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18 Von Taberg nach Huskvarna
日期:2020-09-04 11:29  点击:248
Freitag, 15. April
 
Der Junge wachte fast die ganze Nacht hindurch, aber gegen Morgen schlief er ein, und da träumte er von seinem Vater und seiner Mutter. Er konnte sie kaum wieder erkennen, denn sie hatten beide graues Haar bekommen, und ihre Gesichter waren alt und runzlig geworden. Er fragte sie, woher das komme, und sie sagten, sie seien so gealtert, weil sie so bittres Heimweh nach ihm gehabt hätten. Dies rührte ihn, aber es verwunderte ihn auch, denn er hatte immer geglaubt, sie würden sich nur freuen, ihn los zu sein.
 
Als der Junge erwachte, war es Morgen und helles schönes Wetter draußen. Zuerst aß er selbst ein Stück Brot, das er in der Stube fand, dann gab er der Kuh und den Gänsen ihr Morgenfutter, zuletzt machte er die Stalltür auf und sagte zu der Kuh, sie solle sich nach dem nächsten Hof begeben. Wenn sie allein daherkomme, würden die Nachbarn schon erraten, wie es bei ihrer Hausmutter stehe. Sie würden dann herbeieilen, um nach ihr zu sehen, da würden sie den Leichnam finden und ihn begraben.
 
Kaum hatte die kleine Gesellschaft sich in die Lüfte erhoben, als sie auch schon einen hohen Berg mit fast senkrechten Wänden und einem flachen Gipfel sahen. Das mußte der Taberg sein. Und richtig, auf dem Berggipfel standen Akka, Yksi und Kaksi, Kolme und Neljä, Viisi und Kuusi, sowie die sechs jungen Gänse, und alle warteten auf die drei Ankömmlinge. Das war eine Freude, als sie sahen, daß es dem Gänserich und Daunenfein gelungen war, Däumling zu finden! Es erhob sich ein Geschnatter und Flügelschlagen und Hin- und Herfragen, das gar nicht beschrieben werden kann.
 
Der Taberg ist ziemlich hoch hinauf mit Wald bestanden, aber oben auf dem Gipfel ist er ganz kahl, und von da aus kann man nach allen Seiten hin weit [149] umherschauen. Gegen Osten, Süden und Westen bietet sich dem Auge fast nichts dar, als ein armes bergiges Hochland mit dunklen Tannenwäldern, braunen Mooren, eisbedeckten Seen und blauenden Bergrücken. Unwillkürlich dachte der Junge, jene Sage über die Erschaffung von Småland müsse doch wohl wahr sein. Wer dieses Land geschaffen, habe sich nicht viele Mühe gegeben, sondern nur flüchtig drauf los gearbeitet. Als der Junge aber nach Norden schaute, da sah er etwas ganz andres. Hier sah das Land aus, als sei es mit der größten Liebe und Fürsorge geschaffen worden. Hier sah der Junge lauter schöne Berge, sanfte Täler, durch die sich Bäche schlängelten bis hin zu dem großen Wetternsee, der eisfrei und hell glänzend dalag und leuchtete, als sei er nicht mit Wasser, sondern mit blauem Licht gefüllt.
 
Ja, der Wettern war es, der gegen Norden alles so schön machte! Es sah gerade aus, als steige aus dem See ein blauer Schimmer auf, der sich über die Landschaft ausbreitete. Gehölze und Hügel und die Dächer und Türme der Stadt Jönköping lagen von einem blauen Schein umflossen da, den das Auge mit Wohlgefallen betrachtete. „Wenn es im Himmel Länder gibt,“ dachte der Junge, „dann sind sie wohl auch so blau wie dieses hier.“ Und es war ihm, als sei ihm eine Ahnung davon aufgegangen, wie es einst im Paradiese ausgesehen hatte.
 
