Neuer Ausflug auf Entdeckungen. – Menschliche Spuren. – Robinsons Bangen. – Untersuchung der Fußspuren. – Allerlei seltsame Gedanken.
Mit allem Notwendigen ausgerüstet, begann ich einen neuen Ausflug, auf den ich fünf bis sechs Tage zu verwenden gedachte. Mein erster Weg führte mich an jenen Ort, wo ich meinen Anker ausgeworfen hatte, um die Felsen zu ersteigen und die Gegend zu überblicken. Auch diesmal erstieg ich die Höhe und gewahrte zu meinem Erstaunen, daß die See glatt war wie ein Spiegel, nirgends vermochte ich eine Brandung zu entdecken. Diese befremdliche Erscheinung hatte jedenfalls ihren natürlichen Grund in der abwechselnden Bewegung der Ebbe und Flut. Da ich mir jedoch darüber noch nicht ganz klar war, so wollte ich wie ein Naturforscher der Sache auf den Grund gehen. Ich stieg deshalb gegen Abend, als es bereits dämmerte und die Ebbe eintrat, hinauf auf den Hügel und sah auch jetzt wieder ganz deutlich die ungestüme Strömung. Zugleich bemerkte ich aber, daß dieselbe eine halbe Stunde von der Küste entfernt schien, während sie früher dicht an der Sandbank hinlief. Auf diese Beobachtungen gestützt, sagte ich mir, daß ich die Insel ohne Schwierigkeit mit meinem kleinen Fahrzeug umschiffen könnte, wenn ich nur genau auf die Wiederkehr der Flut und Ebbe achtete. Indes hatten die überstandenen Gefahren einen so nachhaltigen Eindruck in mir zurückgelassen, daß ich für jetzt auf das Wagnis einer neuen Seefahrt verzichtete. Es kam mir nun ein ganz entgegengesetzter, wenn auch höchst mühselig auszuführender Plan in den Sinn.
Sollte es nicht möglich sein, mir eine neue Piroge zu bauen, um auf jeder Küste meiner Insel ein Fahrzeug zu besitzen?
Ich hatte damals sozusagen zwei Pflanzungen. Zunächst war es am Fuße des Felsens und in der Nähe des Ufers mein Zelt oder meine Burg samt Einzäunung und Höhle hinter dem Zelte. Letztere hatte ich allmählich vergrößert und neue Gemächer geschaffen, worin ich meine Vorräte, namentlich das Erzeugnis meiner Ernten, in zahlreichen großen Körben aufbewahrte. Im Verlauf der Jahre waren die Pfähle der zweiten Umhegung, die, wie ich erwähnte, Zweige getrieben hatten, bereits zu stattlichen Bäumen angewachsen und ihre Äste so ineinander verschlungen, daß man selbst in ziemlicher Nähe hinter diesem grünen Flechtwerk keine menschliche Wohnung bemerkt hätte. Etwas weiter in das Land hinein lagen meine beiden Kornfelder, auf deren Bebauung ich stets den größten Fleiß verwandte, so daß ich jährlich durch reichliche Ernten belohnt wurde.
Eine weitere Pflanzung hatte ich mir noch in der Nähe meines Landhauses angelegt. Auch dort, in jenem reizenden Thale, wuchs die grüne Hecke stattlich empor und gewährte erquickenden Schatten. In der Mitte spannte sich das Zelt von Segeltuch aus, und die Ziegenfelle, welche ich dorthin gebracht hatte, boten ein weiches Lager, während eine wollene Decke und ein großer Mantel mir während der kühlen Nächte zum Zudecken dienten. So konnte ich hier, wenn ich mein »Schloß« auf einige Zeit mit dem Lusthaus vertauschen wollte, mehrere Tage in aller Bequemlichkeit zubringen.
Ganz in der Nähe des Landhauses hatte ich, wie bereits erwähnt, die Einzäunungen für meinen Viehstand angebracht. Die beständige Sorge, daß mir die Ziegen einmal ausbrechen möchten, ließ mir keine Ruhe, bis ich das Palissadenwerk so dicht gemacht hatte, daß man kaum eine Hand hindurchstecken konnte. Als gar während der Regenzeit die Ruten und Stäbe ausschlugen, bot dieses Gehege den Vorteil einer undurchdringlichen Mauer.
In demselben Thale befanden sich auch die Weinstöcke, welche mir beträchtliche Vorräte für den Winter lieferten, und da die wertvollen Reben meine Tafel mit den saftigsten Beeren versahen, so versäumte ich nie, zur gehörigen Zeit die Trauben zu trocknen.
Eines Tages überkam mich wieder die Lust zu einem Ausflug nach der Ost- und Nordseite meiner Insel, und ich wollte im Vorbeigehen auch nach meiner Barke sehen.
Zunächst begab ich mich an jenen Hügel, von welchem aus ich meine Beobachtungen angestellt hatte; dann wartete ich die Ebbe ab, um bei niedrigem Wasserstande über die Mündung des Baches zu gelangen, der am Fuße des Hügels hinfloß. Anfangs hielt ich mich längs des Ufers desselben, dann aber bog ich nordwärts ab und kam so gegen Abend an einen Fluß, der bei weitem bedeutender war als alle übrigen, welche ich bisher aufgefunden hatte. Diesen passierte ich schwimmend und befand mich bald an der Küste, die sich hier sehr wild und öde, teils hügelig, teils felsig und nur mit Gestrüpp bewachsen zeigte.
Schon brach die Nacht herein, als ich endlich mein Fahrzeug auffand; ich machte es mir darin so bequem als möglich und war, von dem Ereignis des heutigen Tages befriedigt, bald in tiefen Schlaf versunken.
Kaum hatte mich die Morgensonne aus meinem Schlummer erweckt, als ich wohlgemut meine Reise weiter fortsetzte. Nachdem ich einige Meilen zurückgelegt hatte, wurde mir eine Überraschung zu teil, die mich in die peinlichste und für die Folge auch schädlichste Aufregung versetzte: ich sah im Sande die deutliche Spur eines – Menschenfußes.