O ewige Macht, rief Julia heftig, indem ihr die Tränen aus den Augen stürzten, Hedwiga, willst Du denn meine Brust zerreißen? — Welcher finstre Geist spricht aus Dir! — Nein, nein, gern will ich es leiden, daß Du aller bösen Träume halber, die Dich verstörten, an mir Ärmsten Rache nimmst, aber nie werde ich an die Wahrheit dieser bedrohlichen Phantome glauben! — Hedwiga! — besinne Dich doch nur, Du bist ja nicht mehr die Braut des entsetzlichen Mannes, der uns erschien, wie das Verderben selbst! Nie kehrt er zurück, niemals wirst Du sein!
Doch, erwiderte die Prinzessin, doch! — Fasse Dich nur, Mädchen! — Nur dann, wenn die Kirche mich mit dem Prinzen verbunden, löst sich vielleicht das ungeheure Mißverständnis des Lebens, das mich elend macht! — Dich rettet des Himmels wunderbare Fügung. — Wir trennen uns, ich folge dem Gemahl, Du bleibst! — Die Prinzessin verstummte vor innerer Bewegung, auch Julia war keines Wortes mächtig, beide fielen sich schweigend, in Tränen zerfließend, an die Brust!
Man meldete, daß der Tee serviert sei. Julia war aufgeregter, als es ihr besonnenes, ruhiges Gemüt zuzulassen schien. Es war ihr unmöglich, in der Gesellschaft zu bleiben, und die Mutter erlaubte ihr gern, nach Hause zu gehen, da die Prinzessin sich ebenfalls nach Ruhe sehnte.
Fräulein Nannette versicherte auf Befragen der Fürstin, daß die Prinzessin den Nachmittag und Abend sich sehr wohl befunden, indessen mit Julien durchaus allein sein wollen. So viel sie im Nebenzimmer beobachten können, hätten beide, die Prinzessin und Julia sich allerlei Geschichten erzählt, auch Komödie gespielt und bald gelacht und bald geweint.
Die lieben Mädchen, sprach der Hofmarschall leise. Die aimable Prinzessin, das liebe Mädchen! verbesserte der Fürst, indem er den Hofmarschall mit großen Augen anblitzte. Dieser wollte in der Bestürzung über den entsetzlichen Fehlgriff ein ziemliches Stücklein Zwieback, das er sattsam in Tee getränkt, auf einmal hinunterschlucken. Das blieb ihm aber in der Kehle stecken, und er brach aus in ein fürchterliches Husten, so daß er schnell den Saal verlassen mußte, und nur dadurch gerettet werden konnte vom schnöden Erstickungstode, daß der Hoffurier im Vorsaal mit geübter Faust ein wohlgesetztes Paukensolo ausführte auf seinem Rücken.
266Nach zwei Unschicklichkeiten, deren er sich schuldig gemacht, fürchtete indessen der Hofmarschall noch die dritte zu begehen, er wagte es daher nicht, zurückzukehren in den Saal, sondern ließ sich bei dem Fürsten mit plötzlich ihm angewandelter Krankheit entschuldigen.
Durch des Hofmarschalls Abwesenheit wurde aber die Whistpartie zerrissen, wie sie der Fürst gewöhnlich zu spielen pflegte.
Als nun die Spieltische geordnet, war alles in gespannter Erwartung, was der Fürst in diesem kritischen Fall tun werde. Der tat aber nichts, als daß er, da auf seinen Wink die übrigen sich zum Spiel gesetzt hatten, die Hand der Rätin Benzon faßte, sie zum Kanapee führte, und Platz nehmen hieß, indem er selbst sich ihr zur Seite hinsetzte.
Unlieb wäre es mir doch gewesen, wenn der Hofmarschall erstickt wäre am Zwieback, sprach er dann sanft und leise, wie immer zur Benzon. Doch schien er Abwesenheiten des Geistes zu haben, wie ich es schon oftmals bemerkt, daß er die Prinzessin Hedwiga ein Mädchen nannte, und würde daher im Whist miserabel gewesen sein. — Überhaupt, liebe Benzon, ist es mir heute recht erwünscht und angenehm, statt des Spiels mit Ihnen hier in der Einsamkeit einige Worte vertraulich zu wechseln, wie sonst. Ach — wie sonst! Nun Sie kennen mein Attachement für Sie, geliebte Frau! Nie kann es aufhören, ein fürstliches Herz ist jedesmal ein treues, sobald nicht unabwendbare Verhältnisse ein anderes gebieten.
Bei diesen Worten küßte der Fürst der Benzon viel zärtlicher die Hand, als es Stand, Alter und Umgebung zu erlauben schienen. Die Benzon versicherte mit vor Freude funkelnden Augen, daß sie längst den Moment ersehnt, mit dem Fürsten vertraulich zu reden, da sie ihm so manches mitzuteilen habe, was ihm nicht unangenehm sein werde.