Bau eines neuen größeren Bootes. – Probefahrten. – Neuer Kannibalenbesuch. – Der Kampf mit den Wilden. – Der Spanier und Freitags Vater. – Verpflegung der Befreiten. – Bestattung der Gefallenen. – Geschichte des Spaniers. – Zukunftspläne.
Da ich unaufhörlich an die siebzehn weißen Männer dachte, welche nach Freitags Behauptung bei seinen Landsleuten wohnen sollten, so wuchs in mir das Verlangen, dieselben aufzusuchen. Ich machte mich daher unverzüglich ans Werk, um mit Freitags Hilfe ein neues Boot zu bauen. Alsbald hatte Freitag, der in der Wahl des Holzes besser Bescheid wußte als ich, einen Baum gefunden, wie wir ihn bedurften. Er wollte sich nun anschicken, das Innere des Stammes, nach Art seiner Landsleute, mittels Feuers auszuhöhlen. Aber ich lehrte ihn, wie man denselben Zweck durch Handwerkszeug erreichen könne, und er zeigte sich auch bald als ein brauchbarer Schiffszimmermann. Nach Verlauf eines Monats war endlich ein Fahrzeug von gefälliger Form zustande gebracht; denn wir hatten auch die Außenseiten sorgfältig mit den Äxten bearbeitet. Noch lag ein schweres Stück Arbeit vor uns; denn um die Barke mit Walzen und Hebebäumen bis an das Meer zu schaffen, gebrauchten wir zwei Wochen. Als sie dann endlich flott geworden, betrachtete ich sie mit einem Gefühle von Genugthuung, denn ihre Größe hätte hingereicht, 20 Mann an Bord aufzunehmen. Auch Freitag empfand lebhafte Freude, und er lenkte das Fahrzeug trotz dessen Größe mit ungemeiner Geschicklichkeit.
»Nun, Freitag, was meinst du wohl, können wir uns mit dieser Barke bis an die Küste deiner Heimat wagen?«
»O gewiß!« entgegnete Freitag; »wir werden darin sehr gut fahren, selbst wenn großer Wind weht.«
Aber ich hatte noch einen andern Plan gefaßt. So wie es war, genügte mir unser Boot noch nicht; ich wollte es auch noch mit einem Mast, einem Segel und einem Steuer versehen. Ein Mast war nicht schwer zu erlangen; ich fand einen jungen, schlanken Baum ganz in der Nähe, wie zu meinem Vorhaben geschaffen. Während Freitag denselben fällte und den Stamm nach meiner Anleitung behieb, übernahm ich selbst die Herstellung der Segel. Unter meinem Vorrat alter Segelstücke fanden sich noch einige ziemlich gut erhaltene Stücke, und ich nähte ein dreieckiges oder lateinisches Segel daraus zusammen. Auch brachte ich für den Fall, daß der Wind umsetzte, ein kleines Focksegel und ein Besansegel an; besonders aber ließ ich es mir angelegen sein, ein Steuerruder an dem hinteren Teile der Barke herzurichten.
Als unsre Takelage beendigt war, bestiegen wir das Boot und segelten in der Bai umher. Freitag war zwar ein guter Ruderer, aber er hatte noch keinen Begriff von der Handhabung eines Steuers und dem Gebrauche eines Segels. Er schaute mir daher voll Bewunderung zu, wie ich das Fahrzeug nach meinem Willen vor- und rückwärts lenkte.
Freitag erhält Unterricht im Schiffbau.
Ich hatte jetzt das 27. Jahr meiner »Verbannung« auf meiner Insel angetreten. Nie unterließ ich es, den Jahrestag meines Schiffbruchs und meiner Ankunft auf der Insel in inbrünstigen Gebeten zu Gott zu begehen. Seine Güte hatte mich bisher so wunderbar behütet, und nun erfüllte mich die beglückende Hoffnung, wieder in die Gesellschaft der Menschen zurückzukehren. Auch während der letzten Zeit setzte ich meine Tagesarbeiten fort. Ich grub, pflanzte, ergänzte meine Einzäunungen, sammelte Korn, Reis, Baumfrüchte und Trauben ein; ich besorgte meine Ziegenherden, buk Brot und Kuchen, verfertigte Kleider, Körbe und Töpfe. – Unterdessen war die Regenzeit herangenaht, und ich mußte Bedacht darauf nehmen, unser Boot sicher unterzubringen. Ich schaffte es daher so weit auf den Strand, als die steigende Flut es erlaubte, und gebot Freitag, daneben ein Becken zu graben, tief genug, um das Boot beständig flott zu erhalten. Als die Flut dann zurückwich, führten wir einen starken Damm auf, der das Becken verschloß und dem Eindringen des Meeres vorbeugte. Um aber unser Fahrzeug gegen den Regen zu schützen, bedeckten wir es mit einem Dach und erwarteten so den Monat November oder Dezember, um die ersehnte Fahrt anzutreten.
Mit Beginn der schönen Jahreszeit beeilten wir uns, die nötigen Zurüstungen zur Reise zu treffen. Denn ich gedachte, vielleicht schon in acht bis zwölf Tagen das Wasserbecken zu öffnen und das Boot auslaufen zu lassen. Eines Morgens hatte ich Freitag nach dem Meere hinabgeschickt, um eine Schildkröte zu fangen, weil wir sowohl das Fleisch als auch die Eier dieses Tieres sehr wohl zu schätzen wußten. Aber schon nach wenigen Minuten kam er eiligst wieder zurück und übersprang den ersten Festungszaun.
»O Herr, Herr, o Jammer!«
»Was gibt's denn, was hast du?«
»Dort unten, dort unten! Eins, zwei, drei Kähne!« Freitag war so erschrocken, daß er am ganzen Körper zitterte; er hatte sich eingebildet, daß die Wilden nichts Geringeres beabsichtigten, als ihn einzufangen, in Stücke zu zerhauen und aufzuessen. Ich suchte ihn zu beruhigen, so gut ich konnte, und ihm begreiflich zu machen, daß ich ja ganz in der nämlichen Gefahr schwebe wie er.
»Freitag«, sagte ich, »wir müssen mit ihnen um unser Leben kämpfen; bist du bereit dazu?«
– »Jawohl, ich schieße auf sie; aber ihre Zahl ist groß.«