Gefährliche Seereise. – In die See hinausgetrieben. – Sehnsuchtsvolle Betrachtungen. – Die beiden Strömungen und glückliche Landung. – Des Papageis Ruf. – Robinsons »Familie«. – Ziegenfang und Ziegenpark. – Schneiderkünste. – Neue Beobachtungen. – Rückblicke.
Am Morgen des dritten Tages legte sich der Wind, das Meer wurde ruhig, und nun erst begann ich meine Seefahrt. Mein Schicksal möge unerfahrenen und wagehalsigen Schiffern zur Warnung dienen! Kaum hatte ich die Spitze der Sandbank erreicht, von dem Ufer nur um die Länge meiner Barke entfernt, als ein Strom gleich einer Mühlschleuse mich mit überwältigender Heftigkeit packte. Alle Mühe, dagegen anzukämpfen, erwies sich als umsonst; immer weiter trieb mich die Strömung von der Sandbank, die mir zur linken lag. Weder Segel noch Ruder konnte ich mit Erfolg gebrauchen. Wurde ich von der Strömung etwa in die See hinausgeworfen, so schien mein Untergang unvermeidlich, insbesondere wegen des Mangels an Lebensmitteln. Denn die am ersten Tage in die Barke geschafften Vorräte nebst einer noch am Meeresufer von mir gefangenen Schildkröte konnten nicht ausreichen, wenn ich weit hinaus auf den unermeßlichen Ozean getrieben wurde, vielleicht viele Meilen von der Küste entfernt.
Jetzt gedachte ich meiner einsamen und verlassenen Insel, die mir nun wie ein behaglicher und reizender Ort erschien. »Glückliche Einöde!« klagte ich, »werde ich dich jemals wiedersehen? Nie wollte ich dich wieder verlassen!« So erkannte ich, als mir meine Besitzung schon verloren schien, erst ihren vollen Wert. Ich ruderte aus allen Kräften und blieb möglichst in derselben Richtung, in welcher die Strömung die Sandbank treffen konnte. Plötzlich erhob sich ein leichter Süd-Süd-Ostwind, der sich nach einer halben Stunde zu einer frischen Brise verwandelte. Das Wetter zeigte sich günstig; ich sah nach meinem Mast, ob er auch noch feststehe, breitete meine Segel aus und suchte mich aus der Strömung zu bugsieren. Bald bemerkte ich, daß der Strom nicht mehr so trübe und heftig war und sich an Felsenklippen brach, so daß der Hauptstrich dieselben nordöstlich liegen ließ und selbst nach Süden lief. Der andre Arm hingegen, von der Klippe abprallend, strömte nach Nordost. Mit Hilfe dieser Brechung und vom Winde unterstützt, segelte ich eine Zeitlang fort, bis ich bemerkte, daß mich die Strömung zu weit nach Norden und von der Insel ablenken würde. Nun befand ich mich zwischen zwei großen Flutarmen: dem des Südens, der mich zuerst mit fortgerissen hatte, und dem des Nordens, welcher auf der andern Seite der Insel die Strecke von etwa einer Meile beherrschte. Ich bot daher meine ganze Kraft auf, um mich etwas westlich zu halten und mein Fahrzeug in stilleres Wasser zu bringen. Es gelang mir, und etwa gegen 5 Uhr nachmittags kam ich, durch den Wind begünstigt, auf meiner Insel wieder an.
Sobald ich unter meinen Füßen wieder Land fühlte, lieh ich den Gefühlen meines dankbaren Herzens in einem Gebet zu Gott Worte und gelobte mir feierlich, auf jeden weiteren Versuch einer Meerfahrt zu verzichten und mich nicht mehr auf die offene See zu wagen. Nachdem ich mich erholt und durch eine kleine Mahlzeit gestärkt hatte, legte ich mich im Schatten der Bäume nieder und schlief bald ein. Am andern Tage überlegte ich, wie ich die Rückreise zu meiner Behausung antreten sollte. Ich entschloß mich, an der Küste hin gegen Westen zu steuern, um ein sicheres Asyl für mein Boot zu finden. Bald entdeckte ich einige Meilen weiter einen Kanal, der weit in das Land einmündete, immer schmäler wurde und in einen kleinen Fluß auslief.
Hier ließ ich mein Fahrzeug zurück und beschloß, den Rückweg zu Fuß zurückzulegen, nahm auch von dem ganzen Gepäck nur mein Gewehr und meinen Sonnenschirm mit. Wohlbehalten kam ich gegen Abend auf meinem Landsitze wieder an und fand daselbst alles noch, wie ich es verlassen hatte. Flugs überstieg ich den Zaun, legte mich im Schatten nieder und schlief, von der Hitze und dem weiten Wege ermüdet, auch bald ein. Ich mochte etwa eine Stunde geschlafen haben, als ich durch eine Stimme erweckt wurde, die mehrmals rief: »Robin, Robin, Robin Crusoe! Wo bist du? Robin Crusoe, wo bist du? Wo bist du?«
Glückliche Rückkehr nach verunglückter Seefahrt.
Es war mein lieber Poll, der, auf einem Zaune sitzend, die Worte sprach, die ich ihn mit vieler Mühe gelehrt hatte, wenn der Kummer über meine Verlassenheit mich anwandelte. Ich wußte mir nicht zu erklären, wie das Tier hierher gekommen war; dasselbe setzte sein Geschwätz und seine Schmeicheleien fort, als wäre es glücklich, mich wieder zu haben. Natürlich nahm ich den Schwätzer ohne Verzug mit mir. – Gern hätte ich mir den Besitz des Fahrzeuges gesichert, aber ich fand kein Mittel, diesen Wunsch zu verwirklichen; auch fühlte ich geringe Neigung, mich noch einmal den überstandenen Gefahren auszusetzen.