»Was thut das, Freitag? Unsre Gewehre werden einen Teil von ihnen niederstrecken, und das Feuer und der Knall wird die andern in die Flucht schlagen. Wenn ich dich aber mit meinem Leben verteidige, willst du mir auch treulich zur Seite stehen und alles thun, was ich dir sage?«
»Ja, Herr, ich will sterben, wenn du mir zu sterben befiehlst.«
Hierauf holte ich eine Flasche Rum, um Freitag in seiner mutigen Stimmung zu erhalten; dann gebot ich ihm, die beiden gewöhnlichen Jagdgewehre herbeizubringen, und ich selbst lud sie mit tüchtigen Posten.
Hiernach stieg ich mit meinem Fernrohr auf die Warte, um zu sehen, was an der Küste vorging. Da entdeckte ich nun, daß 21 Wilde in drei Kanoes gelandet waren, und zwar an der Südostküste, was mich um so mehr wunder nahm, als ich noch nie an dieser Stelle das geringste Anzeichen einer Landung der Kannibalen bemerkt hatte. Der Ort, wo sie ausgestiegen waren, schien sehr flach, der Strand niedrig; etwa 100 Schritte davon begann der Saum eines dichten Gebüsches, welches sich ziemlich weit bis in die Felsengruppen der inneren Insel hineinzog. Es deuchte mich, als ob sie drei Gefangene bei sich hätten und auch diesmal aus keinem andern Grunde an meine Insel gekommen wären, als wieder eines ihrer Siegesfestmahle abzuhalten.
Zunächst lud ich nun vier Musketen mit sieben Kugeln, sowie meine beiden Pistolen mit zwei Kugeln. Den Degen steckte ich in den Gürtel und befahl Freitag, sein Beil, ein Pistol, zwei Musketen und eine Flinte nebst Vorrat von Pulver und Blei zu ergreifen; ich selbst aber nahm das andre Pistol und die übrigen Schießgewehre. Außerdem steckten wir einige Brotkuchen und getrocknete Rosinen zu uns, sowie ein Fläschchen Rum zur Stärkung unsrer Lebensgeister. So gerüstet rückten wir aus. Auf einem Umweg von ungefähr einer Viertelmeile bogen wir nach dem Rande des Gehölzes ein, um hier, ungesehen von den Wilden, bis an die Bucht zu gelangen und sie in Schußlinie vor uns zu haben.
Unter Beobachtung größter Vorsicht gelangten wir an das Ende des Gehölzes und somit in die Nähe der Feinde, von denen mich nur noch eine einzige Baumgruppe trennte. Ich befahl Freitag, auf einen Baum zu steigen, um zu sehen, was die Wilden vornähmen. Er kletterte sehr bald wieder herab und berichtete, er habe die Feinde ganz deutlich gesehen; sie säßen rings um ein Feuer und verzehrten das Fleisch eines ihrer Gefangenen; ein andrer liege dicht daneben an Händen und Füßen gebunden und werde wahrscheinlich demnächst an die Reihe des Verspeisens kommen. »Aber«, fügte Freitag bedeutungsvoll hinzu, »es ist keiner von unserm Stamme, sondern einer von den weißen bärtigen Männern, die sich in unserm Vaterlande angesiedelt haben.« Dieser Bericht versetzte mich in Zorn und Wut. Ich stieg nun mit meinem Fernglas ebenfalls auf einen Baum und erkannte deutlich an Gesicht und Bekleidung in dem gebundenen Manne einen Europäer.
Ein kleines Gebüsch zog sich von der Waldspitze noch ungefähr 100 Schritte nach links gegen den Strand hin, und ich konnte, durch dasselbe gedeckt, den Wilden mich noch mehr nähern. Am Ende des Buschwerks gelangte ich auf einen kleinen Sandhügel oder eine Düne, von wo aus ich die jetzt nur noch in einer Entfernung von 80 Schritt lagernden Wilden aufs genaueste beobachten konnte. Es war kein Augenblick mehr zu verlieren, denn eben bemerkte ich, wie sich zwei der Kannibalen anschickten, des Europäers Hände und Füße von den Fesseln zu befreien, um ihn dann am Feuer zu schlachten. Ich sah mich nach Freitag um.
»Jetzt«, sagte ich zu ihm, »thue, wie ich dir sagen werde.«
»Ja, Herr! Befiehl!«
»So ahme genau das nach, was du mich thun siehst, und fehle nicht!«
Mit diesen Worten legte ich eines der Jagdgewehre und eine der Musketen auf den Boden. Freitag that dasselbe. Dann zielte ich auf die beiden mit ihrem Schlachtopfer beschäftigten Wilden und gebot Freitag, unter den übrigen Haufen zu feuern.
»Bist du fertig, Freitag?« – Freitag nickte zustimmend.
»Nun – dann Feuer!«
Zwei donnerähnliche Schüsse hallten hinaus auf Land und Meer. –
Befreiung eines Gefangenen.
Als sich der Pulverdampf verzogen hatte, sah ich, was wir ausgerichtet hatten. Durch meinen Schuß war der eine getötet, der andre verwundet worden; Freitag dagegen hatte sogar zwei erlegt und drei verwundet. Der Schrecken aber, der durch den Knall unsrer Gewehre unter die Wilden fuhr, ist nicht zu beschreiben. Die Verwundeten jammerten und wälzten sich am Boden, die andern sprangen entsetzt auf und suchten zu entfliehen. In der gräßlichen Verwirrung liefen sie jedoch nur hin und her; denn sie wußten nicht, von welcher Seite ihnen das Verderben drohte. Freitag verwendete kein Auge von mir, um zu sehen, was ich weiter thun würde. Nach der ersten Salve legte ich mein Gewehr auf den Boden und ergriff die Flinte; Freitag that dasselbe. »Hahn gespannt. Angelegt. Feuer!« Wiederum rollte der Donner unsrer Gewehre über die Häupter der Wilden hinweg. Diesmal stürzten, da unsre Flinten nur mit grobem Schrot geladen waren, bloß zwei Männer zu Boden, aber es waren ihrer so viele verwundet, daß die meisten, mit Blut bedeckt und vor Schmerz heulend, wie im Wahnsinn durcheinander liefen. Bald stürzten noch drei von ihnen zu Boden, obgleich sie nicht tot waren.