„Die Liebe des Künstlers, sprach sie, indem sie niedersank in den Lehnstuhl und wie im Nachsinnen den Kopf auf die Hand stützte, die Liebe des Künstlers! — so geliebt zu werden! — o es ist ein schöner herrlicher Traum des Himmels — nur ein Traum, ein leerer Traum.“ —
Sie scheinen, nahm Kreisler das Wort, Gnädigste, für Träume eben nicht sehr portiert, und doch sind es lediglich die Träume, in denen uns recht die Schmetterlingsflügel wachsen, so daß wir dem engsten, festesten Kerker zu entfliehen, uns bunt und glänzend in die hohen, in die höchsten Lüfte zu erheben vermögen. Jeder Mensch hat doch am Ende einen angebornen Hang zum Fliegen, und ich habe ernste honette Leute gekannt, die am späten Abend sich bloß mit Champagner, als einem dienlichen Gas, füllten um in der Nacht, Luftballon und Passagier zugleich, aufsteigen zu können. —
Sich so geliebt zu wissen, wiederholte die Prinzessin noch bewegter als vorher.
Und, sprach, als die Prinzessin schwieg, Kreisler weiter, was die Liebe des Künstlers betrifft, wie ich sie zu schildern mich bemüht, so haben Sie, Gnädigste! freilich das böse Beispiel des Herrn Leonhard Ettlinger vor Augen, der Musikant war, und lieben wollte wie die guten Leute, worüber sein schöner Verstand freilich etwas wacklicht werden konnte, aber eben deshalb mein ich, war Herrn Leonhard kein echter Musikant. Diese tragen die erkorne Dame im Herzen und wollen nichts als ihr zu Ehren singen, dichten, malen, und sind in der vorzüglichsten Courtoisie den galanten Rittern zu vergleichen, ja was unschuldsvolle Gesinnung betrifft, ihnen vorzuziehen, da sie nicht verfahren wie sonst diese, die blutdürstiger Weise, waren nicht gleich Riesen, Drachen bei der Hand, die schätzbarsten Leute niederstreckten in den Staub, um der Herzensdame zu huldigen! —
Nein, rief die Prinzessin, wie erwachend aus einem Traum, es ist unmöglich, daß in der Brust des Mannes ein solch reines Vestas Feuer sich entzünden sollte! — Was ist die Liebe des Mannes anders, als die verräterische Waffe, die er gebraucht, einen Sieg zu feiern, der das Weib verdirbt, ohne ihn zu beglücken.
140Kreisler wollte sich eben über solche absonderlichen Gesinnungen einer siebzehn-, achtzehnjährigen Prinzessin höchlich verwundern, als die Türe aufging, und Prinz Ignatius hineintrat.
Der Kapellmeister war froh, ein Gespräch zu enden, das er sehr gut mit einem wohleingerichteten Duett verglich, in dem jede Stimme ihrem eigentümlichen Charakter getreu bleiben muß. Während die Prinzessin, so behauptete er, im wehmütigen Adagio beharrt, und nur hie und da einen Mordent, einen Pralltriller angebracht, sei er als ein vorzüglicher Buffo und erzkomischer Chanteur mit einer ganzen Legion kurzer Noten parlando dazwischengefahren, so daß er, da das Ganze ein wahres Meisterstück der Komposition und der Ausführung zu nennen, nichts weiter gewünscht, als der Prinzessin und sich selbst zuhören zu können aus irgendeiner Loge oder einem schicklichen Sperrsitz.
Also Prinz Ignatius trat hinein mit einer zerbrochenen Tasse in der Hand, schluchzend und weinend.
Es ist nötig, zu sagen, daß der Prinz, unerachtet hoch in die zwanzig, doch sich noch immer nicht von den Lieblingsspielen der Kinderjahre trennen konnte. Ganz vorzüglich liebte er schöne Tassen, mit denen er stundenlang in der Art spielen konnte, daß er sie in Reihen vor sich hinstellte auf den Tisch, und diese Reihen immer anders und anders ordnete, so daß bald die gelbe Tasse neben der roten, dann die grüne bei der roten usw. stehen mußte. Dabei freute er sich so innig, so herzlich, wie ein frohes zufriedenes Kind.
Das Unglück, worüber er jetzt lamentierte, bestand darin, daß ihm der kleine Mops unversehens auf den Tisch gesprungen war, und die schönste der Tassen herabgeworfen hatte.