Ich machte meinen Reisegefährten den Vorschlag, nach Fuentarabia aufzubrechen, uns daselbst einzuschiffen und nach Bordeaux zu fahren. Während wir uns noch darüber berieten, trafen vier Franzosen in unserm Gasthof ein, deren Reise sowohl auf französischer wie auf spanischer Seite Aufschub erfahren und welche die Reise über das Gebirge unter Leitung eines kundigen Führers gemacht hatten. Wir ließen den Mann auf der Stelle holen, und er versprach, uns auf den nämlichen Wegen nach Frankreich hinüber zu geleiten. Vom Schnee sei nichts zu befürchten, sagte er, aber vor den Wölfen, die wegen der großen Kälte zu ganzen Trupps ausgehungert umherschwärmten, könne man nicht genug auf der Hut sein. Wir entgegneten ihm, daß wir hinlänglich mit Waffen versehen seien, um solch einen Trupp nach Gebühr zu empfangen. Wegen des Führergeldes wurden wir mit dem Manne schnell handelseinig, und so brachen wir, nachdem sich uns noch zwölf Reisende mit ihrer Bedienung angeschlossen, am 15. November 1687 von Pamplona auf.
Wir waren nicht wenig verwundert, als uns der Führer wohl an zehn Stunden weit auf der Straße nach Madrid rückwärts führte, wo wir uns in einem angenehm warmen Klima und in schöner, schneeloser Landschaft befanden. Dann aber wandte er sich links gegen den Gebirgszug und führte uns, an tausend schauerlich gähnenden Abgründen vorbei, bis auf die Höhe des Gebirges, von wo uns die grünen, lachenden Gefilde von Languedoc und der Gascogne entgegenblinkten. Bis dorthin war freilich noch mehr als ein mühevoller Schritt zu machen, wenngleich man das Schlimmste überstanden zu haben glaubte.
Eines Nachmittags wurde aber der Führer, als er uns vorausritt, von zwei Wölfen und einem Bären angegriffen. Der bestürzte Mann verlor so sehr alle Besinnung, daß er, statt sein Pistol abzufeuern, nur aus Leibeskräften schrie. Schnell gebot ich Freitag, hinzureiten, und er zerschmetterte durch einen sicheren Pistolenschuß den Kopf des einen Wolfes. Der andre, welcher sich heißhungrig auf das Pferd gestürzt hatte, entfloh, von dem Knalle erschreckt, ins Gehölz; Freund Petz aber ließ sich dadurch nicht irre machen, sondern blieb ruhig stehen. Der arme Führer hatte zwei empfindliche Wunden, eine in den rechten Arm, die andre in den Schenkel erhalten; aber das Pferd war unverletzt geblieben, da die Zähne des Wolfes nur die Riemen des Zaums gepackt hatten.
Man kann sich wohl denken, daß wir auf den Knall der Pistole, der wie dumpf grollender Donner sich durch die Gebirgsthäler fortpflanzte, unsern Pferden die Sporen in die Weichen drückten, um mit möglichster Schnelligkeit auf den Platz des Abenteuers zu gelangen. Während wir den Führer durch einen Schluck Branntwein zu stärken suchten und an seine Wunden Verbände anlegten, gewahrten einige zu ihrem nicht geringen Entsetzen, wie der Bär, ein Bursche von respektabler Größe, Miene machte, sich zu nähern, statt sich zu entfernen.
Schon wollten etliche Herren auf ihn anlegen, da bat mich Freitag:
»O Herr, erlaube mir, daß ich dem Tiere die Hand reiche, es wird euch allen viel zu lachen geben!«
»Sei kein Thor, Freitag«, sagte ich zu ihm; »der Bursche dort läßt nicht mit sich spaßen. Er wird dich mit Haut und Haar verschlingen.«
»Was? Er mich essen?« triumphierte Freitag. »Dafür werde ich mich sehr bedanken – ich werde ihn essen; gebt acht, es wird viel Spaß absetzen.«
Die Reisegesellschaft gab seiner Laune nach und wartete der Dinge, die da kommen sollten. Freitag zog im Nu seine Stiefel und Strümpfe aus, zog statt deren ein Paar Schuhe an, übergab sein Pferd einem Bedienten, nahm ein Gewehr und eilte gerade auf den Bären los.
»Höre, höre, guter Freund«, wandte sich Freitag an Meister Petz, »ich möchte mit dir ein bißchen plaudern.« Aber der Bär schien keine besondere Neigung zu haben, sich in ein Gespräch einzulassen. Da die freundliche Ansprache unerwidert blieb, versuchte Freitag auf andre Art, dem Vierbeinigen Aufmerksamkeit einzuflößen. Er hob einen großen Stein auf und warf ihn dem Tiere an den Kopf. Doch ob er den Bären oder eine alte Mauer getroffen hätte, war ganz gleich: sein Gegenüber verharrte in bewundernswürdigem Gleichmut. Dieser kecke Übermut Freitags machte einige der Reisenden besorgt, und schon schickten sie sich an, auf das Fell des Bären eine nachdrückliche Ladung zu geben. Aber Freitag, der die Eigenart des Tieres studiert zu haben schien, winkte abwehrend gegen die Schußfertigen. Dann wandte er sich seitwärts und schwang sich auf den Stamm einer Eiche, an deren Fuße er sein Gewehr anlehnte. Der Bär, immer wütender geworden, folgte knurrend hinterdrein.