Mein neues Fahrzeug lag zwar nicht weit vom Meere entfernt; aber das große Hindernis bestand darin, daß das Ufer zum Meere bergan lief. Ich ließ indes den Mut nicht sinken, sondern versuchte, die Anhöhe wegzuräumen und das Land nach der Küste zu abfällig zu machen. Als der Weg so ziemlich geebnet war, befand ich mich um nichts gefördert, denn das Kanoe rückte äußerst wenig von der Stelle, so wenig wie vordem die Schaluppe. Hierauf maß ich die Entfernung ab, welche zwischen meinem Boote und dem Meere lag, sowie die Tiefe des Bodens und die erforderliche Breite, um einen genügend breiten und tiefen Kanal bis zum Meere zu bauen und in diesem Bassin mein Boot hinabzuführen. Indem ich den Kraftaufwand hinsichtlich solch kolossaler Bauten veranschlagte – denn der Kanal hätte sehr viel Tiefe haben müssen – und damit die mir zu Gebote stehenden Arbeitsmittel, d. h. meine zwei rüstigen Arme, in Vergleich brachte, erlangte ich als Ergebnis meines Voranschlags die Überzeugung, daß recht gut zehn bis zwölf Jahre vergehen könnten, ehe ich ans Ziel meiner Wünsche kommen konnte.
Dieses erfüllte mich mit großer Betrübnis; ich sah jetzt, leider zu spät, ein, wie thöricht es ist, ein Werk zu beginnen, wenn man sich vorher nicht Klarheit darüber verschafft, ob der Größe des Unternehmens gemäß auch die zur Verfügung stehenden Mittel zur Ausführung hinreichen.
Mitten unter dieser Arbeit hatte ich mein viertes Jahr auf dem Eiland zurückgelegt. Ich feierte den Jahrestag meiner Ankunft, wie in früheren Jahren, durch ernste und gottergebene Betrachtungen, die mir reichen Trost einflößten.
An eben demselben Jahrestage, an welchem ich meinen Eltern entlief, um mich in Hull einzuschiffen, ward ich durch den Seeräuber von Saleh gefangen genommen und zu Sklavendiensten gezwungen. An dem nämlichen Tage, als ich aus dem Schiffbruch auf der Reede von Yarmouth gerettet ward, entfloh ich glücklich aus Saleh. Am 30. September 1659 endlich, an meinem 26. Geburtstage, wurde ich wunderbar gerettet und auf diese Insel verschlagen.
Der erste meiner Vorräte, welcher mir nach der Tinte ausging, war der Schiffszwieback, und obgleich ich mit demselben höchst haushälterisch umgegangen war, so hatte ich ihn dennoch schon ein Jahr vor meiner Kornernte gänzlich aufgezehrt, was mich allerdings etwas in Verlegenheit versetzte.
Mit meiner Kleidung sah es gleichfalls recht windig aus, denn seit längerer Zeit besaß ich nichts weiter als wenige Matrosenhemden, die meine Haut vor den stechenden Sonnenstrahlen schützten. Bei einer Durchsuchung meiner Kisten fand ich jedoch etliche taugliche Kleidungsstücke sowie ein paar große Überröcke. Fast mußte ich über den Fund dieser letzteren lächeln, denn ich hätte es in denselben vor Hitze nicht aushalten können, und doch wußte ich auch hieraus etwas Brauchbares zu schaffen. Da sich nämlich alle meine Jacken in einem Zustande bedenkenerregender Zerfahrenheit befanden, so lag es sehr nahe, mich auch einmal als ehrsamen Kleiderkünstler zu versuchen, und ich fertigte nun drei Jacken, die ich ziemlich lange tragen zu können hoffte. War aber schon das Fabrikat derjenigen Kleidungsstücke, die meinen Oberkörper bedecken sollten, in einer Weise ausgefallen, die selbst das Mitleid nachsichtiger Leute herausforderte, so legten meine Versuche hinsichtlich der Beinkleider ein noch glänzenderes Zeugnis bejammernswürdiger Unbeholfenheit ab.