Als die Gänse etwas später am Tage ihre Reise fortsetzten, flogen sie dem blauen Tale zu. Sie waren alle in bester Laune, schrieen und lärmten derart, daß alle, die nur Ohren zu hören hatten, auf sie aufmerksam werden mußten.
 
Dies war nun aber auch der erste so recht schöne Frühlingstag, den sie in diesem Landesteil erlebten. Bis dahin hatte der Frühling seine Arbeit unter Wind und Regen ausgeführt, und als es nun ganz schnell wunderschönes Wetter geworden war, überkam die Menschen drunten auf der Erde eine wahre Sehnsucht nach Sonnenwärme und nach grünen Wäldern, und sie konnten es kaum bei ihrer täglichen Arbeit aushalten. Als jetzt die Wildgänse frei und lustig hoch über ihnen dahinflogen, hielten alle ohne Ausnahme in ihrer Arbeit inne und schauten ihnen nach.
 
Die ersten, die an diesem Tage die Wildgänse erblickten, waren die Taberger Bergwerkleute, die damit beschäftigt waren, das Erz an der Oberfläche des Berges herauszubrechen. Als die Arbeiter die Wildgänse vernahmen, hörten sie auf, an ihren Sprenglöchern zu bohren, und einer von ihnen rief den Vögeln zu: „Wohin geht die Reise? Wohin geht die Reise?“
 
Die Gänse verstanden nicht, was er sagte; aber der Junge beugte sich über den Gänserücken vor und antwortete an ihrer Statt: „Dahin, wo es weder Pickel noch Hämmer gibt!“
 
Als die Grubenarbeiter diese Worte hörten, glaubten sie, ihre eigne Sehnsucht habe das Gänsegeschnatter wie menschliche Worte in ihren Ohren erklingen lassen. „Nehmt uns mit! Nehmt uns mit!“ riefen die Arbeiter.
 
„Heuer nicht!“ schrie der Junge. „Heuer nicht!“
 
Die Wildgänse flogen den Tabergfluß entlang nach dem Munksee, und immer noch verführten sie dasselbe Gelärm und Getue. Hier auf dem schmalen [150] Landstreifen zwischen dem Munksee und dem Wettern liegt Jönköping mit seinen großen Fabriken. Zuerst flogen die Gänse über die große Papierfabrik am Munksee hin. Die Mittagspause war eben zu Ende, und große Arbeiterscharen strömten dem Tor der Fabrik zu. Als sie die Wildgänse hörten, blieben sie einen Augenblick horchend stehen. „Wohin geht die Reise? Wohin geht die Reise?“ rief einer von den Arbeitern den Gänsen zu.
 
Die Wildgänse verstanden nicht, was er sagte, aber an ihrer Statt antwortete der Junge: „Dahin, wo es weder Maschinen noch Dampfkessel gibt!“
 
Die Arbeiter hörten diese Antwort, aber auch sie glaubten, ihre eigne Sehnsucht lasse ihnen das Gänsegeschnatter wie menschliche Worte erklingen. „Nehmt uns mit! Nehmt uns mit!“ rief eine ganze Menge Arbeiter miteinander.
 
„Heuer nicht! Heuer nicht!“ entgegnete der Junge.
 
Dann flogen die Gänse über die großen Zündholzfabriken hin. Groß wie eine Festung erheben sie sich am Ufer des Wettern, und ihre hohen Schornsteine ragen bis zum Himmel auf. Kein Mensch war auf den Höfen zu sehen, aber in einem großen Saal saßen junge Fabrikmädchen und füllten die Zündhölzer in Schachteln. Bei dem schönen Wetter hatten sie ein Fenster geöffnet, und das Rufen der Wildgänse drang zu ihnen herein. Das dem Fenster zunächst sitzende Mädchen beugte sich mit ihrer Zündholzschachtel in der Hand zum Fenster hinaus und rief: „Wohin geht die Reise? Wohin geht die Reise?“
 
„In ein Land, wo man weder Licht noch Zündhölzer braucht!“ antwortete der Junge.
 
