(Mak. Bl.) — Hättest, geliebter Leser, das freilich schon etwas früher erfahren können, aber der Himmel gebe, daß ich nicht noch mehr querfeldein springen muß, als es bis jetzt schon geschehen. — Also, wie gesagt, dem Vater des Prinzen Hektor war es ebenso ergangen wie dem Fürsten Irenäus: er hatte, selbst wußte er nicht wie, sein Ländlein aus der Tasche verloren. Prinz Hektor, der zu nichts Wenigerem aufgelegt, als zum stillen, friedlichen Leben, der, unerachtet ihm der Fürstenstuhl unter den Beinen weggezogen, doch gern aufrecht stehen, und statt zu regieren, wenigstens kommandieren wollte, nahm französische Dienste, war ungemein tapfer, ging aber, als ihn eines Tages ein Zittermädel anplärrte: Kennst du das Land, wo die Zitronen glühn? sofort nach dem Lande, wo dergleichen Zitronen wirklich glühn, das heißt nach Neapel, und zog statt der französischen Uniform eine neapolitanische Uniform an. Er wurde nämlich so geschwinde General, wie es nur irgendeinem Prinzen geschehen kann. — Als der Vater 164des Prinzen Hektor gestorben, schlug Fürst Irenäus das große Buch auf, worin er selbst sämtliche fürstliche Häupter in Europa verzeichnet, und notierte den erfolgten Tod seines fürstlichen Freundes und Gefährten im Malheur. Nachdem dies geschehen, schaute er lange den Namen des Prinzen Hektor an, rief dann sehr laut: Prinz Hektor! und klappte den Folianten so heftig zu, daß der Hofmarschall entsetzt drei Schritte zurückprallte. Nun stand der Fürst auf, ging langsam im Zimmer auf und ab, und schnupfte so viel Spaniol, als nötig, um eine ganze Welt von Gedanken in Ordnung zu bringen. Der Hofmarschall sprach viel von dem seligen Herrn, der nächst vielen Reichtümern ein aimables Herz besessen, vom jungen Prinzen Hektor, der vergöttert werde in Neapel von dem Monarchen und der Nation usw. Fürst Irenäus schien das alles nicht zu beachten, er blieb plötzlich dicht vor dem Hofmarschall stehen, schaute ihn an mit dem entsetzlichen Friedrichsblick, sprach sehr stark: Peutêtre! und verschwand in das Nebenkabinett.
Gott, sprach der Hofmarschall, der gnädigste Fürst haben gewiß die konsiderabelsten Gedanken, vielleicht gar Pläne.
Es war dem so. — Fürst Irenäus dachte an den Reichtum des Prinzen, an seine Verwandtschaft mit mächtigen Häuptern, er rief sich die Überzeugung in's Gedächtnis, daß Prinz Hektor gewiß noch den Degen mit dem Zepter vertauschen werde, und ihm kam der Gedanke, daß die Vermählung des Prinzen mit der Prinzessin Hedwiga von den ersprießlichsten Folgen sein könne. Ganz im geheimsten Geheim mußte der Kammerherr, den der Fürst sogleich absandte, um dem Prinzen seinerseits namhaftes Beileid über den Tod des Vaters zu bezeigen, das bis auf die Farbe der Haut wohlgetroffene Miniaturbild der Prinzessin in die Tasche stecken. — Es ist hier zu bemerken, daß die Prinzessin in der Tat eine vollendete Schönheit zu nennen gewesen, hätte ihre Haut weniger in's Gelbe gespielt. Daher war ihr die Beleuchtung des Kerzenscheins günstig. —
Der Kammerherr richtete den geheimen Auftrag des Fürsten — niemanden, selbst nicht der Fürstin, hatte dieser das mindeste von seiner Absicht vertraut, — sehr geschickt aus. Als der Prinz das Gemälde sah, geriet er beinahe in dieselbe Ekstase, wie sein prinzlicher Kollege in der Zauberflöte. Wie Tamino hätte er beinahe, wenn auch nicht gesungen, doch gerufen: „dies Bildnis ist bezaubernd schön, und dann weiter: soll die Empfindung Liebe sein, ja, ja die Liebe ist's allein!“ — Bei Prinzen ist es sonst eben nicht die Liebe 165allein, die sie streben läßt nach der Schönsten, indessen dachte Prinz Hektor gerade nicht an andere Verhältnisse, als er sich hinsetzte und an den Fürsten Irenäus schrieb: es möge ihm vergönnet sein, sich um Herz und Hand der Prinzessin Hedwiga zu bewerben.
Fürst Irenäus antwortete, daß, da er mit Freuden in eine Vermählung willige, die er schon seines verstorbenen fürstlichen Freundes halber aus dem Grunde des Herzens wünsche, es gar keiner weitern Bewerbung eigentlich bedürfe. Da aber die Form sauviert werden müsse, möge der Prinz einen artigen Mann von dem gehörigen Stande nach Sieghartsweiler senden, den er ja auch gleich mit Vollmacht versehen könne, die Trauung zu vollziehen, und nach altem schönem Herkommen, gestiefelt und gespornt, den Bettsprung zu unternehmen. Der Prinz schrieb zurück: Ich komme selbst, mein Fürst! —