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33 Die Überschwemmung
日期:2020-09-10 11:22  点击:275
1. – 4. Mai
 
Mehrere Tage lang herrschte in den Gebieten nördlich vom Mälar entsetzliches Wetter. Der Himmel war dicht mit Wolken bedeckt, der Wind heulte, und es regnete in Strömen. Die Menschen und Tiere wußten wohl, daß es so sein mußte, wenn es Frühling werden sollte, trotzdem aber erschien ihnen dieses Wetter fast unerträglich.
 
Nachdem es einen Tag lang geregnet hatte, fingen die Schneemassen in den Wäldern im Ernst zu schmelzen an, und die Frühlingsbäche begannen zu rauschen. Alle Wasserpfützen auf den Höfen, das stillstehende Wasser in den Gräben, das Wasser, das zwischen den Grashügeln auf den Mooren und in den Teichen hervorquoll, alles miteinander kam in Bewegung und suchte sich einen Weg nach den Bächen, um nach dem Meere mitgenommen zu werden.
 
Die Bäche liefen so rasch wie nur möglich nach den Mälarflüssen, und die Flüsse taten ihr bestes, ihrerseits die Wassermassen dem Mälar zuzuführen. Und dann warfen an ein und demselben Tage alle kleinen Seen in Uppland und im Bergwerkdistrikt ihre Eisdecken ab. Dadurch füllten sich die Bäche mit Eisschollen, und das Wasser in ihnen stieg hurtig bis zu den Uferrändern. So vergrößert stürzten sich die Flüsse jetzt in den Mälar, und es dauerte nicht lange, da hatte dieser so viel Wasser aufgenommen, als er überhaupt fassen konnte. Reißend und wild schäumend drängte er seinem Ausfluß zu; aber der Norrstrom ist eine enge Wasserstraße, die das Wasser nicht so hurtig durchfließen lassen konnte, wie es nötig gewesen wäre. Überdies wehte ein sehr starker Ostwind, die Meereswellen brachen sich hoch aufschäumend am Ufer und standen dadurch dem Strom hindernd im Wege, als dieser sein Süßwasser in die Ostsee ergießen wollte. Da nun die Flüsse dem Mälar unaufhörlich neues Wasser zuführten, der Strom aber seine Fülle nicht so rasch hinausführen konnte, blieb dem großen See nichts andres übrig, als über seine Ufer zu treten.
 
Der See stieg sehr langsam, wie wenn er den schönen Ufern nur ungern Schaden zufügen würde. Da diese aber überall sehr niedrig und flach sind, [290] hatte das Wasser schon nach kurzer Zeit das Land weit überschwemmt, und mehr brauchte er nicht, um allerorten die größte Aufregung hervorzurufen.
 
Der Mälar ist ein See von ganz besonderer Beschaffenheit; er besteht aus lauter engen Fjorden, Buchten und Sunden. Nirgends breitet er sich zu weiten, sturmgepeitschten Flächen aus; er scheint zu nichts anderm geschaffen zu sein, als für Lustfahrten, Segeltouren und fröhlichen Fischfang, und er hat viele reizende bewaldete Holme und Landzungen. Nirgends sind nackte, einsame, vom Wind umfegte Ufer; es ist, als habe der See nie daran gedacht, daß hier etwas andres als Lustschlösser, Sommerhäuser, Herrenhöfe und Vergnügungsorte stehen sollten. Und weil er sich für gewöhnlich so freundlich und mild zeigt, gerät vielleicht gerade deshalb alles in so fürchterliche Aufregung, wenn er ab und zu einmal seine freundliche Miene ablegt und offenbart, daß er auch ernstlich gefährlich werden kann.
 
Da es nun aussah, als wolle der Mälar wirklich eine Überschwemmung anrichten, wurden alle Boote und Einbäume, die während des Winters ans Land gezogen waren, in aller Eile gedichtet und geteert, damit sie so rasch wie möglich zum Gebrauch bereit wären. Die Brücken der Waschfrauen wurden hereingezogen, die Landungsbrücken dagegen verstärkt. Die Bahnwärter, deren Aufgabe es war, die dem Ufer entlang laufenden Eisenbahnstrecken zu bewachen, gingen beständig auf dem Bahndamm hin und her und wagten weder bei Nacht noch bei Tag ein wenig zu schlafen.
 
Die Bauern, die auf den niedrigen Holmen Heu oder dürres Laub in Scheunen aufbewahrt hatten, schafften alles eilig ans Land herüber. Die Fischer zogen ihre Netze und Reusen ein, damit sie nicht vom Hochwasser mit fortgerissen würden. An den Fähren wimmelte es von Menschen, die rasch übergesetzt werden wollten. Wer immer unterwegs war, ob auf dem Heimwege oder nach auswärts, mußte sich beeilen, solange die Überfahrt noch möglich war.
 
