn ich nicht immer und immer wieder an meine Insel und die zurückgelassene Kolonie hätte denken müssen. Verglich ich mein früheres rastloses Wirken mit meiner jetzigen Unthätigkeit, dann ergriff mich Unmut, und die Welt, in der ich thatlos dahinlebte, wurde mir zu enge. Mich zog wieder eine heftige Sehnsucht hinaus über den weiten Ozean, nach fernen Ländern.
Um diesen Anwandlungen neuer Reiselust zu widerstehen, kaufte ich mir in Bedfordshire ein Landgut, dessen schöner Meierhof so weit von der See ablag, daß mich der Blick auf dieselbe oder der Umgang mit Seeleuten nicht aufregen konnte. Ich richtete mich behaglich ein, kaufte Geräte und Vieh zur Ackerwirtschaft, pflanzte, jätete, riß ein und baute wieder auf, um meinen Gedanken eine andre Richtung zu geben. Aber wie mein eigner Schatten verfolgte mich die Sehnsucht nach der Ferne. Einige Jahre hielt ich es aus, als mir aber meine Frau durch den Tod entrissen wurde, fand ich keinen Gefallen mehr an dem bisherigen Stillleben. Zwei Kinder, die mir geschenkt waren, hatte ich guten Händen anvertraut. Die landwirtschaftlichen Beschäftigungen langweilten mich mehr und mehr, und ich beschloß, mein Gut zu verkaufen und nach London zu ziehen. Anfangs behagte mir die Veränderung, die Zerstreuung in der Hauptstadt, aber bald fand ich den Lärm derselben und noch mehr das Nichtsthun unerträglich und ich sann auf Veränderung.
Als ich einstmals in tiefes Nachsinnen über Zukunftspläne versunken auf dem Lehnstuhle saß, besuchte mich mein Neffe, der als Schiffskapitän Südamerika kennen gelernt hatte und nun dorthin über Neufundland zurückkehren wollte. Er lud mich ein, ihn zu begleiten, ich sagte zu und – machte mich dann reisefertig.
Nachdem ich zuvor mein Vermögen sicher angelegt, die Wahrnehmung meiner Angelegenheiten und die Aufsicht über die Erziehung meiner Kinder meiner Haushälterin, der treu bewährten alten Witwe, anvertraut hatte, begab ich mich am 8. Januar des Jahres 1694 mit meinem Freitag an Bord der kleinen Fregatte, die in den Dünen vor Anker lag. Noch an demselben Abend gingen wir unter Segel. Die Ladung, die ich mit mir führte, war wertvoller und mannigfacher als je eine der früheren. Sie enthielt ein zerlegtes Fahrzeug, allerlei Tuchsorten, leinene und andre Stoffe; ferner Hüte, Schuhe, Strümpfe, Bettzeug, Töpfe, Kessel, Nägel, Werkzeuge; endlich zahlreiche Flinten, Pistolen und zwei metallene Kanonen; hierzu Pulver, Kugeln und Schrot in allen Sorten, weiterhin andre Waffen, wie Säbel, Degen und Lanzen. Hierdurch glaubte ich für den Verteidigungszustand der Inselfestung hinreichend gesorgt zu haben.
Ein frischer Wind führte uns aus dem Hafen, und bald befanden wir uns auf offener See; ringsum nur Himmel und Wasser. Nach etwa acht Tagen erhob sich ein mächtiger Südsturm und trieb uns tief in das nebelbedeckte Meer von Neufundland. Anfangs gefiel mir dieser Wechsel, aber bald wurde die Sache doch unangenehm. Ein eisiger Wind blies über das Schiff und drang tief in die Glieder. Die Wellen, welche Schaum spritzend an die Schiffswände schlugen und uns durchnäßten, gefroren, und so wurden unsre Kleider mit einer Eisrinde bedeckt, die Segel steif und unlenksam, das Takelwerk starr wie Stangen. Dabei herrschte wegen des dicken Nebels stete Dämmerung um uns, so daß der Steuermann den Schiffsschnabel kaum noch sehen konnte und wir in Gefahr gerieten, an einen schwimmenden Eisberg oder eine Eisscholle anzurennen. In der That huschten von Zeit zu Zeit graue Schatten wie Gespenster an uns vorbei, auf welche die Matrosen mit sorglichen Blicken schauten, da sie in ihnen Eisberge erkannten. Endlich verwandelte sich die feuchte Luft in Eiskristalle, es begann ein Schneewehen, welches bald zu wildem Schneegestöber wurde. Doch dauerte es nicht an, der Horizont hellte sich etwas auf, so daß wir etwa einen halben Kanonenschuß weit sehen konnten.
