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Sechzehntes Kapitel Die Schlacht der Bienen und Hornissen
日期:2020-08-25 09:59  点击:261
Es herrschte eine ungeheuere Erregung im Reich der Bienen. Selbst in den Tagen der Revolution war der Aufruhr nicht so groß gewesen. Der Stock brauste. Es war nicht eine Biene, die nicht von einem heiligen Zorn der Empörung befallen war und von glühendem Verlangen, den alten Todfeinden mit ganzer Kraft zu begegnen. Und doch traten weder Verwirrung noch Unordnung ein, es war gradezu erstaunlich, wie rasch die Regimenter sich gesammelt hatten und wie gut jeder wußte, was seine Pflicht war und wodurch er sich nützlich machen konnte.
Allerdings war es die höchste Zeit. Als auf den Ruf der Königin die Freiwilligen vortraten, die sich als erste zu der Verteidigung des Eingangs hergaben, kamen rasch wie sausende Pünktchen die ersten Botschafter zurück, die ausgesandt worden waren und nun meldeten, daß die Hornissen nahten. Es trat eine furchtbare Ruhe der Erwartung ein. Mit gefaßtem Ernst und bleich vor Stolz, standen die ersten Soldaten hart am Eingang in drei geschlossenen Reihen. Keiner sprach mehr, es war totenstill umher. Nur im Hintergrund hörte man die leisen Kommandorufe der Offiziere, die die Reserven ordneten. Es schien, als schliefe der Stock. Nur am Tor arbeiteten leise und fieberhaft noch etwa ein Dutzend Wachsbereiterinnen, die den Befehl erhalten hatten, den Eingang mit Wachs zu verengen. Wie durch ein Wunder waren in den wenig Minuten zwei dicke Wachswände entstanden, die auch die stärkste Hornisse nicht ohne Zeitverlust zerstören konnte. Das Flugloch war fast um die Hälfte verkleinert worden.
Die Königin hatte einen Posten inne, von dem aus sie in der Lage war, den Kampf zu überblicken. Ihre Adjutanten eilten und flogen hin und her. Nun war schon der dritte Kundschafter zurück. Er sank völlig erschöpft vor der Königin nieder.
„Ich bin der Letzte, der zurückkommt,“ schrie er mit äußerster Anstrengung, „die andern sind tot.“
„Wo sind die Hornissen?“ fragte die Königin.
„Bei den Linden“, rief er, und dann stammelte er in Todesangst: „Hört, hört! die Luft saust von den Flügeln der Riesen!“
Es war nichts zu hören. Es mußte seine Angst sein, daß er immer noch glaubte, verfolgt zu werden.
„Wie viele sind es?“ fragte die Königin streng, „sprich leise.“
„Ich habe vierzig gezählt“, flüsterte der Botschafter, und obgleich die Königin über die Stärke des Feindes erschrak, sagte sie doch laut und zuversichtlich:
„Es wird keine von ihnen ihre Heimat wiedersehen.“
Die Worte der Königin wirkten auf die Soldaten und Offiziere wie eine furchtbare Wahrsagung zum Unheil des Feindes, und der Mut aller hob sich.
Als aber nun draußen in der stillen Morgenluft erst leise und dann lauter und lauter ein scharfes unheilvolles Surren entstand, als der Eingang sich verdunkelte und alle deutlich die schrecklichen Flüsterstimmen dieser grausamsten Räuber und Mörder vernahmen, die es in der Welt der Insekten gibt, da erbleichten die Angesichter der kleinen mutigen Bienen, als ob ein fahler Lichtschein über die Reihen sänke. Sie sahen einander mit Augen an, in denen der Tod wartete, und die ersten wußten, daß keine Minute mehr vergehen würde, bis sie ihr Leben gelassen hatten.
Da klang die gefaßte Stimme der Königin ruhig und klar aus der Höhe:
„Laßt die Räuber eindringen, einen nach dem andern, bis ihr meinen Befehl hört, dann stürzen die ersten Reihen, je hundert zugleich, sich auf die Eingedrungenen, und die hinteren Reihen decken den Eingang. Auf diese Art teilen wir die Streitmacht des Feindes. Bedenkt ihr Ersten, von eurer Kraft und Ausdauer und von eurem Mut hängt das Wohl des ganzen Staates ab. Aber seid getrost, die Feinde werden im Dämmerlicht nicht sogleich erkennen, wie wohl wir gerüstet sind und arglos eindringen ...“
Sie brach ihre Worte ab, denn im Tor erschien der Kopf des ersten Räubers. Tastend und vorsichtig spielten die Fühler, die Zangen öffneten und schlossen sich, daß einem das Blut erstarren konnte, und langsam schob der ungeheure getigerte Leib mit seinen starken Flügeln sich nach. Der Panzer funkelte im Licht, das von außen eindrang.
