Kreisler starrte den Abt stillschweigend an, noch war er keines Wortes mächtig.
„Nun nun, fuhr der Abt lächelnd fort, steige herab aus der obern Region, zu der Du Dich hinaufgeschwungen! — Ich glaube gar, Du komponierst in Gedanken und lässest so nicht ab von der Arbeit, die Dir freilich eine Lust ist, wiewohl eine gefährliche, da sie zuletzt Deine Kräfte aufzehrt. Entschlage Dich jetzt aller schaffenden Gedanken, laß uns in diesem kühlen Gange auf- und abwandeln und unbefangen miteinander plaudern.
Der Abt sprach nun von den Einrichtungen des Klosters, von der Lebensweise der Mönche, rühmte den wahrhaft heiter frommen Sinn, den alle in sich trügen und fragte zuletzt den Kapellmeister, ob er (der Abt) sich nicht täusche, wenn er bemerkt zu haben glaube, daß Kreisler seit den Monaten, daß er sich in der Abtei befinde, ruhiger, unbefangener, dem tätigen Forttreiben in der hohen Kunst, die den Dienst der Kirche verherrliche, geneigter geworden.
Kreisler konnte nicht anders, als dies zugeben und überdies versichern, daß die Abtei sich ihm aufgetan wie ein Asyl, in das er geflüchtet und daß er sich hier so heimisch dünke, als sei er wirklich Ordensbruder und werde das Kloster niemals mehr verlassen.
„Lassen Sie mir, ehrwürdiger Herr!“ so endete Kreisler, „die Täuschung, die dies Kleid befördert. Lassen Sie mich glauben, daß von bedrohlichem Sturm verschlagen, mich die Gunst des versöhnten Geschicks an einem Eilande stranden ließ, wo ich geborgen, wo nie mehr der schöne Traum zerstört werden kann, der nichts anders ist, als die Begeisterung der Kunst selbst.“
In der Tat, mein Sohn Johannes, erwiderte der Abt, indem eine besondere Freundlichkeit sein Antlitz überstrahlte, das Kleid, das Du angelegt, um als unser Bruder zu erscheinen, steht Dir wohl, und ich wollte, daß Du es nie wieder ablegtest. Du bist der würdigste Benediktiner, den man nur sehen kann.
Doch, fuhr der Abt nach einem kurzem Stillschweigen fort, indem er Kreislers Hand faßte, kein Scherz ist hier zu treiben. Sie wissen, mein Johannes! wie lieb Sie mir gewesen sind seit dem Augenblick, als ich Sie kennen lernte, wie meine innige Freundschaft, sich mit der hohen Achtung für Ihr ausgezeichnetes Talent paarend, immer höher gestiegen ist. Für den, den man liebt, wird man mit Sorge erfüllt und eben diese Sorge war es, die mich Sie seit der Zeit Ihres Aufenthalts im Kloster bis zur Ängstlichkeit beobachten ließ. Das Resultat 244dieser Beobachtungen brachte mich zu einer Überzeugung, die ich nicht aufgeben darf! Längst wollt' ich Ihnen in dieser Hinsicht mein ganzes Herz öffnen, ich wartete auf einen günstigen Augenblick, er ist gekommen! — Kreisler! Entsagen Sie der Welt, treten Sie in unsern Orden!
So sehr sich auch Kreisler in der Abtei gefiel, so willkommen es ihm war, einen Aufenthalt verlängern zu können, der ihm Ruhe und Frieden gab, indem er seine rege, künstlerische Tätigkeit in Anspruch nahm, doch überraschte ihn der Antrag des Abts auf beinahe unangenehme Weise, da er an nichts weniger mit wirklichem Ernst gedacht, als seine Freiheit aufgebend, sich unter die Mönche stecken zu lassen auf immer, wiewohl ihm manchmal schon solch eine Grille aufgestiegen und dies vom Abt bemerkt sein mochte. Ganz verwundert schaute er den Abt an, der ihn aber nicht zum Worte kommen ließ, sondern fortfuhr: Hören Sie mich erst ruhig an, Kreisler, ehe Sie mir antworten. Wohl muß es mir angelegen sein der Kirche einen tüchtigen Diener zu gewinnen, indessen verwirft die Kirche selbst jede künstliche Überredung und will nur, daß der innere Funke der wahren Erkenntnis angeregt werde, damit er zur hell lodernden Flamme des Glaubens aufleuchte und jede Betörung vernichte. Und so will ich nur das, was dunkel und verworren vielleicht in Ihrer eignen Brust liegt, entfalten, Ihnen selbst zur deutlichen Erkenntnis bringen. Darf ich zu Ihnen, mein Johannes! denn von den aberwitzigen Vorurteilen sprechen, die man in der Welt gegen das Klosterleben hegt? — Immer muß den Mönch irgendein ungeheures Schicksal in die Klause getrieben haben, wo er aller Lust der Welt entsagend unter beständiger Qual ein trostloses Leben vertrauert. So wäre das Kloster der finstre Kerker, wo die trostloste Trauer um ewig verlornes Gut, die Verzweiflung, der Wahnsinn erfinderischer Selbstqual sich eingesperrt, wo abgehärmte bleiche Todesgestalten ein elendes Dasein hinschleppten und ihre herzzermalmende Angst aushauchten in dumpf murmelnden Gebeten!