Da rief der wachthabende Matrose: »Schiff in Sicht!« Wir eilten aufs Verdeck und sahen wirklich ein Schiff gerade auf uns zukommen, denn es war windstiller geworden und das kalte Polarwasser strömte uns entgegen. Wir riefen dem Fahrzeuge zu, rechts auszuweichen. Aber niemand ließ sich auf dem fremden Schiffe sehen und hören, dessen ganzes Aussehen einer Ruine glich. Der Hauptmast war in der Mitte abgebrochen, an den Raaen hingen hier und da Segelfetzen, wie etwa an der Stange einer alten Regimentsfahne, die oft ins Kartätschenfeuer gekommen ist. Die andern Masten fehlten, die Schiffsplanken schienen gewaltsam in die Höhe gedrückt, am Steuer hing ein großer Eisklumpen, auf dem Verdeck lag tiefer Schnee, und doch glaubten wir am Mast eine menschliche Gestalt zu entdecken, die nach uns herüber sah. Wir riefen, schossen eine Kanone ab; alles umsonst. Nichts regte sich auf dem Geisterschiffe, das auf uns zukam, als wollte es uns in den Grund bohren. Den Matrosen ward unheimlich zu Mute; aber meinen Neffen und mich reizte die Neugier, zu erfahren, was es mit diesem Selbstsegler für eine Bewandtnis habe. Das Boot wurde langsam niedergelassen und dann nach dem rätselhaften Schiffe gerudert.
Wir langten bald an, stiegen die Treppe hinauf und betraten das Deck nicht ohne einiges Herzklopfen. Dichter Schnee starrte auf dem Deck, doch nirgends stieß man auf menschliche Spuren. Unordentlich lagen Taue, Ketten und andre Gerätschaften durcheinander, aber allesamt mit Schnee und Eiskrusten überzogen. Zögernd schritten wir nach der Treppe, um in die Kajütte hinabzusteigen. Als wir am Mast vorübergingen, prallte mein Neffe entsetzt zurück. Wir fanden angelehnt an den Mast einen Matrosen, mit abgezehrtem Gesicht und verzerrten Zügen zur Hälfte aus der Schneedecke hervorragend. Beim Hinabsteigen ins Zwischendeck wurde uns in dem lautlosen Schiffe noch unheimlicher, denn es trug die Spuren wilder Zerstörung; es fehlten Balken, Planken, Thüren und was sonst zu einem gut ausgerüsteten Schiffe gehört. Dagegen entdeckten wir Leichen in verschiedenen Stellungen, alle gehüllt in zerfetzte Kleider, abgemagert und mumienartig eingetrocknet.
Wir wagten kein Wort zu sprechen in diesem schwimmenden Leichenhause. Jetzt befanden wir uns vor der Kajütte. Mein Neffe öffnete die Thür, blieb jedoch wie festgebannt stehen. Ich sah ihm über die Schulter und entsetzte mich auch. Denn am Tische saß ein Mensch in Kleidern aus Renntierhaut und ein Bärenfell unter den Füßen. Eine Pelzmütze bedeckte seinen Kopf, in der Hand hielt er eine Feder und hatte eine Stellung, als wenn er im Schreiben begriffen sei und darüber nachdenke, wie er fortfahren solle. Schüchtern traten wir näher und stellten uns dem Schreiber gegenüber. So etwas Grauenerregendes wie dieses Antlitz hatte ich noch nie gesehen. Das Gesicht war abgezehrt, gelb und die Haut straff über die Knochen gespannt. Graue Augen starrten in mattem Glanze nach einem Bilde an der Wand, welches eine Frauensperson mit einem Kinde auf dem Arme darstellte. Vor dem Toten lag das Schiffsbuch. Wir warfen einen Blick hinein und lasen die Worte: »Seit gestern ganz allein; aber es geht auch mit mir zu Ende. Wäre es doch überstanden! Ich fühle, daß die letzte Stunde – – o Karoline, o lieber Eduard, leb – –.« 

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