Es ging wie ein Zittern durch die Reihen der Bienen, aber kein Laut war vernehmbar.
Die Hornisse trat leise zurück, und man hörte ihre Meldung:
„Der Stock schläft! Aber der Eingang ist halb vermauert und es sind keine Wächter da. Ich weiß nicht, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen ist.“
„Ein gutes!“ klang es von außen, „vorwärts!“
Da sprangen zwei Riesen nebeneinander hinein, lautlos drängte es flimmernd, getigert und gepanzert nach. Es war fürchterlich anzuschauen. Nun waren schon acht der Räuber im Stock und immer noch erklang kein Befehl der Königin. War sie vor Entsetzen erstarrt, daß ihre Stimme versagte? Sahen denn die Räuber immer noch nicht, daß zur Rechten und zur linken dicht gedrängt und todesbereit im Schatten die glitzernden Reihen der Soldaten standen ...
Da klang es laut aus der Höhe:
„Im Namen eines ewigen Rechts und im Namen der Königin, verteidigt das Reich!“
Da erhob sich ein Brausen und füllte die Luft, wie noch kein Kriegsgeschrei die Stadt erschüttert hatte. Es erschien, als müsse der ganze Stock durch dies tobende Brummen zersprengt werden, und wo eben noch klar gesondert die einzelnen Hornissen kenntlich gewesen waren, wälzten sich nun in dichten, dunklen Knäueln brausende Haufen. Ein junger Offizier der Bienen hatte kaum das Ende des Kommandos abgewartet. Er wollte der erste sein, der angriff, und er war der erste, der starb. Er hatte schon eine Weile bebend vor Kampfeslust, zum Sprung bereit dagestanden, und als über ihm das erste Wort des Befehls laut wurde, stürmte er vor, gerade dem vordersten Räuber in die Fänge, und sein feiner, unendlich spitzer Stachel fand den Weg zwischen dem Kopf und dem Brustring in den Hals seines Gegners. Er sah noch, wie die Hornisse sich mit einem wütenden Aufschrei zusammenkrümmte, so daß sie für einen Augenblick wie eine gelbschwarze, glitzernde Kugel erschien, dann drang der furchtbare Stachel des Räubers dem jungen Offizier durch die Brustringe ins Herz, und sterbend sah er sich und den tödlich getroffenen Feind in einer Wolke der Seinen versinken. Sein kühner Soldatentod hatte allen die wilde Seligkeit einer hohen Todesbereitschaft ins Herz gesenkt, und der Ansturm der Bienen wurde zu einer furchtbaren Not für die Eindringlinge.
Aber die Hornissen sind ein altes, kampfgewohntes Räubervolk, und Morden und Rauben ist ihnen längst zum grausigen Handwerk geworden. Wenn auch der erste Anprall der Bienen sie verwirrt und versprengt hatte, so bedeutete er nicht so viel an Schaden, als es anfangs erscheinen mochte. Denn die Stachel der Bienen drangen nicht durch die Panzer der Riesen, und die Kraft und Größe der Hornissen gab ihnen eine Überlegenheit, derer sie sich wohl bewußt waren. Ihre durchdringenden, surrenden Kampfrufe, vor denen alle Wesen in Entsetzen geraten, die sie hören, überhallten das Kriegsgeschrei der Bienen. Fürchten doch sogar die Menschen diesen Warnruf der Hornissen und weichen ihnen lieber aus, ehe sie ungewappnet den Kampf mit ihnen wagen.
