So gut ich konnte, lenkte ich nun mein Floß, um es in die Mitte des Fahrwassers zu bringen. Ich bot alles mögliche auf, indem ich meinen Rücken gegen die Kisten stemmte und zu gleicher Zeit mich bemühte, das Floß richtig zu leiten. Fast eine halbe Stunde mußte ich in dieser anstrengenden Stellung aushalten, bis endlich die steigende Flut mein Floß hob, worauf ich glücklich in die Bucht einlief. Da aber die Ufer steil emporstiegen, so bemühte ich mich, mein Floß durch das Ruder wie durch einen Anker festzuhalten, bis die Flut ihre größte Höhe erreicht haben würde. Später trieb ich auf eine flache Uferstelle und heftete zwei meiner zerbrochenen Ruder an zwei Enden in den Grund. Auf diese Art lag ich so lange still, bis die Ebbe wiedereintrat, worauf mein Floß samt seiner Ladung auf dem Trockenen sitzen blieb.
Ich darf hier nicht vergessen, daß wir an Bord einen Hund und zwei Katzen hatten. Letztere hatte ich auf das Floß mitgenommen, der Hund aber war selbst ins Meer gesprungen und folgte mir schwimmend bis ans Ufer. Dieses anhängliche Tier blieb jahrelang mein treuer Gefährte und leistete mir wesentliche Dienste. Es fehlte ihm nur die Sprache, um mir die Gesellschaft eines Menschen zu ersetzen.
Kaum eine halbe Stunde fern dem Punkte, wo ich mit meinem Floß gelandet war, erhob sich ein steiler Berg, welcher aus einer Kette andrer Berge, die sich nach Norden hinzog, am höchsten emporragte. Ich nahm eine Jagdflinte, eine Pistole und ein gefülltes Pulverhorn, und so bewaffnet erklomm ich die Spitze des Berges. Von hier aus sah ich erst, daß ich mich auf einer Insel befand. Nirgends war größeres Land zu sehen, nur in der Ferne hohe, kaum erkennbare Felsenriffe, und nach Westen zu, etwa zwei Stunden weit, zwei kleinere Inseln. Allem Anscheine nach war die Insel, auf der ich mich befand, unbewohnt; auch von wilden Tieren konnte ich nichts wahrnehmen. Dagegen sah ich eine große Menge Vögel, deren Gattung ich nicht kannte und die sich vielleicht zur Speise nicht einmal eigneten. Bei meiner Rückkehr schoß ich einen großen Vogel, der auf einem Baume saß. Es war wohl der erste Schuß, welcher hier seit Erschaffung der Welt gefallen. Denn kaum ertönte der Knall, als sich aus allen Teilen des Gehölzes unzählige Vögel aller Art erhoben und mit wirrem Geschrei durcheinander emporschwirrten. Der erlegte Vogel glich an Farbe und Gestalt einem Habicht, nur die Form seiner Klauen war etwas abweichend. Leider erwies sich sein Fleisch als ungenießbar.
Robinson auf der Vogeljagd.
Ich mußte schon mit den Ergebnissen dieser ersten Entdeckungsreise zufrieden sein und kehrte deshalb nach meinem Floß zurück. Jetzt schiffte ich meine Ladung aus, womit ich den Rest des Tages verbrachte. Was in der Nacht aus mir werden sollte, wußte ich noch nicht, denn auf bloßer Erde zu schlafen schien mir bedenklich. Deshalb verbarrikadierte ich mich mit Kisten und Brettern, die ich ans Land gebracht hatte, und baute mir für die Nacht eine Art Hütte.
Am nächsten Morgen überlegte ich, daß ich aus dem gestrandeten Schiffe wohl noch eine Menge brauchbarer Dinge mir beschaffen könnte, und ich beschloß, wenn möglich, eine zweite Reise nach dem Fahrzeuge zu unternehmen, ehe ein nächster Seesturm das Wrack vollständig zertrümmern würde.
Zu solchem Zwecke beschloß ich, in gleicher Weise wie das erste Mal zu verfahren. Ich ließ meine Kleider in der Hütte zurück und behielt außer dem Hemd nur leinene Beinkleider sowie die Schuhe an. In diesem Anzuge schwamm ich an das Wrack und baute dort schneller als das erste Mal ein geeigneteres Floß zur Aufnahme einer neuen Ladung. Unter den Vorräten des Zimmermanns fand ich ein paar Beutel mit Nägeln und Schrauben, einen großen Bohrer, eine Anzahl Beile und Äxte und einen Schleifstein. Von den Gerätschaften des Kanoniers nahm ich zwei oder drei Hebeeisen, zwei Fäßchen mit Musketenkugeln, sieben Musketen und eine Bergflinte, einen kleinen Vorrat Pulver, einen tüchtigen Beutel mit Schrot und eine große Rolle dünngeschlagenes Blei.
Außerdem eignete ich mir alle Kleidungsstücke an, die ich nur finden konnte, ferner ein Vormarssegel sowie eine Hängematte mit Bettzeug. Reich beladen brachte ich dann das Floß zu meiner Freude glücklich ans Land.