Prinz Hektor lachte dem Fürsten ohne Umstände in's Gesicht, und rief nach dem Wagen.
Die Benzon mußte, so wollt' es die Fürstin aus Besorgnis für Hedwiga, mit Julien im Schlosse bleiben. Sie wußte, welche psychische Macht sonst die Benzon über die Prinzessin übte, und ebenso, daß dieser psychischen Macht auch Krankheitszufälle der Art zu weichen pflegten. In der Tat geschah es auch diesmal, daß Hedwiga in ihrem Zimmer sich bald erholte, als die Benzon ihr unermüdlich zugeredet mit sanften Worten. Die Prinzessin behauptete nichts Geringeres, als daß im Tanzen der Prinz sich in ein drachenartiges Ungeheuer verwandelt, und mit spitzer, glühender Zunge ihr einen Stich ins Herz gegeben habe. „Gott behüte, rief die Benzon, am Ende ist Prinz Hektor gar das mostro turchino aus der Gozzischen Fabel! — Welche Einbildungen! zuletzt wird es sich so begeben, wie mit Kreisler, den Sie für einen bedrohlichen Wahnsinnigen hielten!“ — „Nimmermehr, rief die Prinzessin heftig, und setzte dann lachend hinzu: wahrhaftig, ich wollte nicht, daß mein guter Kreisler sich so plötzlich in das mostro turchino verwandelte, wie Prinz Hektor!“ —
Als am frühsten Morgen die Benzon, die bei der Prinzessin gewacht, in Juliens Zimmer trat, kam ihr diese entgegen, erblaßt, übernächtig, das Köpfchen gehängt, wie eine kranke Taube. „Was ist Dir, Julie“, rief ihr die Benzon, die nicht gewohnt, die Tochter in solchem Zustande zu sehen, erschrocken entgegen. „Ach Mutter“, sprach Julie ganz trostlos, „ach Mutter, niemals mehr in diese Umgebungen; mein Herz erbebt, wenn ich an die gestrige Nacht denke. — Es ist etwas Entsetzliches in diesem Prinzen; als er mich anblickte, ich kann Dir's nicht beschreiben, was in meinem Innern vorging. — Ein Blitzstrahl fuhr tötend aus diesen dunklen, unheimlichen Augen, von dem getroffen ich Ärmste vernichtet werden konnte. — Lache mich nicht aus, Mutter, aber es war der Blick des Mörders, der sein Opfer erkoren, das mit der Todesangst getötet wird, noch ehe der Dolch gezückt! — Ich wiederhol' es, ein ganz fremdes Gefühl, ich 169vermag es nicht zu nennen, bebte wie ein Krampf mir durch alle Glieder! — Man spricht von Basilisken, deren Blick, ein giftiger Feuerstrahl, augenblicklich tötet, wenn man es wagt, sie anzuschauen. Der Prinz mag solchem bedrohlichen Untier gleichen.“
„Nun, rief die Benzon laut lachend, muß ich in der Tat glauben, daß es mit dem mostro turchino seine Richtigkeit hat, da der Prinz, ist er gleich der schönste, liebenswürdigste Mann, zweien Mädchen erschienen ist als Drache, als Basilisk. Der Prinzessin traue ich die tollsten Einbildungen zu, aber daß meine ruhige sanfte Julie, mein süßes Kind, sich hingeben sollte, närrischen Träumen.“ — Und Hedwiga, unterbrach Julie die Benzon, ich weiß nicht, welch' eine böse feindliche Macht sie losreißen von meinem Herzen, ja mich hineinstürzen will in den Kampf einer fürchterlichen Krankheit, der in ihrem Innern wütet! — Ja, Krankheit nenne ich der Prinzessin Zustand, gegen den die Ärmste nichts vermag. Als sie gestern sich schnell abwandte von dem Prinzen, als sie mich liebkoste, umarmte, da fühlte ich, wie sie in Fieberhitze glühte. Und dann das Tanzen, das entsetzliche Tanzen! Du weißt Mutter, wie ich die Tänze hasse, in denen es den Männern vergönnt, uns zu umschlingen. — Es ist mir, als müßten wir in dem Augenblick alles aufgeben, was Sitte und Anstand erfordern und den Männern eine Übermacht einräumen, die wenigstens den zartfühlenden unter ihnen unerfreulich bleiben wird. — Und nun Hedwiga, die nicht aufhören konnte, jenen südlichen Tanz zu tanzen, der mir, je länger er dauerte, desto abscheulicher schien. Rechte teuflische Schadenfreude war es, die aus den Augen des Prinzen blitzte —“
„Närrin, sprach die Benzon, was fällt Dir alles ein! — Doch! — ich kann Deine Gesinnung über das alles nicht tadeln, bewahre sie treulich, aber sei nicht ungerecht gegen Hedwiga, denke überhaupt gar nicht weiter nach, was mit ihr ist und mit dem Prinzen, schlage es Dir aus dem Sinn! — Willst Du, so werd' ich dafür sorgen, daß Du eine Zeitlang weder Hedwiga noch den Prinzen sehen darfst. Nein, Deine Ruhe soll nicht gestört werden, mein gutes, liebes Kind! Komm an mein Herz!“ — Damit umarmte die Benzon Julien mit aller mütterlicher Zärtlichkeit.