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Elftes Kapitel. Zusammenstoß mit den Kannibalen.-3
日期:2020-12-31 13:40  点击:282

Der arme Bursche war so erschrocken, daß er vor Furcht selber zusammenstürzte; ja, er glaubte sogar, ich habe ihn erschießen wollen, denn er riß sein Wams auf, um zu fühlen, ob er verwundet sei. Dann fiel er vor mir auf seine Kniee nieder, stammelte unverständliche Worte und schien mich um Schonung seines Lebens zu bitten. Ich aber nahm ihn bei der Hand, redete ihm freundlich zu, deutete auf das Zicklein, das ich erlegt hatte, und gebot ihm, dasselbe zu holen. Während er meinem Befehle nachkam und das tote Tier mit Staunen betrachtete, lud ich von neuem mein Gewehr. Er war noch nicht klar darüber, wie das Tier getötet sein konnte.

Um ihm diesen Vorgang erklärlich zu machen, zeigte ich mit dem Finger auf die Flinte und dann auf einen Papagei, den ich in schußgerechter Entfernung auf einem Baume sitzen sah. Hierauf gab ich ihm zu verstehen, daß ich auch diesen Vogel durch mein Gewehr töten könne, hieß ihn seine Augen scharf nach dem Tiere richten, drückte los und schoß den Papagei vom Baume herunter.

Aber auch diesmal erschrak der arme Freitag auf das heftigste und zeigte eine wahre abgöttische Scheu vor meinem Jagdgewehr. Da er nämlich nicht gesehen, wie ich es geladen hatte, so glaubte er, die Waffe enthielte eine unerschöpfliche Zauberkraft des Schreckens, des Todes und der Vernichtung, fähig, Menschen und Tiere aus jeder beliebigen Entfernung zu töten. Er sprach mit dem Gewehr, als ob er verstanden werden könne, bat dasselbe, daß es ihn doch ja nicht töten möge, und schien hierauf eine Antwort zu erwarten, während er wie Espenlaub zitterte. Es dauerte noch etliche Tage, bevor er es wagte, die Flinte anzurühren.

Nachdem sich Freitag von seinem Staunen erholt hatte, gebot ich ihm, den geschossenen Vogel herbeizuholen. Nach längerem Ausbleiben – denn der Papagei war noch nicht ganz tot und eine Strecke weit fortgeflattert – brachte er ihn endlich. Hierauf ergriffen wir auch das Zicklein und kehrten nach Hause zurück; dort zerlegte ich das Tier und kochte einen Teil noch denselben Abend.

Freitag verzehrte mit dem trefflichsten Appetit das saftige Fleisch. Auffallend erschien es ihm hierbei, daß ich meine Speisen mit Salz würzte, und er gab mir zu verstehen, daß dies seinem Geschmack ganz zuwider sei. Um mir seine Abneigung zu verdeutlichen, legte er ein Stück Salz auf seine Zunge, verzog das Gesicht mit unnachahmlicher Grimasse, spuckte den salzigen Schleim wieder aus und spülte darauf den Mund mit frischem Wasser aus. Ich meinerseits suchte ihn mit seinen eignen Gründen zu schlagen, indem ich ein Stück Fleisch ohne Salz zu mir nahm und mich in ähnlichen Gesichtsverrenkungen gefiel, eine Art von Beweisführung, die ihm jedoch nicht stichhaltig schien.

Am andern Tage setzte ich meinem Hausgenossen einen vortrefflichen Ziegenbraten vor; zur Bereitung desselben wendete ich ein Mittel an, wie ich es einst in England gesehen hatte. Ich steckte nämlich zwei Stäbe in gewisser Entfernung voneinander neben einem tüchtigen Feuer in die Erde, einen dritten Stab legte ich quer über die beiden ersten, hing an denselben mein Fleisch am Ende einer Schnur und ließ es drehen. Freitag drückte über dieses sinnreiche Verfahren seine Verwunderung aus. Als er aber erst den Braten gekostet hatte, gab er durch wohlgefälliges Schnalzen und Zähnefletschen kund, welch ein Leckerbissen das Genossene für ihn gewesen sei; ja er war davon so entzückt, daß er mir hoch und teuer versicherte, nie mehr in seinem Leben Menschenfleisch essen zu wollen.