Ich muß hier nachträglich erwähnen, daß ich die Häute aller getöteten vierfüßigen Tiere aufbewahrte und auf Stäben an der Sonne trocknen ließ. Einige derselben waren so hart geworden, daß sie zu nichts mehr taugten; andre aber, die nicht bis zu jener Steife zusammengedörrt waren, leisteten mir leidlich gute Dienste.
Das erste, was ich mir nun verfertigte, war eine neue große Kopfbedeckung aus Ziegenfell, an welchem ich die Haar außerhalb ließ, um mich so besser gegen den Regen zu schützen.
Noch etwas andres stellte sich mir als unentbehrlich heraus, nämlich ein Regen- oder Sonnenschirm. Denn da ich meist im Freien weilen mußte, so quälte mich die Hitze der tropischen Sonne äußerst empfindlich. Lange Zeit währte es, bis ich etwas Taugliches zustande brachte. Die Hauptschwierigkeit bestand darin, den Schirm so zu verfertigen, daß ich ihn zusammenlegen konnte; im andern Falle hätte ich ihn stets aufgespannt tragen müssen, was sicherlich die Bequemlichkeit nicht sehr vermehrt haben würde. Ich bedeckte dieses tragbare Wetterdach mit Ziegenfellen, deren Haare ich nach auswärts kehrte; so schützte ich mich, so gut es gehen wollte, gegen den Regen wie gegen die Sonnenstrahlen. Bedurfte ich seiner nicht mehr, so klappte ich den Schirm zusammen.
Vor der Hand hatte ich nun so ziemlich alle Bedürfnisse befriedigt, die sich in meiner Einsamkeit überhaupt einstellen konnten; aber nie schweigen die Wünsche des Menschen still. Ich wollte mit dem gewonnenen Nützlichen auch das Angenehme verbinden, und was konnte mir da wohl näher liegen als der Besitz – einer Tabakspfeife? Hatte ich mich doch in der Töpferei hinlänglich erprobt, daß mir die Fabrikation eines Pfeifenkopfes nur leichtes Spiel schien; auf künstlerische Verzierung dieses Thonstückes mußte ich freilich immer noch Verzicht leisten. Ein ausgehöhltes Rohr herzurichten, machte wenig Kopfzerbrechen, und so konnte ich nun mit meinem edlen Kraute das Inselreich durchdampfen.
Ich kann nicht sagen, daß mir in fünf Jahren etwas Ungewöhnliches begegnet sei, denn ich lebte in derselben Lage, an dem nämlichen Orte, auf die gleiche Weise wie früher. Ich baute mein Korn, buk Brot, erntete Trauben ein und sorgte immer für einen ausreichenden Vorrat hinsichtlich aller nötigen Nahrungsmittel; oft ging ich auf die Jagd, schoß Vögel und Ziegen, fing auch, um eine sehr schmackhafte Suppe zu haben, dann und wann eine Schildkröte und angelte Fische. Daß ich auch die ehrsamen Gewerke eines Zimmermanns, Töpfers, Korbflechters, selbst des Schneiders in Ehren hielt, habe ich bereits erwähnt.
Während dieser fünf Jahre richtete ich mein Hauptaugenmerk darauf, mir eine andre Barke zu bauen, diesmal aber die Sache klüger anzufangen als vorher. Zwar fand ich auch jetzt nicht näher am Strande einen für mein Vorhaben tauglichen Baum; denn die Baumregion begann erst eine ziemliche Strecke vom Ufer. Da schlenderte ich eines Tages ungefähr eine halbe Stunde landeinwärts, längs dem Ufer jenes Baches hin, wo ich mit den Flößen gelandet war. Dort fand ich endlich, etwa zehn Schritt vom Wasser, was ich suchte. Ich fällte den Baum, handhabte dann unablässig Beil und Meißel und hatte schließlich die Freude, meine Piroge fertig zu sehen. Nun grub ich einen Kanal, schaffte unter manchem Schweißtropfen mein Kanoe von der Werft auf das Wasser und flößte es nach dem Meere hinab in die Bucht.
Robinsons Tabakspfeife.