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46 Gen Süden! Gen Süden!-Auf dem Östberge
日期:2020-09-18 16:22  点击:257
Wer sich je in Gebirgsgegenden aufgehalten hat, weiß, wie beschwerlich der Nebel sein kann, wenn er sich über eine Landschaft hereinwälzt und die ganze Aussicht verhüllt, so daß man von allen den schönen ringsumher aufragenden Bergen gar nichts sieht. Mitten im Sommer kann man in solch einen Nebel hineingeraten, und im Herbst ist es kaum möglich, ihm zu entgehen, das kann man mit Wahrheit behaupten. Nils Holgersson hatte im ganzen genommen recht schönes Wetter gehabt, solange sich die Wildgänse noch in Lappland befanden; aber kaum hatten sie gemeldet, jetzt ginge es nach Jämtland hinein, als die Nebel auch schon um sie her aufstiegen und sich so verdichteten, daß sie nichts von der Landschaft sahen. Der Junge flog einen ganzen Tag auf dem Rücken des Gänserichs dahin, ohne zu wissen, ob er in einem Gebirgsland oder in einem Flachland wäre.
 
Gegen Abend ließen sich die Wildgänse auf einem grünen Platze nieder, der nach allen Seiten hin abfiel. Sie mußten sich also auf dem Gipfel eines Hügels befinden; ob dieser aber groß oder klein war, das konnte der Junge nicht herausbringen. Er dachte jedoch, sie müßten in einer bewohnten Gegend sein, denn er glaubte Menschenstimmen, sowie das Rasseln von Fuhrwerken zu hören, die auf einer Straße dahinrollten; ganz sicher war er seiner Sache indes nicht.
 
Er hätte sich schrecklich gerne nach einem Hofe umgesehen, fürchtete aber, sich im Nebel zu verirren, und so entschloß er sich, bei den Wildgänsen zu bleiben. Ringsum tropfte alles vor Nässe und Feuchtigkeit; an jedem Grashälmchen und jedem Kräutlein hingen kleine Tropfen, und der Junge bekam ordentlich einen Regenschauer auf sich hernieder, sobald er sich nur ein wenig bewegte. „Es ist hier nicht viel besser als droben im Felsental,“ dachte er. „Aber ein paar Schritte könnte ich doch machen,“ dachte er weiter. Und jetzt konnte er auch in ganz geringer Entfernung vor sich ein Gebäude unterscheiden, das zwar nicht umfangreich, aber viele Stockwerke hoch war; der Junge konnte nicht bis zum Dache hinauf sehen. Die Haustür war verschlossen, und das Haus schien ganz unbewohnt zu sein. Ach, es war natürlich nur ein Aussichtsturm, wo es weder etwas zu essen, noch ein gewärmtes Zimmer gab! Aber Nils Holgersson lief trotzdem in größter Eile zu den Wildgänsen zurück.
 
„Lieber Gänserich Martin,“ sagte er, „nimm mich auf den Rücken und trage mich auf den Turm dort drüben hinauf. Ich kann hier nicht schlafen, weil es überall zu naß ist; dort droben werde ich schon ein trockenes Plätzchen finden, wo ich mich niederlegen kann.“
 
Der Gänserich Martin war sogleich bereit, seinem guten Freunde zu helfen; er trug ihn hinauf auf das Plattdach des Turmes, und da schlief der Junge, bis ihn die Morgensonne weckte.
 
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Als er seine Augen aufschlug und sich umschaute, konnte er zuerst gar nicht begreifen, was er sah, oder wo er sich befand. Er war früher einmal auf einem Jahrmarkt in einem Zelt gewesen und hatte da ein mächtig großes Panorama gesehen; und jetzt war es ihm, als stehe er wieder mitten in so einem großen runden Zelt, mit einer schönen roten Decke über sich, während an den Wänden und am Boden hin eine prächtige weite Landschaft gemalt war, mit großen Dörfern, Wiesen, Landstraßen und Eisenbahnen, ja sogar mit einer ganzen Stadt. Es wurde ihm ja bald klar, daß er sich hier nicht in einem Panorama befand, sondern daß er selbst auf einem Aussichtsturm stand, mit dem roten Morgenhimmel über sich und einem wirklichen Land ringsumher. Aber er hatte jetzt schon so lange nichts anderes als Einöde gesehen, da war es nicht verwunderlich, daß er das, was er jetzt vor sich sah – eine richtige, dichtbebaute Landschaft, – für ein Gemälde hielt.
 