Tags darauf wies ich Freitag an, Gerste auszukörnen und sie auf die schon beschriebene Art zu reinigen, wozu er sich ganz geschickt anstellte.

Ferner unterrichtete ich ihn, wie ich es mit dem Backen hielt und wie ich meine Kuchen zurichtete. Auch das begriff er so rasch, daß ich schon nach kurzer Zeit ihm dergleichen Arbeiten getrost allein überlassen konnte.

Da ich jetzt außer mir noch einen Menschen mit kräftiger Eßlust zu versorgen hatte, mußte ich eine größere Menge Korn säen, um reicheren Vorrat zu gewinnen. Zu diesem Zwecke suchte ich ein umfangreicheres Stück Ackerland aus und zäunte es auf ähnliche Weise ein wie die früheren. Bei der Arbeit unterstützte mich Freitag aufs eifrigste, zumal er schon wußte, dies alles geschähe, um für mich und ihn das nötige Brot backen zu können.

Dieses Jahr war von allen, welche ich auf meinem Eilande bisher zugebracht hatte, das angenehmste. Freitag konnte binnen wenigen Monaten sich recht geläufig englisch ausdrücken und wußte die Namen fast aller Dinge, die ich von ihm fordern, und aller Orte, wo ich ihn hinschicken konnte.

So genoß ich, nach einer langen Reihe von Jahren, endlich wieder das Vergnügen menschlicher Unterhaltung in meiner Muttersprache; aber außer diesem langentbehrten Genusse fand ich auch täglich mehr Freude an meinem Genossen. Seine Herzenseinfalt und seine Anhänglichkeit machten ihn mir immer teurer, und er wiederum liebte mich, wie er vielleicht niemand zuvor geliebt haben mochte. Einstmals versuchte ich zu ergründen, wie groß sein Verlangen sei, sein Heimatland wiederzusehen, und da er so viel Englisch verstand, um auf meine Fragen Auskunft geben zu können, so sagte ich zu ihm:

»Hat der Stamm, dem du angehörst, bei seinen Kriegszügen öfters den Sieg davon getragen?«

»O ja!« sprach Freitag lächelnd, »wir kämpften immer als beste.«

»Ihr kämpftet am besten, waret den andern also überlegen! Wie kommt es aber dann, daß sie dich zum Gefangenen gemacht haben?«

»Mein Stamm hat deshalb doch den Sieg behalten!«

»Den Sieg? Ich glaub' es nicht; sonst wärest du jetzt kein Gefangener.«

»An jenem Tage, o Herr, waren die Feinde gerade zahlreicher als die Brüder meines Stammes; sie nahmen eins, zwei, drei Brüder und mich gefangen; mein Stamm hat sie aber an einem andern Platze, wo ich nicht war, besiegt; mein Stamm hat ihnen dafür eins, zwei, ein zehnmal zehn und noch einmal zehnmal zehn genommen.«

»Aber warum haben deine Gefährten nichts für deine Befreiung gethan?«

»Sie nahmen rasch eins, zwei, drei und mich und schafften uns in ihre Kanoes; mein Stamm hatte damals keine Kanoes.«

»Und was macht dein Stamm mit den Gefangenen? Schleppt er sie auch fort und verzehrt sie, wie die Menschen, die hier auf der Insel waren?«

»Ja, Herr, mein Stamm ißt auch Menschen, ißt alle Gefangenen auf.«

»Wohin aber bringt ihr sie?«

»An einen andern Platz, als sie denken.«

»Bringt ihr sie auch manchmal hierher, Freitag?«

»Ja, ja, hierher und an noch andre Orte.«

»Bist du auch schon mit ihnen hierher gekommen?«

»Ja, Herr, von dort!« Hierbei zeigte Freitag nach der nordwestlichen Seite der Insel, wo der Landungspunkt lag.

»Aber, verirren sich nicht zuweilen die Kanoes auf der Überfahrt?«

»O, das hat keine Gefahr, Herr! Nur darf man nicht in den Strom fallen, der weit ins Meer hinausläuft; auch weht ein guter Wind des Morgens und wieder ein andrer des Abends.« 

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