Die überfallenen Hornissen, die bereits in den Stock eingedrungen waren, erkannten rasch, daß sie vor allen Dingen vordringen mußten, um den Ihren draußen nicht selbst den Eingang zu sperren. Und so wälzten sich die kämpfenden Knäuel voran in die dunklen Straßen und Gänge. Wie richtig war der Befehl der Königin gewesen, denn kaum war ein wenig Platz am Eingang entstanden, da stürzten die hinteren Reihen der Soldaten vor, um ihn zu verteidigen. Es war eine altbewährte und furchtbare Kampfweise, die befolgt wurde. Kaum hatte eine Hornisse sich am Eingang im Kampfe ermüdet, so taten die Bienen, als seien sie selbst erschöpft, und ließen den Räuber eindringen. Aber stets gelang es nur dieser einen Hornisse in die Stadt zu gelangen, denn kaum drängte die zweite nach, so stürzte sich auch schon ein dichter Schwarm neuer Soldaten auf das scheinbar unverteidigte Tor. Und der eingedrungene Gegner, der vom Kampf ermüdet war, sah sich plötzlich den glitzernden Reihen ganz neuer Bienenkrieger gegenüber, die noch kein Glied im Kampf gerührt hatten, und meist erlag er schon im ersten Ansturm ihrer Übermacht.
Aber in die Kampfrufe mischten sich nun schon seit lange das Todesgeschrei der Sterbenden, das Jammern der Verwundeten und ein wildes, schmerzvolles Stöhnen voll Todesangst und Abschiedsweh. Die furchtbaren Stachel der Hornissen hatten in der entsetzlichsten Weise unter den Bienen gewütet. Die wälzenden Haufen der Kämpfenden im Stock ließen eine ganze Bahn von Toten zurück. Die eingeschlossenen Hornissen hatten erkannt, daß ihnen der Ausweg abgeschnitten war, und daß wohl keine von ihnen das Tageslicht wieder erblicken würde. So kämpften sie einen furchtbaren Verzweiflungskampf. Aber langsam erlagen sie doch, eine nach der anderen, denn es trat ein Umstand ein, der den Bienen sehr zugunsten kam, erschöpfte sich auch die Kraft der Riesen nicht so rasch, so erschöpfte sich doch das Gift ihrer Stachel und ihre Stiche wirkten nicht mehr tödlich. Die verwundeten Bienen wußten jetzt, daß sie sich erholen würden, das gab ihnen ein ganz neues Siegesbewußtsein, zu dem der Schmerz um ihre Toten kam, der ihnen höchste Kräfte des Zorns verlieh.
Langsam wurde es stiller. Die lauten Zurufe der Hornissen vor dem Stock fanden keinen Widerhall mehr bei den eingedrungenen Gefährten.
„Sie sind alle tot“, sagte die Führerin der Hornissen in grimmigem Schmerz und rief die Kämpfenden vom Tor zurück. Ihre Schar war auf die Hälfte zusammengeschmolzen. Bis zu ihnen hinaus tönte das Dröhnen des zornigen Bienenstocks.
„Es muß Verrat vorliegen,“ sagte die Führerin wieder, „die Bienen waren vorbereitet.“
Sie hatten sich auf der Blautanne versammelt. Es war langsam immer heller geworden, und das Morgenrot vergoldete schon die Wipfel der Linden. Die Vogelrufe wurden laut, und der Tau fiel. Bleich und vor Kampfeswut zitternd standen die Krieger um ihre Führerin, die innerlich mit sich rang, ob sie ihrer Raublust oder ihrer Klugheit gehorchen sollte. Nein, sie sah ein, es ging nicht an, der ganze Stamm der Ihren war in Gefahr, aufgerieben zu werden. Und mit Widerwillen und vor beleidigtem Ehrgeiz bebend, beschloß sie, einen Boten an die Bienen zu senden, um die Eingeschlossenen zu retten.
Sie wählte den klügsten ihrer Offiziere, den sie kannte, und rief seinen Namen.
Ein bedrücktes Schweigen war die Antwort. Er war unter den Eingeschlossenen.
Da wählte sie einen andern, rasch und angstvoll, plötzlich überkam sie eine Todesangst um die Ihren, die nicht zurückkehrten. Das Toben der Bienenstadt war weithin vernehmbar.
„Eile dich!“ rief sie und gab dem Friedensboten ein weißes Jasminblatt in die Hand, „sonst kommen am Ende noch die Menschen, und wir sind verloren. Sag ihnen, wir würden davonziehen und ihren Stock für immer verschonen, wenn sie die Eingeschlossenen ausliefern würden.“
Der Bote stürzte davon, schwenkte vor dem Tor sein weißes Blatt und ließ sich am Flugbrett nieder.