 
Und noch etwas war schuld daran, daß der Junge alles, was er sah, zuerst für ein Gemälde gehalten hatte; von allem, was er sah, hatte nämlich nichts seine richtige Farbe. Der Aussichtsturm, auf dem er sich befand, stand auf einem Berg, der Berg auf einer Insel, und die Insel selbst lag nahe bei dem östlichen Ufer eines großen Sees. Der See aber war nicht grau, wie solche Binnenseen sonst zu sein pflegen, sondern ein großer Teil seines Wasserspiegels schimmerte ebenso rosig wie der Morgenhimmel, und drinnen in den tiefen Buchten blinkte er fast nachtschwarz heraus. Und dann war das Land um den See herum nicht grün; mit allen seinen eingeheimsten Getreidefeldern und den goldigschimmernden Laubwäldern leuchtete es hellgelb herüber, und rings um das Gelbe zog sich ein breiter Gürtel aus schwarzem Nadelwald. Noch niemals war dem Jungen der Wald so schwarz erschienen wie an diesem Morgen; aber er meinte, es komme vielleicht daher, weil der Laubwald innerhalb des dunklen Fichtengürtels so besonders hell glänzte. Jenseits dieser dunkeln Strecke blauten im Osten einige Höhenzüge; aber am ganzen westlichen Horizont wölbte sich ein langgestreckter, glänzender Bogen aus zackigen, verschiedengeformten Bergen von einer wunderbar schönen, sanftglänzenden Farbe, die weder rot noch weiß noch blau genannt werden konnte, – es gab einfach gar keinen Namen für diese Schattierung.
 
Doch jetzt wendete der Junge seinen Blick von den Bergen und Nadelwäldern [428] ab und richtete ihn auf die nächste Umgebung. Rings um den See her in dem goldnen Gürtel tauchte allmählich ein rotes Dorf nach dem andern und eine weiße Kirche nach der andern auf, und direkt gen Osten, jenseits des schmalen Sundes, der die Insel vom Festland trennte, lag eine Stadt. Sie breitete sich am Seeufer aus, dicht hinter ihr ragte ein Berg auf, der sie beschützte, und ringsumher lag eine reiche dichtbevölkerte Landschaft.
 
„Diese Stadt hat es wirklich verstanden, sich eine gute Lage auszuwählen,“ dachte der Junge. „Wie sie wohl heißen mag?“
 
In demselben Augenblick fuhr er heftig zusammen und schaute sich um. Er war ganz in die Aussicht versunken gewesen und hatte deshalb gar nicht gemerkt, daß unten Menschen herangekommen waren.
 
Jetzt liefen diese Besucher eilig die Treppen herauf. Der Junge hatte gerade noch Zeit, sich nach einem Versteck umzusehen und sich dort zu verbergen; da waren sie auch schon oben.
 
 
Es war eine Schar junger Leute, die auf einer Fußwanderung begriffen waren. Sie hatten Jämtland durchstreift und gaben nun ihrer Freude in lauten Worten Ausdruck, daß sie am vorhergehenden Abend Östersund noch erreicht hätten und nun an diesem schönen Morgen die Aussicht vom Östberg auf die Frösö genießen könnten. Von hier aus könne man mehr als zwanzig Meilen im Umkreis umherschauen, nun könnten sie doch noch einen letzten Blick auf ihr liebes Jämtland werfen, ehe sie es verließen.
 
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„Dort unten haben wir Sunne,“ sagten sie. „Und dort liegt Marby und dort drüben Hallen. Was wir dort gerade im Norden sehen, ist die Kirche von Rödö, und die andere da unter uns ist die von Frösö.“
 
Dann unterhielten sie sich über die Berge. Die nächstliegenden seien die Oviksfjälle, sagten die einen, und die anderen stimmten alle damit überein; aber dann waren sie nicht ganz einig darüber, welcher wohl der Klövsjöfjäll und der Anarisfjäll seien, und wo Västerfjället, Almåsafjället und der Åreskutan lägen.
 
Während sie noch darüber sprachen, zog ein junges Mädchen eine Landkarte heraus, breitete sie auf ihren Knieen aus und studierte darin. Plötzlich schaute sie auf.
 
„Wenn ich das Jämtland so hier auf einer Karte sehe,“ sagte sie, „kommt es mir immer wie ein einziger großer Felsen vor. Ich warte immer darauf, daß mir jemand einmal erzählt, dieses Gebirge habe einst ganz aufrecht dagestanden und bis zum Himmel hinaufgereicht.“
 
„Das hätte wahrlich ein gewaltiger Berg sein müssen,“ sagte eines von den andern und lachte das junge Mädchen aus.
 
„Allerdings; aber deshalb ist er ja auch umgefallen. Hier, seht doch selbst! Es gleicht wahrhaftig einem richtigen hohen Berge mit breitem Fuß und spitzigem Gipfel.“
 
„Es paßt gar nicht so schlecht für ein Gebirgsland, wenn der ganze Gebirgsstock wie ein einzelner Berg aussieht,“ sagte wieder eines von den Umstehenden. „Ich habe zwar schon allerlei Sagen vom Jämtland gehört, aber doch noch nie …“
 
„Kennst du die Sage vom Jämtland?“ fiel ihm das junge Mädchen eifrig ins Wort. „Dann mußt du sie sogleich erzählen.“
 
„Und hier ist der allerbeste Platz zum Anhören, hier, wo wir gleich das ganze Land vor uns haben.“
 
[430]
 
Alle anderen stimmten mit dem jungen Mädchen überein; und ihr Gefährte ließ sich nicht lange nötigen, sondern begann sogleich seine Erzählung.
 
 

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