Der Junge ging ganz leise umher und suchte nach seinen Freunden. Ringsum im Tale war es überall ganz still. Die Sonne war noch nicht über die Felswände heraufgestiegen; es mußte also noch sehr früh am Tage sein, und die Wildgänse waren auch noch nicht aufgewacht. Der Junge hatte kaum einige Schritte gemacht, als er lächelnd stehen blieb, weil er etwas gar so Schönes sah. Dort im Grase lag eine Wildgans auf einem kleinen Neste, und neben ihr stand der Gänserich. Er schlief zwar auch, aber man sah wohl, er hatte sich so nahe dabei aufgestellt, um bei jeder Gefahr zur Hand zu sein.
Ohne die beiden zu stören, wanderte der Junge weiter und lugte zwischen die kleinen Weidenbüsche hinein, die überall wuchsen. Es dauerte auch nicht lange, da entdeckte er wieder ein Gänsepaar. Diese gehörten nicht zu seiner Schar; es waren Fremde, aber der Junge freute sich doch sehr über sie. Und plötzlich summte er ein fröhliches Liedchen vor sich hin, nur weil er mit ihnen zusammengetroffen war.
Jetzt schaute er wieder in ein Gebüsch hinein, und da entdeckte er endlich ein Paar, das er kannte. Das war ganz bestimmt Neljä, die da auf ihren Eiern lag, und der danebenstehende Gänserich war Kolme. Ja, ja, so war es! Eine Täuschung war ausgeschlossen!
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Er hatte die größte Lust, die beiden zu wecken, unterließ es dann aber doch und ging weiter.
Im nächsten Strauchwerk sah er Viisi und Kuusi, und nicht weit davon fand er Yksi und Kaksi. Alle vier schliefen, und der Junge ging vorüber, ohne sie zu stören.
Als er in die Nähe des nächsten Gebüsches kam, glaubte er zwischen den Zweigen etwas Weißes hervorschimmern zu sehen, und sogleich begann sein Herz vor lauter Freude laut und rasch zu klopfen. Ja, es war, wie er erwartet hatte! Da drinnen lag Daunenfein, noch eben so niedlich wie früher, auf ihren Eiern, und neben ihr stand der weiße Gänserich. Der Junge meinte, man könne ihm sogar im Schlafe ansehen, wie stolz er darauf war, da oben in den lappländischen Bergen bei seiner Frau Wache stehen zu dürfen.
Aber der Junge wollte auch den weißen Gänserich nicht wecken, leise ging er weiter wie bisher.
Er mußte ziemlich lange suchen, bis er auf weitere Wildgänse stieß. Aber da entdeckte er auf einem kleinen Hügel etwas, das einem grauen Erdhaufen glich. Und als er am Fuß des Hügels angekommen war, war der Erdhaufen nichts andres als Akka von Kebnekajse, die ganz hell wach da droben stand und sich umschaute, als bewache sie das ganze Tal.
„Guten Tag, Mutter Akka!“ sagte der Junge. „Wie schön, daß Ihr wach seid! Wollt Ihr jetzt nicht noch ein wenig warten, ehe Ihr die andern weckt? Ich möchte gar zu gerne ein wenig allein mit Euch sprechen.“
Die alte Anführergans stürzte den Hügel herunter und auf den Jungen zu. Zuerst packte sie ihn und schüttelte ihn, dann strich sie ihm mit dem Schnabel am ganzen Körper auf und ab, und dann schüttelte sie ihn noch einmal. Aber sie sagte kein Wort, denn er hatte sie ja gebeten, die andern nicht zu wecken.
Der Däumling küßte die alte Mutter Akka auf beide Wangen, und dann fing er an zu erzählen, wie er nach Skansen gebracht und dort gefangen gehalten worden war.
„Und nun kann ich Euch noch erzählen, daß Smirre, der Fuchs mit dem abgebissenen Ohre, in dem Fuchsbau auf Skansen gefangen saß,“ fuhr der Junge fort, nachdem er seine Erlebnisse berichtet hatte. „Und obgleich er sehr häßlich gegen uns gewesen ist, tat er mir doch herzlich leid. Es waren noch viele andre Füchse in dem großen Fuchskäfig; diesen schien es indes ganz wohl da zu sein, nur Smirre saß immer sehr betrübt da und sehnte sich nach der Freiheit. Ich hatte mir nach und nach viele gute Freunde da droben erworben, und eines Tages hörte ich von dem Lappenhund, es sei ein Mann nach Skansen gekommen, der Füchse kaufen wolle. Er sei von einer weit draußen im Meere liegenden Insel. Auf dieser Insel seien alle Füchse ausgerottet worden, infolgedessen aber könne man sich jetzt dort der Ratten nicht mehr erwehren, und deshalb wolle man wieder Füchse einführen.
Sobald ich das erfahren hatte, ging ich nach dem Fuchskäfig und sagte: ‚Smirre, morgen kommen Leute hierher, die einige Füchse kaufen wollen. [395] Versteck dich also nicht, sondern bleibe hier draußen und sorge dafür, daß du gefangen wirst, dann erhältst du deine Freiheit wieder.‘ Er ist dann meinem Rat gefolgt, und nun läuft er wohl auf jener Insel frei umher. Was sagt Ihr dazu, Mutter Akka? War das eine Tat nach Eurem Sinne?“
„Wenn ich es selbst gewesen wäre, hätte ich es nicht besser machen können,“ antwortete Akka.
„Es freut mich, daß Ihr damit einverstanden seid,“ sagte der Junge. „Nun aber möchte ich Euch noch etwas andres fragen. Eines Tages sah ich, daß der Adler Gorgo, der damals mit dem Gänserich Martin kämpfte, als Gefangener nach Skansen gebracht und da in den Adlerkäfig gesetzt wurde. Er sah gar elend und traurig aus, und manchmal war es mir, als müßte ich in das Stahldrahtnetz über seinem Kopf ein Loch feilen, damit er herausfliegen könnte. Aber dann dachte ich wieder: Nein, nein, denn er ist ja ein gefährlicher Räuber und Vogelfresser! Ich wußte nicht, ob es recht wäre, einen solchen Missetäter herauszulassen, und so dachte ich, es sei vielleicht doch am besten, wenn er bliebe, wo er war. Was sagt Ihr dazu, Mutter Akka? War das richtig gedacht?“
„Nein, das war gar nicht richtig gedacht,“ sagte Akka. „Man kann über die Adler denken, wie man will; aber sie sind stolzer und freiheitsliebender als andre Tiere, und es ist sehr unrecht, wenn sie in Gefangenschaft gehalten werden. Weißt du, was ich dir vorschlagen möchte? Sobald du ausgeruht hast, reisen wir beide hinunter zu dem großen Vogelgefängnis und befreien Gorgo.“
„Diese Worte habe ich von Euch erwartet, Mutter Akka,“ sagte der Junge. „Es gibt welche, die sagen, Ihr hättet keine Liebe mehr für den, den Ihr mit so großer Mühe aufgezogen habt, weil er so lebt, wie ein Adler seiner Natur nach leben muß. Aber eben jetzt hab ich gehört, daß es nicht so ist. Nun will ich nachsehen, ob der Gänserich Martin noch nicht erwacht ist, und wenn Ihr indessen dem ein Wort des Dankes sagen wollt, der mich zu Euch zurückgebracht hat, dann trefft Ihr ihn wahrscheinlich droben auf dem Felsenabsatz, wo Ihr einstmals ein hilfloses Adlerjunges gefunden habt.“