Das Mädchen meinte freilich, was sie höre, sei nur Gänsegeschnatter, aber ein paar Worte schienen ihr doch klar geworden zu sein, und sie rief als Antwort: „Nehmt mich mit! Nehmt mich mit!“
 
„Heuer nicht!“ entgegnete der Junge. „Heuer nicht!“
 
Östlich von den Fabriken liegt Jönköping auf dem herrlichsten Platz, den eine Stadt nur einnehmen kann. Der schmale Wettersee hat auf seiner östlichen und westlichen Seite hohe, steile aus Sand gebildete Ufer, aber gegen Süden sind die Sandmauern eingestürzt, wie um Platz für ein großes Tor zu schaffen, durch das man zum See gelangen kann. Und mitten in dem Tor, mit Bergen rechts und Bergen links, dem Munksee hinter sich und dem Wettersee vor sich, liegt Jönköping.
 
Die Gänse flogen über die lange, schmale Stadt hin und vollführten auch hier noch immer denselben Lärm wie draußen auf dem Lande. Aber in der Stadt gab lange niemand acht auf sie. Es war nicht zu erwarten, daß die Stadtbewohner auf der Straße stehen bleiben und die Wildgänse anrufen würden. Jetzt flogen diese über der Anlage hin, wo die Büste des Dichters Viktor Rydberg aufgestellt ist. In der Anlage war es still und menschenleer, keine Spaziergänger waren unter den hohen Bäumen zu sehen. Aber plötzlich drang eine kraftvolle Stimme zu den Wildgänsen herauf: „Wohin geht die Reise? Wohin geht die Reise?“
 
„In das Land, wo es weder Straßen noch Plätze gibt!“ schrie der Junge.
 
[151]
 
„Nehmt mich mit!“ rief die starke Stimme. Sie klang so kräftig, als ob sie aus einem ehernen Halse käme.
 
„Heuer nicht! Heuer nicht!“ entgegnete der Junge.
 
Die Gänse flogen weiter, dem Ufer des Wettern entlang; und nach einer Weile kamen sie an das Sannaer Krankenheim. Einige von den Kranken standen auf einer Veranda, um sich an der Frühlingsluft zu erfreuen, da hörten sie das Gänsegeschnatter. „Wohin geht die Reise? Wohin geht die Reise?“ fragte einer der Kranken mit schwacher kaum vernehmlicher Stimme.
 
„In ein Land, wo es weder Kummer noch Krankheit gibt!“ antwortete der Junge.
 
„Nehmt uns mit!“ sagten die Kranken.
 
„Heuer nicht! Heuer nicht!“ lautete die Antwort.
 
Als die Schar noch ein Stück weiter geflogen war, kamen sie nach Huskvarna. Dieser Ort liegt in einem Tal; steile, schön geformte Berge stehen rings umher, und in langen, schmalen Wasserfällen kommt ein Bach die Anhöhe herabgerauscht. Große Werkstätten und Fabriken liegen am Fuß der Berge, im Tal breiten sich die von kleinen Gärten umgebenen Arbeiterwohnungen aus, und mitten im Tal erhebt sich ein Schulhaus. In dem Augenblick, wo die Wildgänse vorüberflogen, läutete eine Glocke, und eine Menge Kinder strömte aus der Schule heraus. Es waren ihrer so viele, daß sie den ganzen Schulhof füllten. „Wohin geht die Reise? Wohin geht die Reise?“ riefen die Kinder, als sie die Wildgänse hörten.
 
„Dahin, wo es weder Bücher noch Aufgaben gibt!“ rief der Junge.
 
„O, nehmt uns mit! Nehmt uns mit!“ schrien die Kinder.
 
„Heuer nicht, aber nächstes Jahr!“ erwiderte der Junge. „Heuer nicht, aber nächstes Jahr!“ 

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