In der Stockholmer Gegend, wo an den Ufern ein Dorf neben dem andern liegt, war die Geschäftigkeit am größten. Die meisten Landhäuser lagen allerdings so hoch über den Ufern, daß ihnen keine Gefahr drohte; aber jedes von diesen Landhäusern hatte ja auch sein Badehaus und seine Landungsbrücke, und sie mußten in Sicherheit gebracht werden.
 
Doch nicht allein die Menschen gerieten in Aufregung, als der Mälar über seine Ufer stieg, nein, auch die Tiere waren in großer Not: Die Enten, deren Eier zwischen den Büschen am Ufer lagen, die Wasserratten und die Spitzmäuse, die am Ufer wohnten und kleine hilflose Junge in ihrem Neste hatten, ja selbst die stolzen Schwäne bekamen Angst für ihre Nester und ihre Eier.
 
Und es waren keine unnötigen Sorgen, denn mit jeder Stunde wuchs der Mälar.
 
Den Weiden und Erlen an den Ufern ging das Wasser schon hoch an den Stämmen herauf. In die Gärten war das Wasser eingedrungen; es arbeitete [291] da in seiner eigenen Weise, und in den Gemüsebeeten und auf den Roggenfeldern, die ihm erreichbar waren, richtete es großen Schaden an.
 
Der See stieg und stieg, mehrere Tage hindurch. Die tiefgelegenen Wiesen um Gripsholm herum standen unter Wasser, und das große Schloß war jetzt nicht allein durch einen schmalen Graben, sondern durch breite Sunde vom Festlande getrennt. In Strängnäs wurde die schöne Strandpromenade in einen brausenden Fluß verwandelt, und in Wästerås bereitete man sich darauf vor, mit Booten in den Straßen umherzufahren. Ein paar Elche hatten auf einem Holm im Mälar überwintert; deren Lagerstatt geriet unter Wasser und kam ans Land geschwommen. Ganze Stapel Brennholz, eine Menge Bretter und Balken, Bottiche und Eimer schwammen umher, und überall waren die Leute eifrig bemüht, sie zu bergen.
 
In dieser schwierigen Zeit schlich Smirre, der Fuchs, eines Tages durch ein Birkengehölz, das etwas nördlich vom Mälar lag. Wie gewöhnlich beschäftigten sich seine Gedanken mit den Wildgänsen und dem Däumling, und er sann und sann, wie er sie wieder finden könnte, denn er hatte ihre Spur vollständig verloren.
 
Während er so ganz mutlos dahinwanderte, entdeckte er plötzlich die Taube Agar, die Botschafterin, auf einem Birkenzweig. „Wie gut, daß ich dich treffe, Agar!“ rief Smirre. „Du kannst mir vielleicht sagen, wo sich Akka von Kebnekajse mit ihrer Schar aufhält.“
 
„Es ist wohl möglich, daß ich es weiß,“ sagte Agar; „aber ich habe nicht im Sinn, es dir mitzuteilen.“
 
„Das ist mir auch einerlei,“ fuhr Smirre fort, „wenn du ihr nur eine Botschaft ausrichten willst, die man mir für sie aufgetragen hat. Du weißt doch, wie schrecklich es in diesen Tagen am Mälar aussieht. Es ist eine fürchterliche Überschwemmung, und das große Schwanenvolk, das in der Hjälstabucht wohnt, ist in größter Sorge um seine Nester und Eier. Nun hat der Schwanenkönig Dagklar von dem Knirps gehört, der mit den Wildgänsen umherzieht und für alles Rat weiß, und er hat mich zu Akka geschickt, sie zu bitten, mit dem Däumling nach der Hjälstabucht zu kommen.“
 
„Ich werde deinen Auftrag ausrichten,“ erwiderte Agar. „Aber es ist mir nicht recht klar, wie der kleine Wicht den Schwänen helfen könnte.“
 
„Mir ist es auch nicht klar, aber er kann ja alles mögliche.“
 
„Ich wundere mich auch sehr darüber, daß Dagklar einen Fuchs mit einem Auftrag an die Wildgänse schickt,“ wandte Agar ein.
 
„Da hast du ganz recht, wir sind sonst Feinde,“ erwiderte Smirre mit freundlicher Stimme. „Aber in der Not muß man einander beistehen. Übrigens wirst du gut tun, wenn du Akka nicht sagst, daß du die Botschaft durch einen Fuchs erhalten hast, sonst könnte sie am Ende mißtrauisch werden.“ 

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