Robinson säet Getreide. – Korbflechterei. – Töpferarbeiten. – Weitere Entdeckungsreisen auf der Insel. – Tierreicher Küstenstrich. – Robinson bringt einen Papagei sowie eine Ziege nach Hause. – Tröstliche Gedanken über Sonst und Jetzt. – Tageseinteilung. – Verheerung des Getreidefeldes. – Exekution an den Kornplünderern. – Kleine Ernte.
Mit Anfang November ließ der Regen nach, und es lockte mich an dem ersten schönen Tage nach dem Innern der Insel zu meinem Lusthause. Hier fand ich noch alles so unversehrt, wie ich es wenige Monate vorher verlassen hatte. Die Hecke, welche ich um meine Villa gezogen, war wohl erhalten, nur der »lebendige« Zaun war mit einem Wäldchen grüner frischer Reiser geschmückt, die in wilder Unordnung sich ineinander schlangen. Diese verschnitt ich und suchte in das ganze Gewirr einige Ordnung zu bringen. In der That versprach die Fenz schon nach wenigen Jahren ein dichtes und schattiges Laubdach zu bilden. Eine gleiche grüne Mauer zog ich auch um mein festeres Haus am Strande, und die Folgezeit lehrte, welchen Vorteil mir diese Pflanzung bei Verteidigung meiner Stammburg brachte.
Da mein ohnehin kleiner Vorrat von Tinte durch die tägliche und umständliche Aufzeichnung der gewöhnlichen Begebenheiten und Beschäftigungen sehr auf die Neige ging, so mußte ich ernstlich auf möglichste Beschränkung meiner Schreibseligkeit Bedacht nehmen, und nur die merkwürdigsten Ereignisse wurden fortan noch aufgezeichnet.
Schon früher erwähnte ich der mir unerwartet zugekommenen Getreidehalme. Ich glaubte nun gut zu thun, wenn ich die gewonnenen Körner nach der Regenzeit säete. Deshalb grub ich ein Stück Land, so schwer es mir auch wurde, mit einem hölzernen Spaten um, teilte es in zwei Hälften und übergab die Körner der ernährenden Mutter Erde; den dritten Teil derselben behielt ich indes aus Vorsorge zurück, falls ich die Jahreszeit nicht richtig gewählt haben sollte. Der folgende Monat war ein außerordentlich trockener und ließ meine Saat kaum zum Aufkeimen kommen; ja, ich mußte ganz auf eine Ernte verzichten, da sich die Keime vor der wiederkehrenden Regenzeit nicht bis zur Reife entwickeln konnten. Ich suchte nun einen feuchteren Boden auf, grub ihn um und säete den zurückbehaltenen Rest der Körner im Februar, kurz vor dem Eintritt der nassen Jahreszeit. Die regnerischen Monate März und April waren meiner Pflanzung, auf die ich meine letzten Hoffnungen gegründet hatte, so günstig, daß ich etwa ein Liter von jeder Gattung erntete.
Die Jahreszeiten wechselten unter dem Himmel meiner Insel nicht mit so angenehmen Übergängen wie in der Heimat, sondern sie schieden sich nur in zwei Perioden, in eine trockene und eine nasse: von Mitte Februar bis Mitte April Regen, von Mitte April bis Mitte August trockene Zeit; von Mitte August bis Mitte Oktober Regen, von Mitte Oktober bis Mitte Februar Trockenheit.
Die gezwungene Zurückgezogenheit in den Regenmonaten benutzte ich zu allerhand nützlichen Beschäftigungen. So versuchte ich unter anderm auch, einen Korb zu flechten, und wurde in dieser Arbeit durch Erinnerungen aus frühester Kindheit unterstützt. Wie hätte ich vorher ahnen können, daß die Besuche bei unserm Nachbar Korbflechter, in dessen Werkstatt ich ein täglicher Gast gewesen, mir später nützlich sein würden? Die ersten Zweige, mit denen ich meine Arbeit beginnen wollte, zeigten sich freilich recht spröde. Meine Blicke lenkten sich unwillkürlich auf die jungen Stecklinge um die Hütte; diese versprachen besseres Flechtmaterial. Ich fand sie wirklich so geschmeidig wie Weidenruten, und es ward meinen Künstlerhänden nicht schwer, die verschiedensten Körbe zu mannigfachen Zwecken herzustellen.