Sofort wurde der Bienenkönigin die Nachricht gebracht, es sei ein Abgesandter da, der verhandeln wollte, und die Herrscherin schickte ihm ihre Adjutanten. Als ihr die Kunde gebracht wurde, ließ sie die Antwort sagen:
„Wir Bienen liefern die Toten aus, wenn ihr sie mit euch nehmen wollt. Gefangene sind nicht gemacht. Die Euren, die eingedrungen sind, sind alle tot. Euerm Versprechen, nicht wiederzukommen, glauben wir nicht. Ihr könnt wiederkommen, wann ihr wollt, es wird euch niemals besser gehen als heute, und wenn ihr jetzt fortkämpfen wollt, so findet ihr uns bis auf den letzten Mann bereit.“
Die Führerin der Hornissen erbleichte, als sie diese Kunde vernahm. Mit geballten Fäusten kämpfte sie einen schweren inneren Kampf. Gar zu gern hätte sie dem Wunsch ihrer Krieger Folge geleistet, die um Rache schrien. Aber ihre Vernunft siegte.
„Wir kommen wieder“, knirschte sie. „Wie konnte uns dies geschehen? Sind wir nicht stärker und mächtiger, als das Volk der Bienen? Noch ist mir jeder Feldzug zu unserm Ruhm geglückt. Wie soll ich nach dieser Niederlage vor unsere Königin treten?“ Und wutbebend wiederholte sie: „Woran liegt das, was ist hier geschehen? Das kann nur Verrat sein.“
Da antwortete eine ältere Hornisse, die als eine Freundin der Königin galt:
„Wir sind wohl stärker und mächtiger, aber das Volk der Bienen ist einig und treu. Das ist eine große Macht, der niemand widerstehen kann. Keine würde ihr Volk verraten, jede dient zuerst dem Wohl aller.“
Die Führerin hörte kaum zu.
„Mein Tag wird kommen“, knirschte sie. „Was schert mich die Weisheit dieser Kleinbürger. Ich bin ein Räuber und will als Räuber sterben. Aber hier wäre kämpfen Wahnsinn. Was nützt es uns, wenn wir den ganzen Bienenstock vernichten und keiner von uns käme zurück?“ Und an den Boten gewandt, rief sie:
„Verlange die Toten. Wir ziehen.“
Es antwortete ihr ein dumpfes Schweigen. Der Wächter flog davon. —
„Wir müssen mit einer neuen Tücke rechnen, obgleich ich nicht glaube, daß die Hornissen noch große Kampfeslust haben“, sagte die Bienenkönigin, als sie diesen Entschluß der Feinde hörte. Sie befahl, daß zwei neue Abteilungen Krieger den Eingang zu decken hätten und daß die Wachsbereiterinnen und Trägerinnen und die Nachhut die Toten aus der Stadt schaffen sollten.
Und so geschah es. Über Berge von Toten hin wurde eine Räuberleiche nach der andern langsam zum Eingang geschafft und hinabgeworfen. In düsterem Schweigen verharrte drüben die Schar der Hornissen auf der Blautanne und sah die Körper der Gefallenen einen nach dem anderen zu Boden sinken. Es war ein Bild von grenzenloser Trauer, das die heraufsteigende Sonne beschien. Einundzwanzig Gefallene, die einen ruhmvollen Tod gestorben waren, häuften sich im Gras unter der geretteten Stadt. Kein Tröpflein Honig und keine Gefangenen gingen in die Hände des Feindes über. Die Hornissen ergriffen ihre Toten und flogen davon, die Schlacht war beendet, und das Volk der Bienen hatte gesiegt.
Aber welche Opfer hatte dieser Sieg gekostet! Überall lagen Tote umher, in den Straßen und Gängen und den dämmerigen Plätzen vor den Brut- und Honigschränken. Es gab eine traurige Arbeit im Stock an diesem schönen Sommermorgen voll Blumenblühen und Sonnenschein. Die Toten mußten hinausgeschafft und die Verwundeten verbunden und gepflegt werden. Aber bevor der Mittag heraufzog, begann schon wieder die gewohnte Arbeit im Stock. Denn die Bienen feierten weder ihren Sieg, noch trauerten sie lange Zeit um ihre Toten. Ein jeder trug seinen Stolz und seinen Schmerz still mit sich herum und ging seiner Pflicht und Arbeit nach. Es ist ein seltsames Volk, das Volk der Bienen.
 

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