(Mak.-Bl.) — großes Unrecht getan, meine liebe süße Freundin. — Nein! mehr bist du mir als das, meine treue Schwester! Ich 259habe dich nicht genug geliebt, dir nicht genug vertraut. Erst jetzt öffnet sich dir meine ganze Brust, erst jetzt, da ich weiß —
Die Prinzessin stockte, ein Tränenstrom stürzte ihr aus den Augen, aufs neue drückte sie Julien zärtlich an ihr Herz.
Hedwiga, sprach Julie sanft, hast Du mich denn nicht sonst mit ganzer Seele geliebt, trugst Du denn jemals Geheimnisse in Dir, die Du mir nicht vertrauen wolltest? — Was weißt Du, was hast Du erst jetzt erfahren! Doch nein, nein! kein Wort weiter, bis diese Pulse wieder ruhig schlagen, bis diese Augen nicht mehr so düster glühen. —
Ich weiß nicht was Ihr alle wollt, erwiderte die Prinzessin plötzlich zur Empfindlichkeit gereizt. Krank soll ich noch sein und nie fühlte ich mich kräftiger, gesünder. Der seltsame Zufall, der mich traf, hat Euch erschreckt, und doch mag es sein, daß solche elektrische Schläge, die den ganzen Organismus des Lebens in's Stocken bringen, mir gerade nötig und nützlicher sind, als alle Mittel, die eine blöde, dürftige Kunst in unglückseliger Selbsttäuschung darbietet. — Wie er mir fatal ist, dieser Leibarzt, der die menschliche Natur zu handhaben vermeint wie ein Uhrwerk, das man abstäuben, aufziehen muß. — Grauenhaft ist er mir mit seinen Tropfen, mit seinen Essenzen. — Von diesen Dingen soll mein Wohl abhängig sein? — So wäre ja das Leben hienieden eine entsetzliche Neckerei des Weltgeistes. —
Und eben diese Überspannung ist der Beweis, unterbrach Julie die Prinzessin, daß Du noch krank bist, meine Hedwiga, und Dich viel mehr schonen solltest, als Du es wirklich tust.
Auch Du willst mir weh tun! So rief die Prinzessin, sprang hastig auf und eilte ans Fenster, das sie öffnete und hinaus schaute in den Park. Julia folgte ihr nach, umschlang sie mit einem Arm, und bat mit der zärtlichsten Wehmut, daß sie doch wenigstens den rauhen Herbstwind scheuen und sich die Ruhe gönnen möge, die der Leibarzt für so heilsam geachtet. Die Prinzessin erwiderte indessen, daß sie sich gerade durch den kalten Luftzug, der zum Fenster hereinströme, erquickt und gestärkt fühle.
Recht aus dem innigsten Gemüt heraus sprach nun Julia von der letztvergangenen Zeit, in der ein finster, bedrohlicher Geist gewaltet, und wie sie alle innere Kraft aufbieten müssen, um nicht verstört zu werden von so mancher Erscheinung, die ihr ein Gefühl erregt, dem sie kein anderes gleichstellen könne, als die wahre, tötende Gespensterfurcht. Dahin rechnete sie vorzüglich den geheimnisvollen Zwiespalt, der sich zwischen dem Prinzen Hektor und Kreisler erhoben, 260und der das Entsetzlichste ahnen lassen, denn nur zu gewiß sei es, daß der arme Johannes fallen sollen von der Hand des rachsüchtigen Italieners, und nur, wie Meister Abraham versichere, durch ein Wunder gerettet worden.
Und dieser furchtbare Mann, so sprach Julia, er sollte Dein Gemahl werden? — Nein, — nimmermehr! Dank der ewigen Macht! Du bist gerettet! Niemals kehrt er zurück. Nicht wahr, Hedwiga? Niemals!
Niemals, erwiderte die Prinzessin mit dumpfer, kaum vernehmbarer Stimme. Dann seufzte sie auf aus tiefer Brust und sprach leise weiter wie im Traume: Ja dieses reine Himmelsfeuer soll nur leuchten und wärmen, ohne mit verderblichen Flammen zu vernichten und aus der Seele des Künstlers leuchtet die zum Leben gestaltete Ahnung — sie selbst — seine Liebe hervor! So sprachst Du hier an dieser Stelle. —
Wer sprach so? rief Julia ganz bestürzt. — An wen dachtest Du, Hedwiga?
Die Prinzessin fuhr mit der Hand über die Stirne, als müsse sie sich besinnen auf die Gegenwart, der sie entrückt. Dann wankte sie von Julien unterstützt, zum Sofa, auf dem sie sich ganz erschöpft niederließ. Julia, um die Prinzessin besorgt, wollte die Kammerfrauen herbeirufen, Hedwiga zog sie aber sanft nieder auf den Sofa, indem sie leise lispelte: Nein, Mädchen! — Du, Du allein sollst bei mir bleiben, glaube ja nicht, daß mich etwa Krankheit erfaßt. — Nein, es war der Gedanke der höchsten Seligkeit, der zu mächtig wurde, der diese Brust sprengen wollte, und dessen Himmelsentzücken sich gestaltete wie tötender Schmerz. Bleibe bei mir, Mädchen, Du weißt es selbst nicht, welch einen wunderbaren Zauber Du über mich zu üben vermagst! — Laß mich schauen in Deine Seele, wie in einen klaren, reinen Spiegel, damit ich mich selbst nur wiedererkenne! — Julia! oft ist es mir, als käme die Begeisterung des Himmels über Dich, und die Worte, die wie Liebeshauch über Deine süßen Lippen strömten, wären trostreiche Prophezeiung. Julia! — Mädchen, bleibe bei mir, verlasse mich nie — nie!