Meine häuslichen Verhältnisse hatten sich immer behaglicher gestaltet, nur noch ein einziges Gerät vermißte ich schmerzlich: ein Kochgeschirr. Zwar besaß ich einen Kessel; allein dieser war von so bedeutender Größe, daß ich darin weder ein kleines Stück Fleisch kochen, noch weniger mir Fleischbrühe bereiten konnte. Wie ließ sich diesem Übelstand abhelfen? Ich dachte so: wenn es mir gelänge, Thonerde zu finden, so könnte wohl die Glut der tropischen Sonne meine Töpferarbeiten trocknen. Ach! – meine Töpferarbeiten! Ich will hier nicht erzählen, wie viel ungeschickte Versuche ich machte, welche ungeheuerlichen Formen sich die Mutter Erde unter meinen Händen gefallen lassen mußte, wie oft meine Gefäße in der großen Sonnenhitze zerbröckelten oder beim Fortschaffen zerbrachen. Erst nach zwei Monaten hatte ich endlich zwei Erzeugnisse zusammengebracht, die nicht einmal mit den schlechtesten Schiffskrügen nur annähernd verglichen werden konnten. Weniger mißlangen meine Versuche im Anfertigen kleinerer Gefäße, z. B. der Teller, Töpfe, Krüge, kurz aller Gerätschaften, die sich mit der Hand formen ließen. Dabei kam mir auch die günstige Witterung zu statten; die Sonne meinte es in diesen Tagen überaus gut, so daß mein Töpfergeschirr in erwünschter Weise Härte gewann.
Mittels meiner fortschreitenden Töpferkünste hatte ich mir Gefäße zum Aufbewahren von allerlei Lebensmitteln beschafft, aber noch immer fehlten mir solche, welche auch das Feuer auszuhalten vermochten. Da ich weder einen Begriff von der Einrichtung eines Ofens, noch von der Glasur hatte, mit der die Töpfer ihre Waren überziehen, so beschränkte ich mich darauf, drei Krüge dicht nebeneinander zu stellen; auf diese setzte ich kleinere Geschirre, und um die so aufgetürmte Pyramide zündete ich dann ein tüchtiges Feuer an, welches die Sandbestandteile der Thonerde schmelzen sollte. Die Töpfe nahmen nach Verlauf von fünf bis sechs Stunden eine hochrote Farbe an. So wurde ich schließlich der glückliche Besitzer von drei leidlichen Krügen nebst zwei irdenen Töpfen, die sich auch als feuerfest erwiesen.
Von meiner Insel blieb noch mancher Teil zu durchstreifen übrig. Deshalb nahm ich eines Tages meine Flinte samt der nötigen Munition, ein Beil, zwei Zwiebäcke sowie ein Päckchen Rosinen mit und machte mich in Begleitung meines Hundes auf den Weg. Am Ende des Thales angelangt, in welchem meine Villa lag, sah ich westwärts auf das Meer und, da die Luft äußerst rein und durchsichtig war, fern am Horizont einen nebligen Streifen, der von West nach West-Süd-West verlief und eine Ausdehnung von fünf bis sechs Stunden haben mochte. Zwar wußte ich nicht, ob ich die Küste einer Insel oder die des amerikanischen Festlandes erblickte; vielleicht war ich auf dem rechten Wege, als ich vermutete, daß die spanischen Kolonien nicht allzu entfernt von jenem Küstenstriche lägen, und daß sich doch wohl ein Schiff in diesen Gewässern sehen lassen müsse. Möglicherweise konnten aber auch dort jene wilden, menschenfressenden Völkerschaften hausen, die unter dem Namen »Kannibalen« weithin gefürchtet sind.
Unter solcherlei Gedanken schritt ich über Ebenen und Wiesen, die mit Pflanzen und Blumen prächtig geschmückt und auch mit Sträuchern besetzt waren. Auf den Bäumen hatten sich Scharen von Tauben niedergelassen, deren Gegirr von dem schrillen Geschrei buntgefiederter Papageien übertönt ward. Solch einen schmucken Papagei mußte ich haben, und in der That gelang es mir, einen jungen Vogel dieser Art zu fangen, indem ich ihn durch einen Wurf mit meinem Wanderstab so gut traf, daß er betäubt vom Aste herabfiel. Ich hob ihn auf, er kam allmählich wieder zu sich, und ich nahm ihn mit mir.